Samstag, 20. April 2013

7.0 Das Leben ging weiter



Versuch Erinnerungen an
Menschen, Ereignisse & Orte
festzuhalten.








Band 2: Die Zeit nach der IBM



Version: V10.1

30.05.2013 16:09





Bevor ich alles vergesse


Viele Entscheidungen und Fehlentscheidungen wurden getroffen und beeinflussten das Leben. Ein „was wäre geschehen wenn....?“ ist jedoch überflüssig. Was geschah lässt sich nicht mehr korrigieren und das ist auch gut so. Aus Fehlern lernt man und aus Schaden wird man klug. Hätte ich mich in manchen Dingen anders entschieden, dann hätte mein Leben einen anderen Lauf genommen.

Doch wäre das gut?


Es erwartet Sie die Fortsetzung meiner Erinnerungen. Nach der Kündigung bei der IBM begann ein wahrhaft turbulentes Leben. Es gab Erfolge und selbst verschuldete Tiefschläge.  Dennoch möchte ich keinen Tag vermissen.

Vielleicht können Sie aus der einen oder anderen Erfahrung aus meinem Leben profitieren?!

Ich habe viele Erinnerungen an Menschen, Orte und Ereignisse niedergeschrieben und daraus dieses Buch erstellt. Es soll mir helfen mich selbst zu entdecken und zu verstehen.
Zur Kontrolle meiner Erinnerungen habe ich mein „Alter Ego“ (kurz "AE" genannt) erfunden. Er wird mich kritisch begleiten.

Kommen Sie mit auf den zweiten Teil meiner Reise!

  

Die ungewisse Zukunft


Die Kündigung bei der IBM ohne Sicherheitsnetz war eine mir bisher unbekannte Erfahrung. Ich hatte emotionale Reaktionen eigentlich immer im Griff. Die Enttäuschung über die geplatzte Versetzung nach Paris war wohl zu groß. Ich hatte mich total darauf konzentriert.

Erkenntnis: immer eine Nacht drüber schlafen ist vielleicht gar nicht so schlecht
AE: „warum hast Du es nicht getan?

Ich fuhr zurück zur DAK. Dort ging ich sofort zu dem IBM-Projektleiter Jochen Körner und berichtete ihm von meiner Spontanreaktion. Er hörte sich die meine Gründe an und empfahl mir einen Termin bei Dr. H. zu machen.

Ich bat also um einen Termin bei ihm und wurde sofort empfangen. Als er die Geschichte angehört hatte, bot er mir einen Beratervertrag an. Ich sollte unbedingt im Projekt bleiben. „Fahren Sie erst mal heim und reden mit Ihrer Frau, wir sehen uns morgen“

Nun war die Welt nicht mehr ganz so grau.

Ellen war über die Neuigkeiten anfangs nicht gerade erfreut, akzeptierte meine Entscheidung  aber. Auch sie hatte sich über die Aussicht in ihrer Lieblingsstadt Paris zu leben innerlich vorbereitet. Und  alle Job-Angebote in Deutschland  zunächst auf Eis gelegt.

Meinem Naturell entsprechend schlief ich trotz aller offenen Fragen gut. Man sagte ja nicht umsonst: „ Pessimisten stehen im Regen. Optimisten duschen unter den Wolken.“

Wie soll es weitergehen?


Am nächsten Tag sagte ich Dr. H., das ich sein Angebot annehmen würde. Die Stundensätze der IBM würden weiterhin Basis des Vertrages sein. In meinem Büro angekommen rief der IBM-Geschäftsstellenleiter an und bat um ein Gespräch außerhalb der DAK. Wir verabredeten uns zu einem Mittagessen in einem Steakhaus. Er hörte sich erst meine Argumente an, machte mir ein Angebot (Beförderung usw.) und sagte offen, dass meine weitere Tätigkeit im Projekt die höchste Priorität hätte. Er würde meine Entscheidung akzeptieren, wie immer sie aussehen würde.

Fazit: ein neuer Lebensabschnitt als Freelancer

Die Vorbereitung auf das Neue...


Gut das Ellen die administrativen Aufgaben übernehmen konnte. Im Projektgeschäft beherrschte ich diese Disziplin zwar, bei eigenen Angelegenheiten bevorzugte ich die spanische Lebensart: mañana, mañana.

Ein Gespräch mit unserem Steuerberater brachte weitere wertvolle Hinweise. Monatliche Umsätze von über 30.000 DM sollten nicht nur an den Fiskus fließen.  Die Gründung einer GmbH wurde also unter diesen Aspekten angedacht.

Wir wohnten damals in Großhansdorf und einigten uns mit dem Vermieter  den Mietvertrag des Hauses in zwei separate Mietverträge umzuwandeln.


Das Obergeschoss wurde nun Sitz der künftigen Firma. Der Vorschlag des Steuerberaters eine GmbH zu gründen wurde zügig umgesetzt und es ging daran einen möglichst prägnanten Firmennamen zu finden. „I“ wie International war die Ausgangsbasis. International klang einfach gut und konnte für spätere, mögliche Expansion genutzt werden. Das Hauptbetätigungsfeld des Unternehmens sollte die Beratung im Bereich Systems Management sein. So wurde also die I(nternationl) S(ystems)C(onsulting) GmbH gegründet.

Erkenntnis: Zu enge Schuhe drücken und lassen große Schritte nicht zu, oder?
 
Nach Erledigung der Formalitäten begann das Alltagsleben. Ellen arbeitete weiter für unterschiedliche Filmproduzenten und ich ging meinen Aufgaben bei der DAK nach.

Einmal im Monat wurden die geleisteten Beratungsstunden abgerechnet, die Rechnung verschickt und alle gesammelten Belege zum Steuerberater gebracht.

Die Ablauforganisation des jungen Unternehmens war optimal, Die Aufbauorganisation ebenso. Ellen = Administration, ich = Umsatz und Marketing.

Es lief wie geschmiert, oder?


Die ersten Monate waren ausgefüllt mit  Projektarbeiten. Ich hatte zusätzlich die Aufgabe übernommen den künftigen RZ-Leiter einzuarbeiten. Überstunden kannte ich aus der IBM-Zeit und sie hatten mich nicht gestört. Ich „liebte“ meine Tätigkeit und nun „zahlten“ die Stunden sich auch noch aus.

Ich  pflegte trotz des langfristigen DAK-Vertrages weiterhin Kontakte mit früheren Kunden und Unternehmen aus meiner IBM-Zeit. Beförderungen, Geburtstage, Jubiläen waren Anlässe für Telefonate und Besuche. Bald ergaben sich Anfragen nach Beratungsleistungen. Nun war es Zeit aus einem 1-Personen Unternehmen eine „richtige“ Unternehmensberatung zu machen.

Bei einem Treffen mit EX-Kollegen stellte sich heraus, dass sie an einem Wechsel zur ISC interessiert waren. Das Portfolio von Kundenanfragen und das Volumen der möglichen Beratungsverträge führten zu einer Erweiterung der „jungen Firma“.

Peter Harries und Peter A. wurden für das Consulting im Bereich Systems Management und Michael Scott (Ex-MBB) für Systemtechnik übernommen.

Wir hatten jeweils am Freitagnachmittag ein Meeting in Großhansdorf vereinbart. Jeder berichtete aus seinem Bereich und schon wenige Wochen später wurden weitere Mitarbeiter eingestellt.

Es war eine ungewöhnliche Firmenkultur, es gab keine festen Arbeitsplätze sondern nur ein verbindliches Berichtswesen

Erkenntnis: Verwaltung so schlank wie möglich ist ideal

Der erste Fehler und Lehrstunde über Unternehmertum


Unser Vermieter interessierte sich sehr für unser Geschäft. Er fand das Geschäftsmodell und das offensichtliche Wachstum faszinierend. Bei mehreren gemeinsamen Essen fragte er nach meinen Plänen und dem Entwicklungspotential. Ich produzierte ein Excel-Modell mit unterschiedlichen Parametern. Die als Muster gedachten Auswertungen verursachten eine wahre Euphoriewelle bei ihm  Ich wusste damals nicht womit er sein Geld verdient, denn er hatte keine erkennbaren Tätigkeiten.

Er lud uns in sein Haus in Florida ein. Ein Prachtbau mit Pool, Bootsanleger, Motorboot und viel Platz. Wir machten viele Ausflüge und genossen das Leben. Nun erfuhr ich auch mehr über Edmund A. H. und seine Geschäftstätigkeiten.  Während des Studiums hatte er eine Konzession für die Belieferung der Gefängnisläden. Das Geschäft florierte und er erweiterte den Radius bis Schleswig-Holstein. 

Später handelte er mit Immobilien in Florida. Gutbetuchte Klienten erwarben Anteile an Einkaufszentren oder kauften Villen.  Das Geschäft schien zu florieren.

Er hätte eine Reihe von Investoren, die für eine Beteiligung an unserem Unternehmen gerne 500.000 € investieren würden. Wir könnten das Geschäftsvolumen durch neue Mitarbeiter wesentlich erweitern. Klang geradezu verlockend. Ich versprach darüber mit meinen Gesellschaftern zu reden.

Wir haben dann nicht mehr über dieses Thema gesprochen. Eines Tages fuhr ein Mercedes S-Klasse vor mit einem deutschen Nummernschild (OD). Es war ein Bekannter von Edmund A. H.

So lernten wir Ed Medley und seine Frau kennen. Ein äußerst sympathisches Paar.. Als ich Ed nach seinem Beruf fragte lernte ich einen neuen Begriff: Entrepreneur. Er erzählte lachend seinen Werdegang. Als Student tourte er als Rucksacktourist durch Kanada. Vor einem Kaufhaus sah er ein Kinderspielzeug. Einen Hubschrauber, der nach Einwurf einer Münze sich bewegte. Eine ganze Kinderschar wartete geduldig auf ihren Flug. So etwas hatte Ed in Amerika noch nicht gesehen.

