Dienstag, 16. April 2013

3.0 Die Grundschule



Die Grundschule oder erste Schritte



Die Grundschulzeit liegt bis auf wenige Erinnerun­gen in tiefem Nebel. Die wenigen erwähnenswerten Ereignisse sind kurz erzählt. Eines Tages kam ich nach der Schule heim und meine Mutter fragte, warum mei­ne Hand so rot sei. Der Deutschlehrer wollte mir bei­bringen, dass ich gefälligst mit der rechten Hand schreiben solle, und benutzte dafür sein Lineal. Ein Be­such meines Vaters beim Pauker am nächsten Tag ret­tete meine Linkshändigkeit, beeinflusste jedoch häufig die Noten. Aufsatzthema eine glatte Eins, Schrift eine glatte Sechs.

Niemand nahm Rücksicht auf mein traumatisches Erleb­nis mit der Knoblauchzehe in der Kindheit.

Ich hatte in der Grundschule einen Freund, Klaus Reher. Seine Eltern besaßen eine Bäckerei. Nach Schul­schluss eilten wir zur Bäckerei und wurden mit Küm­melbroten und fri­scher Butter versorgt. Ein Traum! Ku­chen war etwas für Weicheier, aber Kümmelbrote et­was für ganze Kerle.

Das Schulleben war nicht besonders schwer. Diskussion­en mit den Klassenkameraden erweiterten den kindlichen Horizont. Ich lernte schnell, dass körperli­che Überlegenheit einiger Mitschüler durch flotte Sprüche kompensiert werden konnte. Man durfte nur niemanden lächerlich machen.

Wir hatten nur ein Mädchen in der Klasse. Bei der Wahl zum Klassensprecher bemühte ich mich durch kleine Ge­schenke um diese Position. Der Lohn war nämlich der Platz neben der hübschen Christa, die mangels weiblicher Wähler automatisch Klassenspre­cherin wurde. Als ich das Ziel er­reichte entdeckte ich neue bisher unbekannte Gefühle. Das Leben war schön, und es tat gut, von anderen beneidet zu wer­den.

Erkenntnis: Setze dir stets die richtigen Ziele im Le­ben!

Zwanzig Jahre später wurde ich bei einem Besuch in Bre­men von einer Frau angesprochen: „Hallo Hei­ner, wie geht es Dir?“ Ich schaute sie an. Die rundliche Dame mit dem schrecklichen Hut und den zwei Kin­dern kannte ich nicht. Nie vorher gesehen. „Ich bin es, Christa.“

Galant begrüßte ich sie, schaute auf die Uhr und floh mit der Bemerkung: „Sorry, mein Zug ...“

Erkenntnis: Manchmal holt einen die Vergangen­heit ein

Die ersten Erfahrungen wurden ge­macht


Es gab besondere gute Tage. Wir kriegten einen neuen Englischlehrer, Dr. Platzer. Der Vorgänger war ein dröger Grammatikfanatiker und der Notenschnitt daher ziemlich miserabel.

Dr. Platzer schaffte es durch seine lockere Art, Begeister­ung für die neue Sprache zu wecken. Er forderte uns zum Beispiel auf, unsere Tagesabläufe in Englisch zu erzählen. Wenn uns Worte fehlten, wurden sie von ihm an der Tafel notiert und später erläutert. Der Wort­schatz wuchs zusehends. Er überzeugte unsere Eltern, uns Abonnements der „Junior Press“ zu besorgen. Die­se spezielle Zeitung für Schüler hatte unter jedem Arti­kel eine Übersetzung der wichtigsten Worte.

Ich nutze fortan mein Taschengeld, um alle vierzehn Tage am Bahnhof in Bremen die „Saturday Evening Post“ zu kaufen. Die Titelbilder von Norman Rockwell und die Arti­kel haben mich begeistert.

Etwas später fing ich an, englischsprachige Taschenbüc­her zu kaufen. In harten Verhandlungen mit mei­nen Eltern musste dafür mein Etat erheblich angepasst werden.

„The Red Pony“ , von John Steinbeck, war der erste Er­werb. Ich hielt mich an den Ratschlag von Dr. Plat­zer: "Fan­ge nicht an, den Text mit einem Wörterbuch zu verarbeiten, lese einfach weiter, ohne beim Lesen al­les zu übersetzen.“ Recht hatte der Gute!



Schön waren auch die jährlichen Fahrten in die Schul­landheime. Die anfallenden Kosten verhinderten gelegentlich die Teilnahme einiger Mitschüler. Dr. Plat­zer fand eine gute Lösung. Er lud die Eltern ein und fragte nebenbei: "Wie viel Taschengeld geben sie ihrem Sohn bzw. Tochter mit.“ Es er­folgten Nennungen zwi­schen 0,00 DM und 50,00 DM.

Unser Superlehrer überzeugte die Eltern, alle Beträ­ge über 0,00 DM und die Reisekosten in die Klassen­kasse ein­zuzahlen. Mit dem Gesamtbetrag konnten die Reisekosten für Mitschüler aus ärmeren Familien begli­chen werden. Eis und andere lebenswichtige Dinge wurden dann aus der Klassenkasse gezahlt.

Lebenserfahrungen: Wir lernten den Begriff Sozialismus auf diese Weise, ohne ihn zu begreifen.

Dr. Platzer war mit der hübschen Sport- und Mathematikl­ehrerin verheiratet. Sie waren kinderlos und alle zwei Wo­chen gab es ein offenes Haus bei ihnen. Es gab Säfte und Ku­chen. Wir saßen auf dem Fußboden und diskutierten alle möglichen Themen (Politik, Kultur, Literatur, Sport etc.). Nach der zweistündigen Runde blieben einige zurück und erhielten Nachhilfe. Der No­tenschnitt stieg merklich an.

Man lernt für das Leben, oder?


Ich musste nun eine wichtige Entscheidung treffen:
Oberschule oder Gymnasium. Da außer den Standardber­ufsvorstellungen (Pilot, Cowboy oder Eisenbahn­führer) mein Leben in alle Richtungen offen war, ent­schied ich mich für das Alte Gymnasium in Bremen. Ich wusste zwar nicht genau was "humanistisch“ be­deutet, aber das Schulgebäude war großartig. Außer­dem lag es ziemlich zentral.

Was war los in der Welt 1947

          Gründung der „Bizone“ Die amerikanische und die britische Besatzungszone werden zu einem einheitli­chen Wirtschaftsraum zusammengefasst. Die fran­zösische Zone wird später angeschlossen.

          Die erste Ausgabe des Magazins "Der Spiegel“ er­scheint.

          Der Alliierte Kontrollrat der Siegermächte des II. Weltkriegs löst durch Gesetz Nr. 46 endgültig den Staat Preußen auf.

          In den meisten großen Städten Nordrhein-Westfa­lens kommt es zu Großdemonstrationen von hun­gernden Arbeitern.

          In der britischen Zone werden