Er ging zu der Betreiberfirma und fragte nach einer Lizenz für die USA. „Stell Dir vor, da kommt ein junger Bursche mit einem Rucksack und will eine Lizenz für die USA. Sie haben gelacht und mir die Lizenz erteilt“

Ich bin sofort zurück und habe die ersten Geräte in einem großen Einkaufzentrum aufgestellt. Weitere Zentren folgten in kurzer Zeit.. Das Geschäft brummte geradezu.“

Nach zwei Jahren verkaufte Ed Medley seine Firma mit großem Gewinn. „Wenn die Verwaltung der Firma Dich „verschlingt“ suche einen Käufer und mach Urlaub“

Er lachte und fuhr fort mit der unglaublichen Geschichte. Nachdem er die Urlaubszeit beendet hatte stieg er in das Immobiliengeschäft ein. Er kaufte ein großes Hanggrundstück in Florida.

Wir Amerikaner sind schon ein seltsames Volk. Wir müssen immer etwas sehen bevor wir uns entscheiden etwas zu investieren. Ich ließ also Straßen bauen und  ein Musterhaus. In dieses Haus zog eine nette Familie ein. Natürlich mit netten Kindern. Rasen wurde gelegt, Bäume gepflanzt und meine Musterfamilie hatte nur eine Aufgabe: potentiellen künftigen Nachbarn zu zeigen wie schön man hier lebt“

Wir verkauften einen großen Teil der Grundstücke in kürzester Zeit und die ersten Häuser wurden gebaut. Ich entschloss mit meiner Frau einen sechsmonatigen Europatrip zu unternehmen. Nach vier Wochen rief mein Geschäftsführer an und berichtete von einem Malheur: der Straßenbelag färbte sich rosa und die Bremsspuren der Autos würden sicherlich bald das Idyll verunstalten.“

Ich flog sofort zurück und wir berieten die Situation. Da kam mir eine gute Idee. Wir stellten riesige Reklametafeln mit der Aufschrift: Leben auf Pink Hill , an die Hauptstraßen. Innerhalb von vier Wochen war alles verkauft und wir flogen zurück nach Paris. Ein schönes Gefühl diese ersten Millionen, oder?“

Ed  lud uns ein zu einer Bootsfahrt. Als wir in der Marina ankamen führte er uns zu einer riesigen Motoryacht (fast 30 Meter!). Nach einer Führung durch den schwimmenden Palast legten wir ab und fuhren zur Schiffstankstelle. Ich traute meinen Augen nicht: 7500,00 $.

Weiter ging es durch den Kanal Richtung See. Die Damen hatten sich in den Salon zurückgezogen und ich stand bei Ed im imposanten Kommandostand.

Die Yacht habe ich beim Ausstieg bei Hatteras als Abschiedsgeschenk erhalten“. „Hatteras?“. „Der größte Yachtbauer in den USA. Sie standen wegen der Ölkrise unter Chapter 11 und ich bin eingestiegen, da ich ahnte, dass nach der Krise eine gewaltige Nachfrage kommen würde. Ich hatte Recht!“

Nach zwei Jahren habe ich meine Anteile mit großem Gewinn verkauft und erst mal Urlaub gemacht“. Die Yacht war ein Geschenk der neuen Eigentümer.

Erkenntnis: Urlaub schien der Schlüssel zum Erfolg zu sein!
AE" Du Dauerurlauber solltest daraud lernen"
 
Wir genossen unsere Drinks und schipperten gemächlich durch das blaue Wasser. „Wo fahren wir eigentlich hin, Ed?“. „Richtung Bahamas, habe dort ein Haus. Wir setzen uns zusammen und überlegen uns neue Geschäfte. Willkommen Partner“

Mir fiel die Kinnlade runter. „Ich muss nächste Woche nach Deutschland zurück. Wir haben neue Projekte und müssen einige wichtige Entscheidungen treffen“

Schade, wir wären ein gutes Team geworden

Sein Angebot war verwirrend. Wir hatten uns gerade kennengelernt und dann so etwas! 

Mir fiel eine merkwürdige Geschichte aus der Vorwoche ein. Wir hatten beim Essen ein amerikanisches Ehepaar kennengelernt und wurden zu einer Party eingeladen. Mit deutscher Pünktlichkeit standen wir am nächsten Tag um 16.00 Uhr vor der Tür einer prachtvollen Villa. Der Hausherr öffnete, schaute auf seine Uhr und bat uns herein.

Erkenntnis: Pünktlich scheint in anderen Ländern eine Untugend zu sein.

Hallo, herzlich willkommen. Gwen ist noch im Badezimmer. Wie wäre es mit einen Drink?  Gute Idee, schließlich hatten wir Urlaub und die etwas peinliche Situation ließ sich so etwas entspannen. Das Wohnzimmer war riesig. Unser Gastgeber zeigte auf ein Gemälde: „Habe ich gerade bei einer Auktion ersteigert. Gefällt es Euch?“

Ellen erwiderte: „Es hängt dort ungünstig. Ich würde es über die Kommode zwischen die Fenster hängen. Dort wären die Lichtverhältnisse wesentlich besser“ Die beiden fingen umgehend mit der Umdekoration an.

Allmählich trudelten andere Gäste ein und ich hörte erstaunt wie wir vorgestellt wurden. “Das sind Heiner und Ellen aus Deutschland. Ellen ist meine neue Innenarchitektin“ Wollte er uns auf den Arm nehmen?

Als ich Richard direkt fragte warum er uns so seinen anderen Gästen vorgestellt hätte antwortete er lächelnd: „Deine Frau hat ein sehr guten Geschmack. Das ist hier sehr selten. Meine „reichen Freunde“ ahmen sehr gerne nach. Viele werden noch heute versuchen mit Ellen Verträge zu machen“

Ich traute meinen Ohren nicht. „Was soll ich denn machen?“. „Ellen braucht unbedingt einen Manager. Du wirst viel um die Ohren haben, glaube mir“

Ich schaute mich vorsichtig um. „Vorsicht Kamera?“ Was lief hier ab?

Später begriff ich den Unterschied bei unseren  Mentalitäten.


·         Deutschland:
konservativ
übervorsichtig
auf Sicherheit bedacht
der Staat regelt alles
Mobilität vermeiden


·         USA:
wo gibt es gute Verdienstmöglichkeiten
wie kann ich etwas mit Gewinn verkaufen oder günstig kaufen
es gibt keine Grenzen
der Staat soll mich in Ruhe lassen


Ich hatte schon während der IBM-Zeit schon das Angebot als Produktionsleiter für Filmfirmen zu arbeiten abgelehnt. Mir fehlte  einfach der Mut etwas Neues zu beginnen und das ohne Netz und doppelten Boden.

Erkenntnis: wer zu lange zögert verpasst den Sprung zu neuen Ufern


Florida ade


Wir flogen zurück in das kühle Hamburg. In der Firma lief alles zufriedenstellend. Ellen erledigte den Schreibkram und ich nahm meine Projekttätigkeiten wieder auf.

Unser Vermieter nutzte die Gelegenheit nochmal die Beteiligung seiner potenten Investoren anzusprechen. Ich besprach die Angelegenheit mit meinen Partnern. Als sie den Betrag hörten waren sie begeistert.

Erkenntnis: Begeisterung scheint das Hirn zu lähmen

Herr H. lies einen Vertrag durch einen befreundeten Notar aufsetzen. Wir erhielten den Entwurf und sollten uns schnell entscheiden.

Erkenntnis: Suche immer einen Notar Deiner Wahl!

Innerhalb von zwei Wochen war alles unter Dach und Fach. Nun empfahl unser neuer Partner ein Steuerbüro in Ahrensburg. Hier hätten die Alarmglocken eigentlich klingeln müssen. Unser alter Steuerberater hat immer gut funktioniert.

Erkenntnis: Wähle immer einen Steuerberater Deines Vertrauens!

Bei der ersten Gesellschafterversammlung empfahl Herr Holz dem Anwalt und Notar Dr. M.  ein Darlehen über 300.000 DM mit einem angemessenen Zinssatz zu geben. Wir hätten keinen Investitionsbedarf und Geld müsse schließlich arbeiten. Es handele sich um einen Zessionskredit und sei daher besonders sicher. Alle Gesellschafter stimmten zu.

Erkenntnis: wenn Du nicht weist was ein Zessionskredit ist
mache Dich schlau bevor Du zustimmst!

Nun überredete Herr H.  die Gesellschafter, das er seine kaufmännische Erfahrung gerne zur Verfügung stellen würde.  Für seine Beratertätigkeit würde er 7.500 DM monatlich berechnen. Auch hier wurde zugestimmt.

Durch neue Kunden wuchs unser Umsatz erheblich. Nun wurde es Zeit einen angemessenen Firmensitz zu suchen. Herr Holz fand einen solchen. In einem Neubau in Ahrensburg waren unseren Vorstellungen entsprechende Räumlichkeiten. So wurden wir Mieter bei Notar Dr. M.

Der hatte unser Darlehen wohl richtig investiert. Die Miete überstieg die von ihm zu zahlenden Zinsen.

Erkenntnis: Durch Arbeit allein wird man selten reich!

Der neue Firmensitz

Wir bezogen die neuen Räume. Die Möblierung wurde von der USM-Haller Niederlassung in Hamburg durchgeführt. Auch die Lichtinstallation wurde vom Lieferanten geplant und installiert.  Eine Eröffnungsparty wurde geplant. Es war alles perfekt vorbereitet. Wir engagierten einen rumänischen Künstler um unseren Gästen durch fantastische Objekte einen Augen- und Sinnesrausch zu ermöglichen. Bei der Gästeliste fiel mir auf,: die meisten Einladungen gingen an Banker und mögliche Investoren unseres neuen Gesellschafters! Mit unserem Geschäft hatten diese sicherlich nichts zu tun.

Die Einweihung wurde ein großer Erfolg. Die Kunstobjekte wurden bewundert, das Büfett gelobt und Unmengen hochwertiger Getränke konsumiert. Später kamen noch einige Ex-Kollegen der IBM vorbei.  Gegen Mitternacht erschien  Jan Fedder. „Bin extra gekommen damit ich weiter zum Grünkohlessen eingeladen werde“ Typisch Jan.

Er unterhielt unsere illustren Gäste hervorragend. Gaukler bleiben eben Gaukler!

Neue Kunden wurden gewonnen 

Das Wort Vollbeschäftigung traf auf uns zu. In kurzer Zeit gewannen wir neue Kunden und mussten neue Mitarbeiter einstellen. Nach einigen Bewerbungsrunden fanden wir schnell geeignete Spezialisten.  Nach einer kurzen Einweisung übernahmen sie ihre Beratungstätigkeit bei den neuen Kunden. Einmal monatlich gab es ein Treffen in der Geschäftsstelle. Kurze Statusberichte, Abgabe der Beratungsstunden und Spesenabrechnung, Fragen zur Geschäftslage und ab in das Wochenende.

Das Arbeitsklima gefiel allen sehr.

Die Neuen hatten sich durch ihre fachliche Kompetenz schnell einen guten Ruf geschaffen und Folgeaufträge  sorgten für die Festigung unseres Kundenstammes.

Ellen musste ihre Filmaktivitäten fast vollständig einstellen. Eine Sekretärin musste her. Es war ein gutes Gefühl wenn man in das Büro kam und nur von der Sekretärin begrüßt wurde: alle machten Umsatz!

Zusammen mit einem Mitarbeiter führten wir eine RZ-Studie in Hannover bei einer bekannten Versicherung durch. Morgens fuhren wir gemeinsam von Ahrensburg zum Kunden. Ich führte die Interviews der Mitarbeiter und Manager durch, während unser Mitarbeiter die Aufbau- und Ablauforganisation untersuchte.

Mir fiel aus, dass die Mitarbeiter ziemlich frustriert  waren. Alle Versuche Verbesserungsvorschläge zu machen wurden vom Management weitestgehend ignoriert. Bei fast allen Studien konnte man diese Symptome feststellen. Die Mitarbeiter verfielen in eine Art „innerer Kündigung“. Die Tagesarbeit wurde gewissenhaft erledigt. Eine Beteiligung an Verbesserungen an Prozessen fand nicht statt.

Diese Erkenntnisse würde ich bei der Abschlusspräsentation vor dem Vorstand hervorheben müssen 

Die Tage in Berlin[

Die IBM Berlin suchte einen externen Berater für einen Kunden. Die Anfrage ging an uns und ich flog nach Berlin. Der Kunde suchte für den IT-Bereich einen kommissarischen Hauptabteilungsleiter für den IT-Bereich. Dauer des Auftrags ca. drei Monate. Nach einem Gespräch mit dem zuständigen Geschäftsführer des Unternehmens wurde der Vertrag geschlossen. Die Bedingungen waren hinsichtlich der Aufgabenbeschreibung sehr gut, und drei Monate in Berlin waren zu ertragen. Zu meiner Überraschung sollte ich schon am nächsten Montag anfangen. Da die Reisekosten vom Kunden getragen wurden veranlasste ich umgehend die notwendigen Flugbuchungen.

Ein Zimmer im Palace Hotel für fünf Tage wurde vom Kunden reserviert. Auf ging es.

                                                     Berlin ich komme!

Ein Hotel wird  immer in meinen Erinnerungen bleiben, der Schweizerhof in Berlin. Als ich meinen Job antrat wurde mir von einem anderen externen Berater der Schweizerhof empfohlen. An einem Montag checkte ich im Hotel ein und bezog ein sehr kleines Zimmer. Vor der Abreise am Freitag buchte ich für die nächste Woche erneut. Ich sagte an der Rezeption: " ich hätte gerne wieder das gleiche Zimmer, fand es genial den Fernseher mit dem Fuß auszuschalten".

Das muss die Dame an der Rezeption gereizt haben. In der nächsten Woche hatte ich ein deutlich größeres Zimmer. Im Laufe meines Einsatzes in Berlin wurde meine Unterbringung im Schweizerhof immer komfortabler. Mein Hinweis: "ich brauche keine frischen Blumen, besonders im Badezimmer" brachte mir die Einladung zum wöchentlichen VIP-Treffen ein. Anfangs ein Vergnügen. Es gab freie Auswahl der Getränke, delikate Häppchen und interessante Begegnungen. Einen Abend verbrachte ich damit das Adressbuch von Chris Howland zu reparieren. Es waren meistens nette Leute, nur wenn Dieter-Thomas Heck teilnahm ging ich lieber ins Kino oder arbeitete länger. Der Typ war einfach zu laut!

Wochen später war ich von den endlosen Meetings beim Kunden erschöpft und schlich mich im Hotel auf mein Zimmer. Minuten später rief die Empfangschefin an: " Hallo, Herr Jäger! Kommen Sie heute nicht zum VIP-Treffen?". Ich antwortete: " Fühle mich heute nicht besonderes". Sie: "Oh, ich schicke sofort den Hotelarzt". Ade schöner freier Abend!

Erkenntnis:  Ausreden sollten immer gut überlegt werden und ein VIP-Status erst recht

Die Arbeit in Berlin gefiel mir sehr. Nur die öffentlich-rechtliche Welt musste erst erkundet werden. Meine  Inthronisierungerfolgte im Rahmen einer Betriebsversammlung des DV-Bereiches. Nach der Vorstellung durch den Geschäftsführer fielen ziemlich harsche Bemerkungen durch den Personalratsvorsitzenden: „ wieso wird ein Externer eingesetzt, haben wir nicht genügend qualifizierte Kandidaten im eigenen Haus?“. Ein gelungener Start, oder?

Nach der Vorstellung sollte ein Treffen mit den drei weiteren Geschäftsführern stattfinden. Ich  nahm mein Beratererkennungsmerkmal, den ledergebundenen Time Planer und machte mich auf den Weg zur Hauptverwaltung. Der Personalratsvorsitzende folgte mir und sagte: „ das war nicht persönlich gemeint. Gehört zum Ritual. Haben Sie heute Abend etwas vor, wenn nicht, ich bin ab 20 Uhr in der Kneipe neben an. Wir sollten uns mal unterhalten“.

Das Kneipentreffen war ein voller Erfolg. Der alte „Fuchs“ gab mir wertvolle Hinweise über den Umgang mit den Führungskräften des Unternehmens, Interpretation von Schriftverkehr und Verteilern. Wir verabredeten regelmäßige Treffen. Unsere Zusammenarbeit war äußerst fruchtbar.

Erkenntnis: Höre auf weise Füchse!

Das Leben bestand überwiegend aus Meetings. Meine Aufgaben im eigenen Bereich konnte ich erst spät abends erledigen. Als ich den Schreibtisch meines Vorgängers inspizierte fielen mir diverse Protokolle und Schreiben auf. Um einen Überblick zu erhalten nutzte ich ein PC-Programm für die Kategorisierung und Erfassung offenbar wichtiger Informationen. Mehrere Abende waren notwendig. Die erste Auswertung gab ein gutes Summary und ich druckte mir das Ergebnis aus.

Schon beim nächsten Meeting erwies sich dieses Stück Papier als Goldgrube. Der Projektleiter einer externen Unternehmensberatung forderte zusätzliche Mittel, da seitens unseres Unternehmens nicht vereinbarte Zusatzarbeiten angefallen seien. Meine Frage: „ Haben Sie nicht im Meeting am xx.xx.xxxx zugesagt, das?“ brachten ihn in Bredouille. „Außerdem möchte ich an Ihr Schreiben vom xx.xx.xxxx erinnern. Dort haben Sie auf Seite Zwei, Punkt xxxx  …..“ .



Er machte umgehend eine Kehrtwende und ich wusste, dass meine Auswertung extrem nützlich war. Bei späteren Projektmeetings wurde ich stets beobachtet. Das Öffnen meines Planers reichte aus, dass nur noch belegbare Fakten besprochen wurden.


Ein weiterer Kunstgriff war die Art meiner Protokollierung.

·                    Öffnen der Mappe
·                    Blick auf die Uhr
·                    Notieren Datum, Uhrzeit und Thema
·                    Knappe Frage: „Habe ich Sie richtig verstanden............“
·                    Denkend kurz  zur Zimmerdecke schauen
·                    Angebliches notieren der Antwort
·                    Schließen der Mappe
·                    Angedeutetes Lächeln

Erkenntnis: Nutze Deine Mittel uns setzte sie zu Deinem Vorteil ein! 
 
Es waren sehr hilfreiche Mittel, die auch über gelegentlich fehlende Fachkenntnis hinweg täuschten. Ich suchte mir besonders fähige Mitarbeiter aus und motivierte sie Fachfragen zu analysieren und für mich verständlich zu dokumentieren. Geschickte Nutzung dieser Informationen machte es möglich die nötige Fachkompetenz zu zeigen,  und  eventuelle peinliche Diskussionen zu vermeiden.

Der Leiter der Anwendungsabteilung hatte ein schlimmes Alkoholproblem. Er war morgens max. bis 9 Uhr ansprechbar. Ich verabredete ein tägliches Meeting um 8 Uhr mit ihm und erhielt wertvolle Hinweise über alle Anwendungen und Services. Wenn in Meetings nach dem Anwendungsleiter gefragt wurde, entschuldigte ich ihn mit der Bemerkung, er müsse dringende Aufgaben für mich erledigen. Das Problem mit ihm musste unbedingt gelöst werden. Ein möglicher Ersatz war vorhanden, hatte aber ein Personalproblem: kein abgeschlossenes Studium!

Ich besprach die Thematik mit meinem Freund dem Personalratsvorsitzenden. Der „alte“ Fuchs fand eine Lösung. Mit einigen taktischen Winkelzügen wurde der Amtsinhaber zu meinem persönlichen Assistenten ernannt und der bisherige Stellvertreter übernahm zunächst kommissarisch die Abteilungsleitung.

Die fest mit Meetings ausgefüllten Tage erforderten Denkpausen. Ein nettes Beispiel: ich sagte eine Meetingsteilnahme ab um für den nächsten Tag einige Notizen zu verarbeiten. „Frau Müller, ich möchte in der nächsten Stunde nicht gestört werden“ sprach es und machte mich mit meinen Unterlagen auf der bequemen Couch in der Sitzgruppe breit. Schuhe aus, Aschenbecher heranziehen und Gedanken, ToDo-Listen und weitere Notizen bearbeiten. Ein leises Klopfen an der Tür. Noch war die „Freistunde“ nicht vorbei. „Herein“ Frau Müller schaute mich verlegen an. „Oh, ich dachte Sie schlafen, der Geschäftsführer fragt, ob Sie nachher vorbeischauen könnten“.

 Mein Vorgänger hatte wohl besondere Arbeitsweisen gepflegt.

Bei meinem Einsatz lernte ich auch andere Unternehmensberater kennen. Mir fiel besonders Jens-Reimer Groß von der Treuhand auf. Ein wahres Genie im Bereich der Kostenrechnung gesegnet mit hintergründigem Humor. Wir wohnten im gleichen Hotel und gingen häufig mit einem anderen Berater zum Abendessen in eine urige Berliner Kneipe. Dort gab es stets wechselnde Eintöpfe und gut gezapftes Bier. Der Wirt war ein ziemlich knorriger Typ und äußerst wortkarg. Ob das wohl ein echter Berliner war?

Wir saßen stets an der Theke, genossen unsere Suppen (gekochte und gezapfte), und unterhielten uns prächtig. Uns gegenüber lief ein Fernseher ohne Ton. Nach mehreren Gläsern fingen wir an die fehlende Akustik mit eigenen Kommentaren zu versehen. Zunächst schaute der Wirt ziemlich skeptisch, lud uns dann zu einer Runde ein und meinte: „Seid schon komische Vögel, aber recht nett“. Nun hatten wir reservierte Stammplätze!

Als meine beiden Stammtischler eine Woche Urlaub machten ging ich allein zu unserer geliebten Futterstelle. Der Wirt kam mit einem dicken Gästebuch zu mir und zeigte stolz die Einträge prominenter Gäste. General Clay zum Beispiel hatte offenbar mehrere Abende in der Kneipe verbracht und sich im Buch lobend verewigt

Ihr seltsamen Vögel müsst Euch auch eintragen“. Oh Gott Gästebücher! Verzweifelt fing ich an nach möglichst treffenden Worten zu suchen. Die leere Seite wartete auf einen Geistesblitz. Zunächst einmal Ort und Zeit. Der Anfang war gemacht. Da kam plötzlich die Erleuchtung:

Werd ich vor's Gästebuch gezerrt,
so denk ich mit Verdruss,
ich werde ins Klosett gesperrt,
obwohl ich gar nicht muss!
Dank Dir, Joachim Ringelnatz!

Das ist typisch für Euch komischen Vögel!“, er lachte und ich wurde mit einem Freibier belohnt

Männer in Anzug und Krawatten trotzten dem Unwetter.


Eines Abends besuchten wir nach Feierabend unsere Stammkneipe. Draußen war noch ein Tisch frei. Ein Rudel Freizeitrocker hatten ihre Harleys malerisch geparkt. Schienen Rechtanwälte oder Ärzte zu sein. Als unsere Suppenauswahl (Eintopf und Bier) serviert wurde ging ohne Vorankündigung eine wahre Sintflut über Berlin nieder. Die Freizeitrocker nahmen ihre Teller und Gläser und flohen panisch ins Innere des Lokals. Wir sicherten unsere Biergläser mit Bierdeckeln. Teller mussten unsere Eintopfschalen vor Verwässerung schützen. Stoisch löffelten wir unser Abendmahl. Der Wirt forderte uns durch das Fenster auf unsere Stammplätze an der Theke einzunehmen. Mussten wir ablehnen. Die „Rocker“ drückten sich die Nasen platt am Fenster.

Als wir unser Mahl beendigt hatten nahmen wir das Geschirr und die leeren Gläser, erhoben uns und gingen betont langsam in die Kneipe. Berater sind eben abgebrühte Typen, oder?

Der Applaus der trockenen Gäste tat uns gut. Was ist schon ein Unwetter gegen die Herausforderungen unseres Tagesgeschäftes?

Henning A. blieb die nächsten drei Tage mit einer schweren Erkältung im Hotel.

Die halbe Seite....

Ich nutzte abends gerne die „publikumsfreie“ Zeit um meine Termine für den nächsten Tag vorzubereiten. Dadurch konnte ich mir immer Freiräume schaffen. Gegen 19.30 Uhr rief ich bei Jens-Reimer an: „Wann machst Du Feierabend?“. „Ich brauche noch etwas Zeit, bin dabei eine Vorlage für die Geschäftsleitung zu erstellen“.

Langsam stellte sich ein Hungergefühl ein und ich ging in sein Büro. „Na, wie läuft es, ich brauche eine Atzung“. „In einer halben Stunde bin ich fertig und wir können los“. Gute Aussichten!

Ich schlenderte zurück in mein Arbeitszimmer. Mein Tagespensum war erfüllt und etwas Neues anzufangen lohnte sich nicht. Nach 45 Minuten kam Jens-Reimer mit einem Blatt Papier herein: „Kannst Du Dir das mal kurz anschauen, ich bin fertig.“

Ungläubig schaute ich auf das „Machwerk“, eine halbe Seite? Dafür stundenlange Arbeit? Vor mir lag eine perfekte Vorlage für weiteres Vorgehen bei der Kostenrechnung. „Ich habe das Ganze etwas komprimiert, es war für eine Entscheidungsvorlage zu lang“

Erkenntnis:  in der Kürze liegt manchmal die Würze

Hamburg-Berlin mit Überraschungen


Jens-Reimer hatte sich  einen 7er BMW gekauft, und wir verabredeten eines Tages zusammen nach Berlin zu fahren. Wir hatten geplant um 7 Uhr in Eimsbüttel zu starten. Ich hatte meine Sachen gepackt und trank den letzten Schluck Kaffee. Gleich würde es klingeln. Keine Türklingel war zu hören. Es war bereits 7:20 Uhr. Ob er wohl verschlafen hatte? Ich rief bei ihm an. Keine Antwort, also war er auf dem Weg.

Um 7:50 Uhr ertönte unsere Haustürklingel. „Ich hab mich verfahren, sorry“.

Vorsichtshalber informierte ich meine Berliner Sekretärin: „ Guten Morgen, Frau Müller, sagen Sie bitte meinen Termin beim Geschäftsführer ab. Ich bin etwas spät dran“.

Ein Wochenanfang der ungeliebten Art!

Wir erreichten unser Ziel fünf Minuten vor dem Start der vereinbarten Meetings. Ich hatte ja vorsorglich abgesagt, aber Jens-Reimer hatte in wenigen Minuten einen Termin. Seelenruhig öffnete er den Kofferraum, händigte mir meine Tasche und einen großen Picknickkorb aus. Ein  Picknickkorb?. Wir gingen in mein Büro und mein Kollege begann den Inhalt des Korbes auf dem Tisch auszubreiten. Kalte Hähnchenschenkel, diverse Auflagen, frische Brötchen und eine Flasche Wein. Ich schaute ihm fassungslos zu und schaute auf die Uhr. „Jens-Reimer Dein Meeting begann vor drei Minuten! Was machst Du hier eigentlich?“. „Ich mache einen neuen Termin, jetzt frühstücken wir erst einmal gemütlich“.

Ein Gemüt wie ein Schaukelpferd  hatte dieser Kerl!

Erkenntnis:  Auch Prioritäten haben nicht immer Priorität


Wo bleibt der Kerl nur?


Als professioneller Frühaufsteher saß ich um kurz vor sieben Uhr an meinem Schreibtisch. Der Tagesplan war optimal vorbereitet und ich schaute mir die Informationen des IT-Berichtswesens an. Um 9:30 Uhr hatte ich ein Treffen mit Jens-Reimer verabredet. Der schlief gerne etwas länger und genoss gerne das Frühstücksbuffet im Hotel. Ich rief gegen  9:00 Uhr in seinem Büro an. Niemand da! Zur vereinbarten Zeit ging ich zu seinem Zimmer. Nanu, leer? Hatte wohl verschlafen!

Als er um 10:00 Uhr noch nicht im Hause  war, wurde ich nervös. Ich rief im Schweizerhof die Rezeption an. „Herr Groß muss noch in seinem Zimmer sein. Der Schlüssel ist nicht bei uns. Haben Sie sein Zimmertelefon schon versucht?“ Gute Idee, ich wählte also seine Zimmernummer. Freizeichen! Ob dem Kerl etwas passiert war? Nach zwei weiteren Versuchen ohne Erfolg bat ich die Rezeption des Hotels jemand zu Jens-Reimer hoch zuschicken.

Eine Stunde später kam er in mein Büro gestürmt:“ Was ist Dir denn da wieder eingefallen. Ich konnte gestern Nacht nicht einschlafen und habe mir Ohrstöpsel eingesetzt und eine Schlafmaske benutzt. Kannst Du Dir vorstellen wie es ist, wenn Dich jemand wachrüttelt und Du nichts hörst und siehst? Ich habe fast einen Herzinfarkt erlitten!“

Erkenntnis: Fürsorge kann zu Übertreibungen führen!

Erfahrungen als kommissarischer Hauptabteilungsleiter


Ich hatte nicht damit gerechnet, dass mein Auftrag in Berlin so lange dauern würde. Beim Start wurde von zwei bis drei Monaten gesprochen, da die Stelle längst ausgeschrieben war. Anscheinend war niemand interessiert. Nun saß ich also in diesem überdimensionierten Büro. Betreut von zwei eifrigen Sekretärinnen. Der Tagesablauf bestand fast ausschließlich aus Meetings. Dass bedeutete sportliche Höchstleistung. Das DV-Gebäude war ca. 400 Meter von der Hauptverwaltung entfernt.

Beispiel eines Tagesablaufs:

07:00 Uhr Ankunft und Vorbereitung auf das Tagwerk

09:00 Uhr Morgenbesprechung beim Geschäftsführer: Teilnehmer alle Hauptabteilungsleiter und einige Referenten. Gelaufen  400 Meter

10:00 Uhr Morgenbesprechung DV-Bereich. Teilnehmer alle Abteilungs- und Projektleiter. Gelaufen 800 Meter

11:00 -11.30 Uhr Postbearbeitung.

11:30-12:00 Uhr Mitarbeitergespräche

12:00- 12:45 Uhr Mittagspause in der hervorragenden Kantine der Hauptverwaltung. Gelaufen 1200 Meter

12:45- 13:30 Uhr Postbearbeitung und Telefonate

13:30- 15:00 Uhr Diverse Projektmeeting in der Hauptverwaltung. Gelaufen 1600 Meter

15:00-17.00 Uhr Alles was so anfiel. Gelaufen 2000 Meter

17:00 Uhr  Endlich war das Haus leer bis auf die Mitarbeiter des Rechenzentrums. Start  der Kreativphase bis 20:30 Uhr oder später.

Erkenntnis: es läuft doch,  oder ?

Interne Querelen


Man blieb für die festangestellten Mitarbeiter oft der misstrauisch beobachtete „Externe“. Gerüchte über die exorbitante Vergütung sorgen oft für Neid und Missgunst. Ein Erlebnis der besonderen Art:

Der Hauptabteilungsleiter Finanzen lud zu einem Meeting ein. Thema Projektkosten. Teilnehmer waren mehrere externe Projektleiter von anderen Unternehmensberatungen und ich in meiner  Funktion als kommissarischer DV-Leiter. Zunächst verlief das Treffen ziemlich harmonisch. Gegen Ende der Veranstaltung fing der Finanzhäuptling an sich über die hohen Honorare und dem geringen Nutzen externer Berater zu polemisieren.

Ich wartete bis die anderen Teilnehmer aufbrachen und blieb zu seiner Überraschung einfach sitzen. „Ist noch irgendwas?“. „Ja, wir sollten gemeinsam zum Geschäftsführer gehen. Ihre Äußerungen über externe Berater zeigen, das eine Zusammenarbeit kaum möglich ist“. Er wurde leichenblass. „Sie waren doch nicht damit gemeint“. Da war das letzte Wort noch nicht gesprochen. Hier gab es eine offene Rechnung.

Wie sagte schon Sun Tsu: „ Im Kriege ist es von größter Wichtigkeit, die strategischen Pläne des Feindes zu durchkreuzen“. Das war sicherlich nicht das letzte Gefecht. Schon Tage später gab es erneut Querelen mit dem Herrn.

Ich erhielt nach Feierabend Besuch in meinem Büro. Herr Block, der Bürobote bat um ein Gespräch. Das war ungewöhnlich. Wir hatten kurz bei meiner „Inthronisierung“ miteinander gesprochen. Ich sah ihn oft mit seinem Rollwagen auf den Fluren. „Hallo, Herr Block, was führt Sie zu mir?“. Sichtlich erregt schilderte er sein Problem. Ich musste mich gewaltig zusammenreißen um nicht loszuprusten. „ Immer stoße ich auf den Fluren mit Leuten zusammen. Ich kann nicht so laut rufen und alle ignorieren mich.“. Hier musste sofort eine Lösung gefunden werden, aber welche?

„Haben Sie eine Idee wie man dieses Problem lösen kann?“. „Ich habe bei Material nach einer Fahrradklingel gefragt. Da es keine Materialnummer gab wurde meine Bitte abgelehnt“

Erkenntnis: immer ernst bleiben dann findet sich eine Lösung

So ein Unsinn. Ich habe morgen ein Treffen im KdW. Die  werden sicherlich Fahrradklingeln haben. Ich bringe Ihnen eine mit“. Zufrieden verließ er das Büro. Ich beschloss Feierabend zu machen. Dieses Gespräch hatte mich erschöpft.

Meine pragmatische Problemlösung führte erneut zu einem Zusammenstoß mit dem Hauptabteilungsleiter Finanzen. Nach einem Meeting kam er auf mich zu: „Also hören Sie, Sie können nicht einfach eine Fahrradklingel besorgen. Das ist in unserem Materialwesen nicht vorgesehen“.

Ich traute meinen Ohren nicht. War der Kerl nun total übergeschnappt? „Die Fahrradklingel war ein persönliches Geschenk an einen Mitarbeiter. Ihr Materialwesen ist nicht in Gefahr. Wir haben sicherlich andere Probleme, oder?“. Meine lächelnde Antwort ließ ihn verstummen.

Diese Korinthenkackerei brachte ihn auf Position 1 meiner Abschussliste.  Wir hatten wirklich andere Prioritäten. Es gab keine geeigneten Daten für die Kapazitätsplanung. Die Geschäftsführung hatte Aussagen zu diesem Thema angefordert. Nach einem Monat hatten wir genügend Informationen und erstellten die ersten Auswertungen. Es zeichnete sich ab, dass wir keinen unmittelbaren Bedarf zur Anschaffung einer größeren CPU hatten. Bei der nächsten Sitzung präsentierte ich die Ergebnisse und fuhr beruhigt in den Urlaub.

Erfahrung: manchmal versagt das bewährte Bauchgefühl

Nach meiner Rückkehr war ich überrascht zu hören, dass die Geschäftsführung einen überdimensionierten Rechnerkomplex geordert hatte. Die Geschäftsführer waren während meiner ersten Urlaubswoche auf Einladung der IBM mit ihren Ehefrauen in New York. Ich kannte diese Art von Reisen, und wusste ich hatte verloren. Die Company hatte den Trip perfekt organisiert und geschickt das Thema  auf Investitionen bei einem gepflegten  Mahl zur Sprache gebracht.

Erkenntnis: zwei Seelen in meiner Brust. Mein Auftrag + die Sicherstellung meiner IBM-Pension

Meine Position als Hauptabteilungsleiter der DV war nicht unkompliziert. Dauernd erhielt ich Einladungen von Firmen. Amdahl hatte z.B. eine wunderbare Golfwoche in Timmendorf im Angebot. Es waren zwei Programmversionen beigefügt. Einmal die Abschlagzeiten und diversen Unternehmungen, und für die Abrechnung ein strammes Programm mit Vorträgen und Präsentationen. Sehr praktisch, oder?
Ich lehnte höflich aber bestimmt aus Termingründen ab. Wenn ich die Einladungen zum Essen alle angenommen hätte, würde ich bei PanAm Tickets mit einer Frachtmaschine reservieren müssen.

Meine Absagen hatten sich nach einigen Monaten wohl herumgesprochen und die Zahl der „Einladungen“ wurde geringer.

Erkenntnis: bestimme selbst über Deine Zeit


Eine Aufgabe für das ganze Leben?

Die ursprünglich geplante Zeit als kommissarischer DV-Leiter war längst abgelaufen. Es wurden zwar gelegentlich Bewerber eingeladen, aber eine Entscheidung gab es nicht. Mir gefiel meine Aufgabe, aber ich wollte meinen Lebensabend nicht in Berlin verbringen. Es war zwar recht komfortabel: 1-Klasse Flüge Hamburg-Berlin-Hamburg, Sternehotel, Dienstwagen und viele weitere Annehmlichkeiten.

Aber das Privatleben war auf die Wochenenden limitiert. Freitags Abflug und treffen mit Freunden in unserer Stammkneipe. Herrlich mal andere Leute über die wirklich wichtigen Dinge im eben zu hören. „Hast Du das das letzte Tor von St.Pauli......, mein Wagen verbraucht sehr viel Sprit....., Agnes hat glaub ich einen Neuen“

Erkenntnis: es gibt nicht nur Arbeit, oder?

Die Wochenenden

Samstage waren der Friseur und Einkaufsbummel mit Ellen im Plan. Abends  wurden Einladungen wahrgenommen, oder sich mit Freunden bei uns getroffen.

Sonntags saß ich meistens am Schreibtisch und bereitete mich auf das Montagspensum in Berlin vor. Aufregend!

Montags die erste Maschine nach Berlin. Bei einem dieser Abflüge stand ein Ehepaar vor mir auf der Rampe. „Du Schatz, die Maschine sieht aber reichlich alt aus“. Ich: „Die werden regelmäßig gewartet. Ein Eingang hängt ein Zertifikat über Wartungsintervalle“. Kurze Pause. „Abgezeichnet von Otto Lilienthal“. Reichlich verwirrt bestiegen sie die alte 727.

Erkenntnis: manche Menschen haben keinen Humor, oder?

Der Mauerfall

Als Stammgast im Schweizerhof wurde man immer aufmerksam behandelt. Eines Tages sprach mich die Empfangschefin an: „Wir haben ein kleines Problem mit der Belegung Ihrer Etage. Alle Zimmer bis auf Ihres wurden von amerikanischen TV-Sendern gebucht. Es kann dort etwas hektisch zugehen. Soll ich Sie umbuchen?“. Da ich meine Siebensachen übers Wochenende im Zimmer lassen durfte, lehnte ich den Umzug ab.

Was wollten die TV-Crews eigentlich in Berlin? Die Türen ihrer Zimmer standen meistens offen und man konnte eine große Zahl von TV-Equipment sehen. Die Fernsehleute hatten sich an meine Anwesenheit gewöhnt, und verrieten nicht warum sie in Berlin waren.

Am 10. November 1989  flog ich wie gewohnt von Tegel nach Hamburg. Ich wunderte mich über die Lichter im DDR-Gebiet. Normalerweise war es beim Überflug immer dunkel. Der Pilot klärte uns auf: „Soeben ist die Mauer in Berlin durchlässig geworden“.

Ich hätte ein Jahresgehalt gewettet, dass das nicht so plötzlich geschehen würde. Nach der Ankunft wurde sofort der Fernseher eingeschaltet. Was für ein historischer Moment!

Wussten die amerikanischen TV-Leute vorher Bescheid? Das konnte doch kein Zufall sein. 14 Tage vor dem Mauerfall rückten alle großen Sender an?

Am nächsten Montag war das Tagesthema natürlich dieses historische Ereignis. Ich beschloss am Abend mir die Schauplätze anzuschauen. Das Brandenburger Tor war das erste Ziel. Rechts neben dem Tor war ein Wachhaus der Volkspolizei. Ein Beamter verlangte meinen Ausweis. Er studierte ihn ziemlich lange und fragte: „Sie haben keine Kinder, Herr Jäger?“. Alarm: Stasi!! Mir war nicht gerade wohl. „50 Meter von hier ist eine Filiale der Staatsbank der DDR. Dort können Sie Geld einwechseln. Ich wünsche einen schönen Aufenthalt“.

In der Wechselstube erklärte mir die Dame am Schalter: „Wir können z.Z. nur 50 DM-Scheine wechseln“. Ich erhielt gegen Quittung die DDR-Noten, bedankte mich und betrat dieses unbekannte Terrain. Erster Eindruck: das Licht der Straßenlaternen war sehr schwach und es waren kaum Menschen zu sehen. Vor der sowjetischen Botschaft war es extrem dunkel. Ich wich lieber auf die andere Straßenseite aus. Man konnte ja nicht wissen!

Etwas weiter war ein Lokal. Eine erste Pause schien angebracht zu sein. Ein Bier oder Kaffee würde mir Zeit zum Sammeln meiner Gedanken geben. Das Lokal war gähnend leer. „Haben Sie eine Reservierung?“ Reservierung? Der Laden wartete geradezu auf  zahlende Gäste! Ich musste weiter, mich wollten sie nicht akzeptieren.

Am Alexanderplatz stieß ich auf eine hell erleuchtete Bar. Wirklich schicker Laden. Durch das Fenster konnte ich zwei Barkeeper und vor dem Tresen zwei Gäste sehen. Schnell rein, grüßen und ein frischgezapftes Bier bestellen. „Wir schließen gleich um neun Uhr“. Ich schaute auf meine Uhr. 20.45 Uhr!. So lange würde das Zapfen nicht dauern, oder?

Auch hier kein Erfolg. Mein Blick fiel auf eine Leuchtreklame im Haus gegenüber: Internationaler Journalisten Club. Das schien die Lösung zu sein. Ich war ja immerhin Redakteur der Schulzeitung gewesen. Oh Wunder, ich wurde ohne Reservierung eingelassen. Für meinen Mantel verlangte man an der Garderobe zehn Pfennig. Ich zeigte meine eingewechselten DDR-Noten. „Zehn Pfennig West, bitte“. Das Wort International war nicht umsonst. Leider hatte ich kein passendes Kleingeld. Ein zehn DM-Schein wurde entgegen genommen und ich erhielt 9,90 RM Ost zurück. Ich war jetzt stolzer Besitzer von 59,90 Ostmarkt.

Am Platz orderte ich ein frisches Bierchen. „Bier ist leider aus, ich kann Ihnen aber einen hervorragenden bulgarischen Rotwein empfehlen“.

Erkenntnis: In der Not frisst der Teufel Fliegen....

Ich hatte selten in meinem Leben einen schlechteren Wein gekostet. Abgerechnet wurde natürlich in DM.



Frustriert verließ ich die ungastliche Stätte. Mir reichte der Ausflug in den Sozialismus. Nur schnell zurück in die wahre Welt. Aber nicht zu Fuß. Vor dem Hotel Berlin standen mehrere Taxen. „Bitte einmal zum Brandenburger Tor“. Ich traute meinen Ohren nicht: „Wir haben gleich Feierabend!“



Weiter ging die Wanderung zur Oper. Westberliner Taxen fuhren vor und ihnen entstiegen festlich gekleidete Menschen. Die Erlösung!. Irrtum: „Wir dürfen keine Fahrgäste in Ost-Berlin aufnehmen“ Die Welt hatte sich anscheinend gegen mich verschworen. Bei der sechsten Abweisung reichte es mir. Ich setzte mich schnell auf den Beifahrersitz der West-Taxe. „Wir dürfen........“. „Interessiert mich nicht, ich will zurück nach West-Berlin. Koste es was es wolle“. Der Fahrer hatte meine Verzweiflung gesehen und meinte er müsse dann einen anderen Grenzübergang nehmen. Egal, nur weg hier!


Ein herrliches Gefühl wieder in der zivilisierten Welt anzukommen. Ein Polizeiwagen schnitt uns. Der Taxenfahrer drückte auf den Knopf eines kleinen Kastens auf dem Armaturenbrett und man hörte infernalisches Maschinengewehrfeuer. „Was ist denn das?“ „Hab ich aus den USA mitgebracht. Kann auch Stalinorgel und Granatwerfer“. Die Müdigkeit war verschwunden. Wir kurvten 30 Minuten durch die Stadt und ich schoss mir den Frust vom Leibe.



Erkenntnis: auch kleine Sachen können Freude machen!



Der Mauerfall brachte viele Veränderungen. Wir besuchten in Ost-Berlin ein Reparaturwerk für Straßenbahnen. Eine Zusammenarbeit der Verkehrsbetriebe Ost und West sollte untersucht werden.



Nach der Begrüßung durch den Werksleiter besichtigten wir die Werkshallen. Überall wurde fleißig gearbeitet. Ein wie neu aussehender Triebwagen war kurz vor der Auslieferung. „Das Fahrwerk ist von 1936. Wir haben es komplett saniert“ sagte einer der Monteure.



Erkenntnis: Wäre in unserer Wegwerfgesellschaft nie passiert, oder?


Der stellvertretende Werksleiter erklärte bei einem Kaffee unter welchen Bedingungen das Werk arbeitete. „Nehmen Sie zum Beispiel einen Elektromotor. Den können Sie bei sich „drüben“ für rund 70,00 DM kaufen. Wir entwickelten eine besondere Methode um die vorgegebene Stückzahl zur Lieferung an die Sowjet-Union sicherzustellen.“ Er nahm einige Zuckerwürfel und zeigte uns die Ostmethode. „Hier ist ein Teil des Motors, Wert 15 Pfennig. Hier füge ich an anders Teil für 27 Pfennig hinzu. Gesamtwert nun 42 Pfennig. Beide Teile werden nun mit Faktor zwei bewertet. Macht nun 84 Pfennig. Nun kommt ein drittes Teil hinzu. Wert 1,12 RM. Das macht nun 1,96 RM mal zwei.“.



Diese Kalkulationsmethode kannte ich bisher nicht. „Wir liefern den fertigen Elektromotor für einen Endpreis von 487,12 RM an unsere Brüder in Moskau und erhalten im Rahmen der internen Verrechnung im COMECON z.B. Öl oder andere wichtige Rohstoffe.“ Er lächelte fein.



Es war unglaublich. Auf der Rückfahrt nach Westberlin wurden die Eindrücke diskutiert. „Den Laden sollten wir auf keinen Fall übernehmen. Ist ja total veraltet. Und diese Betriebskindergärten und anderen sozialistische Errungenschaften sind doch überflüssiger Ballast.  Wir haben doch andere Angebote von renommierten Anbietern. Der Laden sollte unbedingt geschlossen werden!“



Das würde bedeuten 850 Mitarbeiter auf die Straße zu setzen. Schöne Aussichten!?!



Erkenntnis: Wo gehobelt wird, fallen....


Das Ost- West Gefühl, oder welche Sprache hilft bei der Kommunikation


In Erwartung einer Zusammenlegung der Berliner Verkehrsbetriebe wurden einige Mitarbeiter aus Ost-Berlin bei und integriert. Sie waren hervorragend ausgebildet und nach einigen Wochen eine Bereicherung für uns. Wenn wir dienstliche Belange besprachen war auffällig das unsere Ostler keine Anglizismen nutzen. Uns hingegen fiel es schwer Begriffe wie Kollektiv ohne Schmunzeln zu verdauen.

Ein Mitarbeitergespräch eines Abends hatte mich verwirrt.  Eine der neuen Systemprogrammiererin aus Ost-Berlin hatte sich einen Termin geben lassen. Nach der Begrüßung wartete ich gespannt den Grund des Gesprächswunsches zu erfahren. Die junge Dame fragte: „Kann ich Ihnen einige Fragen stellen?“. Natürlich. Unsere Arbeitsweise musste  trotz der mehrwöchigen Zusammenarbeit Raum für Fragen bieten. Was würde nun kommen? Personalfragen, Ausbildung, Zukunft?.

Die erste Frage hat mich total verwirrt. „Haben Sie eine Lebens-, Unfall-, Berufsunfähigkeitsversicherung?“. Die Fragen schienen mehr ein Interview Ost-West zu werden. „Worum geht es eigentlich bei diesem Gespräch?“ fragte ich.
„Ich hatte mehrere Besuche von Versicherungsvertretern in der letzten Zeit. Die Angebote haben mich sehr verwirrt. Da wollte ich mich mal erkundigen wie die Menschen im Westen mit dieser Thematik umgehen“.

Ich hatte mir bisher kaum Gedanken über die sogenannte Wiedervereinigung gemacht. Die Auswirkungen auf die Menschen im Osten schienen größer zu sein als ich dachte[HJ3] .
Windige Versicherungsvertreter hatten ihr für die Werbung on Familienmitgliedern, Freunden und Bekannten Boni angeboten. Ich konnte nur warnen.


Die Tage in Eschborn

1992 erhielten wir einen Auftrag von der Deutschen Bank. In Eschborn sollten die Prozesse des Systems Management optimiert bzw. erweitert werden. Ich übernahm diese Aufgabe.

Ein Schreibtisch mit dem erforderlichen Equipment wurde schnell gefunden. Die Dokumentationen waren auf dem neusten Stand. Nach ersten Gesprächen mit den zuständigen Mitarbeitern nutzte ich die Zeit die Ablauforganisation des Bereiches auf Optimierungspotential zu analysieren. Es gab einiges zu tun.

Ich präsentierte meine Vorschläge und das Projekt konnte starten. Wieder hieß es Montag der erste Flug nach Frankfurt und freitags zurück. Wie gewohnt minimierte ich die Zeit in den diversen Hotels und nutzte die Zeit lieber für Projektarbeiten. Oft saß ich bis spät nachts in der 17. Etage und genoss die Ruhe im Büro.

Wir kamen gut voran. Die DB-Mitarbeiter waren sehr arbeitswillig, aber es gab keine gezielten Vorgaben vom Management. Es fehlte jedes Projekt-Controlling. Ich gab meine Statusberichte stets pünktlich ab, es erfolgte jedoch keine Reaktion.

Erkenntnis: Selbstkontrolle ist erforderlich

Es fiel mir auf, dass eine große Anzahl externer Unternehmensberater im Tagesgeschäft eingebunden waren. „Mein Projekt ging irgendwann zu Ende und ich übernahm die Umsetzung. Das war vor drei Jahren“. Ich traute meinen Ohren nicht. Das war nicht mal ein Einzelfall!

Bei den monatlichen Projektmeetings waren mehr als 80 % der Teilnehmer externe Berater. Ein wahres Umsatzparadies!

Der IT-Vorstand hatte beschlossen die gesamte Installation auf IBM umzustellen. Plötzlich liefen überall Inder herum. „Die stellen die Programme um“. Ich erhielt einen Anruf des zuständigen Projektleiters: „Können Sie eine Problemübersicht aller nicht-IBM Hardware der letzten drei Jahre erstellen?“. Ich machte mich an die Arbeit und präsentierte das Ergebnis nach drei Tagen. „Das ist ja großartig. Ich hätte Sie gerne im Projekt“. Mein Hinweis auf meinen derzeitigen Auftrag ignorierte er. „ Wir haben höchste Priorität und ich werde Ihre „Versetzung“ sofort in die Wege leiten“

Der Anruf hatte die erhoffte Wirkung. Ich übergab die Projektleitung an meinen Stellvertreter, versprach einen Vormittag pro Woche vor Ort zu sein und ging zu meinen neuen Arbeitsplatz.

Dort erwartete mich eine große Überraschung. Mir wurde ein Ex-Kollege aus Hamburg vorgestellt. Waldemar von Kocemba hatte mir während meiner Zeit in Hamburg oft geholfen problematische Situationen zu überstehen.

Er war immer doch der große Bär. Wir besprachen unsere weitere Zusammenarbeit und natürlich über alte Zeiten.

Später fragte ich den DB-Projektleiter wie er auf Waldemar gekommen sei. „Ich habe vor Jahren einen Vortrag von ihm besucht und war sehr beeindruckt. Als dieses Projekt freigegeben wurde habe ich Herrn von Kocemba bei der IBM gesucht. Das Telefonat werde ich nie vergessen. Er war bereit mitzuarbeiten, hatte jedoch einige Bedingungen:


  • ·         Seine Bücher mussten mit nach Eschborn. Das dafür ein Transporter nötig war zeigt wie viele es waren
  • ·         Sein Klavier musste unbedingt mit
  • ·         Keine Hotelunterbringung. Wir haben ein Apartment in einem Schloss in der Nähe für ihn besorgt


Die Zusammenarbeit mit Waldemar machte mir viel Spaß. Wir erledigten alle Aufgaben in kürzester Zeit und die Umstellung konnte erfolgreich abgeschlossen werden.

Ich kehrte zurück zu dem Ursprungsprojekt. Es war erstaunlich, dass seitens des DB-Managements Arbeitsergebnisse niemals kontrolliert wurden. Ich gab meine Projektberichte weiterhin stets pünktlich ab, es erfolgte nie eine Nachfrage.

Ich traf eines Abends zwei Ex-Kollegen aus meiner IBM-Zeit im Hotel. Wir plauderten über alte Zeiten, und ich erzählte von meinem Projekt.

Dieses Gespräch führte in der folgenden Woche zu merkwürdigen Ereignissen. Als ich montags in Eschborn ankam, wurde ich von einem DB-Manager schon am Eingang abgefangen. „ Haben Sie erzählt, dass wir kein effizientes Projekt-Controlling durchführen?“ Herr Faltenbacher von der IBM hat eine Präsentation vor dem Vorstand gehalten und erzählt, er hätte diese Information von einem Ex-Kollegen, der hier z.Z. tätig ist“

Das war ja ein schöner Empfang. In Gedanken war ich schon auf dem Rückflug. Man würde mich sicherlich „feuern“. In Erwartung des Unvermeidlichen ging ich im mein Büro. Wann würde der Anruf kommen, der meine Tage bei der Deutschen Bank beenden würde?

Ich wartete die ganze Woche. Keine Reaktion! Merkwürdig! Was lief da hinter den Kulissen?  Freitag vor der Rückreise bat ich um einen Termin beim DV-Leiter. Man würde sich bei mir melden!

In der nächsten Woche erfuhr ich dann telefonisch, dass mein Auftrag erweitert wurde. Ich war nun für das IT-Projekt-Controlling zuständig. Da musste weiter oben etwas falsch verstanden wurden. Ich hatte diese Aufgabe eigentlich bei der Bank gesehen.

Erkenntnis: Das Leben ist manchmal seltsam

Es blieb mir nichts anderes übrig, ich musste den Job akzeptieren. Es lief wie gewohnt, meine Projekt-Berichte wurden unkommentiert entgegen genommen. Also ergab ich mich meinem Schicksal. Mein Vertrag lief ohnehin nur noch drei Monate. Kurz vor Auslaufen des Vertrages bat ich um ein Abschlussgespräch. Wie erwartet keine Reaktion. An meinem letzten Tag verabschiedete ich mich von den Mitarbeitern und trat die Rückreise erleichtert an.

Ellen freute sich, dass ich jetzt nicht mehr die ganze Woche unterwegs war. Am Montagmorgen saßen wir beim Frühstück als das Telefon klingelte. „Wo bleiben Sie?“ Der DV-Leiter der Deutschen Bank war hörbar erregt. „Herr Hoppen, ich habe mehrfach versucht Sie zu erreichen. Mein Vertrag ist ausgelaufen und ich habe alle Unterlagen einem Ihrer Mitarbeiter übergeben“. „Über Ihren Vertrag bestimmen letztendlich wir. Ich erwarte Sie umgehend in Eschborn“. Er legte den Telefonhörer auf.

Ich hatte schon einiges im Leben erlebt, aber dieser Anruf war der Gipfel. Obwohl der bestehende Vertrag ein festgelegtes Vertragsende beinhaltete, musste ich lernen, dass  die Deutsche Bank wohl solche Nichtigkeiten ignorierte.

Die Angelegenheit musste geklärt werden. Ich beschloss am nächsten Montag nach Frankfurt zu fliegen und mir die Vorstellungen des Herrn Hoppen anzuhören. Der Rückflug war für den Abend gebucht.

Ich hatte einen Paris-Urlaub heimlich gebucht, um Ellen zu überraschen. Nach meiner Rückkehr am Montag  wollte ich sie bitten einige Sachen zu packen, denn ich müsse für einige Tage nach Paris und sie solle mich begleiten.

In Eschborn wurde mir ein neues Projekt angeboten: Kapazitäts- und Space-Management. Die Tagessätze waren verlockend, und ich vergaß meinen Ärger schnell. Ich vereinbarte einen Start nach dem Paris-Urlaub.

Paris wir kommen

Als ich Ellen mit den Neuigkeiten überraschte war sie Feuer und Flamme. Unsere Nachbarn übernahmen die Katzenbetreuung und wir machten uns am nächsten Morgen auf den Weg nach Paris. Ich hatte das Hôtel Plaza Athénée  ausgesucht. Freunde hatte es mir empfohlen.



Die Lage des Hotels war ideal für unsere Erkundigungen. Nun begann das  Programm: Eiffelturm, Bootsfahrten, Champs Elysees  und mehr. Die Füße qualmten. Als wir abends zum Hotel zurückkehrten kamen wir ein einem Bistro vorbei. Ellen überkam beim Anblick automatisch Hunger. Also blieb mir nichts anderes übrig.

Haben Sie reserviert?“. Einen Tisch in einem Bistro reservieren? Die Geschäftsführerin hatte unsere Diskussion am Eingang wohl gehört. „Wir sind total ausgebucht. Es gäbe nur eine Möglichkeit. Vor der Küche ist ein Tisch für das Personal. Es geht dort allerdings sehr hektisch vor“. Ellen nickte begeistert. Hunger macht manchmal tolerant, oder?

Der Tisch war einmalig. Eingezwängt unter eine Treppe flog permanent die Schwingtür der Küche gegen ihn. Das Essen war wirklich wunderbar. Beim Hauptgang hatten die emsigen Ober uns bemerkt und grüßten jedes Mal freundlich.

Als ich um die Rechnung bat, erschien die Geschäftsführerin zu unserer Überraschung. „Sie wollen doch nicht gehen ohne unsere Desserts auszuprobieren. Ganz Paris lobt uns dafür“. „Aber wir sind wirklich satt und sehr zufrieden“. Unser Hinweis wurde  ignoriert. Ein Tablett mit Proben aller Desserts wurde serviert. „Nun probieren Sie einmal.  Jean de Charlosse zu besuchen ohne Desserts? Sie lächelte und wünschte guten Appetit. Die kleinen Schälchen und Teller boten die besten Nachspeisen meines Lebens.

Die Rechnung wurde von der Geschäftsführerin überbracht. „Nun wie haben unsere kleinen Leckereien gemundet? Sie sah unsere leuchtenden Augen. „ Schön, dass Sie trotz des unmöglichen Tisches zufrieden sind“. Ich nutzte die Gelegenheit: „Meine Frau hat in zwei Tagen Geburtstag. Wir würden den gerne in Ihrem Restaurant feiern. Ist das möglich?“

Wir sind wirklich auf Wochen ausgebucht, aber ich werde mal sehen, ob wir etwas arrangieren können“

Sie kam zurück und teilte mit: „Ein Tisch für Sie ist reserviert. Dieses Mal nicht unter der Treppe“.

Im Hotel unterhielten wir uns mit anderen Gästen an der Bar. Wir erzählten von unserem Restaurantbesuch. „Sie waren ohne Reservierung im Jean de Carlosse? Wir haben es mehrfach versucht. Man muss mindestens sechs Wochen vorher reservieren“.

In zwei Tagen feiern wir den Geburtstag meiner Frau dort“ Andächtiges staunen.

Der nächste Tag war für eine Shopping-Tour eingeplant. Langsam wurden meine Füße zu Folterwerkzeugen. „Wenn wir in das Hotel zurückkommen, mache ich einen TV-Nachmittag. Sie übertragen ein Golf-Tournier“. Meine holde Gattin, selig über die Einkäufe, stimmte großzügig zu.

Es war ein Genuss, Schuhe aus, Fernbedienung greifen und nur so vor sich hin liegen.. „Ich gehe in die Lounge und trinke Tee“. Mir recht!

Nach zwei Stunden wurde ich unruhig. „Wo blieb Ellen? Ich zog schweren Herzens die Schuhe wieder an und machte mich auf den Weg.

Die Lounge war wie immer voller Menschen aller Nationen. Am Tag zuvor war mir ein Ehepaar aufgefallen. Sie saßen allein an einem großen Tisch und wurden anscheinend bevorzugt bedient. Zu meiner Überraschung sah ich Ellen im angeregten Gespräch mit den beiden. „Da ist ja mein Göttergatte, Golf-Übertragung zu Ende?“ Der Mann bot mir einen Stuhl an, und murmelte einen Namen. „Ihre Frau hat uns viel über Sie erzählt. Wir hatten selten eine so anregende Tea-Time im Plaza“. Hoffentlich nichts Schlechtes schoss es mir durch den Kopf. Die Damen sprachen über  Dior und ähnliche spannende Dinge, während wir Männer uns über die wirklich wichtigen Themen unterhielten: Golf und Autos.

Das Paar war bei jedem Paris-Besuch in diesem Hotel und konnte viele interessante Geschichten erzählen. Die Zeit verlief im Fluge. Sie wollten am nächsten Tag weiter nach Monte Carlo  Wir tauschten unsere Telefonnummern aus und verabschiedeten uns[HJ4] .

Am Abend, nach einem frugalen Mahl, gingen wir in die Hotelbar. Der große Raum war voller Gäste. So gingen wir in die Piano-Bar. Hier spielte ein silberhaariger Pianist die typische Barmusik. Bis auf ein einsames Paar war der Raum leer.  Der Mann schien ein Südamerikaner zu sein und seine Begleiterin sehr attraktiv. Wir setzten uns an einen anderen Tisch und bestellten zwei Cocktails. Der Pianist spielte „As Time goes bye“ und Ellen applaudierte spontan. Ihr Lieblingslied!. Der Südamerikaner lachte und fragte: „Sie mögen dieses Stück wohl sehr? Kommen Sie doch an unseren Tisch, wir sind auch Musikliebhaber“. Er stellte sich vor: „Ich bin Ramon Barrios aus Venezuela, und meine Begleiterin ist Gabriella, eine Musical-Sängerin aus New York“.

Nun saßen wir zu viert und unterhielten uns prächtig. Plötzlich stand Ramon auf und sprach kurz mit dem Pianisten. Zu unserer Überraschung übernahm er den Flügel und Gabriella sang die herrlichsten Lieder von Astrid Gilberto. Was für ein toller Abend. Der Raum füllte sich zusehends und in kurzer Zeit war kein einziger Platz mehr frei. Die neuen Gäste kamen aus vielen unterschiedlichen Nationen. Bald saß Ellen  bei einer koreanischen Familie und unterhielt sie offenbar mit ihrem großen Witzefundus. Kurz danach sah ich sie bei mehreren Arabern, die auch herzlich lachten. Der Schampus floss in Strömen. Ein gelungener Abend.

Plötzlich fiel mir ein, dass die bestellten Drinks ja auch irgendwann bezahlt werden müssten. Ich hatte total den Überblick verloren. Also ging ich schweren Herzens zur Bar im Hauptraum und fragte nach den Abrechnungsmodalitäten. „Oh, es ist alles bezahlt, einer der Gäste hat die Rechnung übernommen“. Ein Stein fiel mir vom Herzen. Es gibt eben großzügige Menschen, oder?

Gegen zwei Uhr morgens verabredeten wir uns mit Ramon und Gabriella für den nächsten Tag und gingen schlafen.

Erkenntnis: Paris ist immer ein Reise wert


Wir hatten von Ramon seine Adresse erhalten und gingen zur verabredeten Zeit dorthin. Große Überraschung, es gab keine Klingel. Neben der Eingangstür der Stadtvilla gab es nur ein Tastenfeld für die Eingabe eines Codes. Also zurück in unser Hotel und anrufen. Ramon entschuldigte sich und gab den Code durch.

Diesmal klappte es. Ein junger Mann stellte sich als Privatsekretär von Ramon vor und führte uns in die Bibliothek.. Ein Raum nach meinem Geschmack. Während wir auf den Hausherrn warteten hatte ich schon einige interessante Bücher gefunden. „Aha, noch eine Leseratte“, Ramon setzte sich zu uns. „Ich warte noch auf meine  Kunstexpertin. Wir gehen dann gemeinsam essen“.

„Wollt ihr inzwischen einige Gemälde ansehen?“ Er führte uns in einen riesigen Wohnraum

Ich traute meinen Augen nicht: Picasso, Braque, Monet und noch mehr. „Sind das echte Werke?“ Fettnäpfchen!?!

„Ich bin sicher, als Sammler und Kunsthändler wären unechte Bilder peinlich“.  Manches Museum wäre sicherlich stolz solche Schätze ausstellen zu können.

Ein überraschender Anruf und eine neue Aufgabe


Wir hatten uns längst aus den Augen verloren. Als Dieter Graf mich in Darmstadt anrief, und mir mitteilte er wolle mich dort besuchen, war ich überrascht, freute mich aber über das unerwartete Wiedersehen.



Ich war seit längerem in Griesheim bei der DeTeCSM, der im Aufbau befindlichen Unternehmensberatung der Telekom. Pünktlich ging ich in das Hotelrestaurant. Mit der Essensbestellung wartete ich noch. Dieter wollte ja um 20:00 Uhr kommen. Nach einer Stunde und mehreren Bieren ging ich leicht frustriert zurück in das Gästehaus. Irgendetwas musste Dieter aufgehalten haben.



Gegen 23:00 klingelte mein Telefon. Dieter!. „Sorry, wurde aufgehalten. Bin gerade in Deinem Hotel angekommen. Lass uns nach Babenhausen fahren. In meinem Haus können wir uns unterhalten“. „Ich habe morgen um 9:00 Uhr eine wichtige Präsentation beim Kunden“. „Ich bring Dich rechtzeitig zurück“. Typisch Mr. Dynamiko!. Also wurde die Zahnbürste eingesteckt und ab ging es nach Babenhausen.

Ich war bei der Fiducia in Karlsruhe. Die UBG in Hamburg plant dort ein großes Projekt. Du sollst Jochen Körner in Hamburg mal anrufen“. Hatte ich ohnehin vor.


In Babenhausen angekommen gingen wir in den Keller. Dort gab es eine fantastische bestückte Bar. „“Ich muss eben einige Faxe beantworten, Neben der Bar ist der Weinkeller. Hole bitte aus dem ersten Regal zwei Flaschen. Bin gleich bei Dir“. Multitasking hatte Dieter schon immer ausgezeichnet!



Ausgezeichnet war auch der Wein. Es gab viel zu erzählen. „Erinnerst Du Dich........?,  Was machst Du zur Zeit?“. Die Zeit verflog und ich hatte nur noch einen Wunsch: ein Bett, ein Königreich für ein Bett!



Der Schlaf war nur kurz und ich hatte einen Kater. Drei doppelte Espresso halfen auch nicht wirklich. „Hier ist der Wagenschüssel, in Griesheim löse ich Dich ab“. Verdattert nahm ich die Schlüssel und machten uns auf den Weg. Der Gedanke an meine Präsentation vor den Telekom-Leuten lenkte mich etwas von meinem Zustand ab.






In Griesheim übernahm Dieter das Steuer. Ein kurzer Wink und ich „schlich“ in mein Büro. Mehrere Tassen Kaffee sollten mir helfen die Präsentation zu überleben. Es gelang. Ich ging mit den Folien ins Sekretariat und bat die Damen



Handouts an die Teilnehmer zu senden. Kaum gesagt wurde mich schlecht. Ich versuchte mich irgendwo festzuhalten. Der Fikus in der Zimmermitte war kein geeigneter Halt. Es gab nur eine Lösung: Ab ins Hotel und hinlegen.


Erkenntnis: auch Eichen können schwach werden

Ich konnte trotz des desolaten Zustands nicht einschlafen. Was hatte Dieter über das Karlsruher Projekt gesagt? Warum sollte ich unbedingt Jochen Körner anrufen?



Als ich einigermaßen wiederhergestellt war rief ich in Hamburg an. Es tat gut die raue Stimme von Jochen zu hören. Ich erzählte ihm von Dieter´s überraschendem Besuch. Er lachte: „Wir sollten uns in Hamburg treffen und über die Angelegenheit sprechen“.



Wir verabredeten uns für den kommenden Montag. Jochen beschrieb das Projekt in Karlsruhe]  Er suchte noch jemanden für die Beratung des Bereichsleiters RZ-Betrieb und hatte an mich gedacht. Zusammen mit Ex-Kollegen und weiteren Unternehmensberatern sollten wir als sogenannte „Korsettstangen“ die Bereichsleiter der Fiducia unterstützen und beraten. Als ich die Namen der anderen Kandidaten hörte fiel mir der Entschluss nicht schwer. Das war eine interessante Herausforderung.

Ich sagte zu den Vertrag mit der DeTeCSM aufzulösen und fortan in Karlsruhe zu arbeiten.

Am nächsten Tag in Griesheim sprach ich mit dem Geschäftsführer und bat um Auflösung des Vertrages. Da das Projekt sich gut entwickelt hatte gab es keine Probleme. Zu meiner Überraschung bot er mir eine Festanstellung an. Ich sollte alle Projekte koordinieren. Der Hinweis auf Ellen´s Firma in Hamburg wurde mit der Bemerkung: „Sie können Ihre künftigen Aufgaben von Hamburg aus erledigen. Schließlich gibt es ja Bahn und Flugzeuge. Außerdem erhalten Sie natürlich einen Dienstwagen. BMW?“. Auch die Bezahlung klang recht verlockend. Ich bat um Bedenkzeit.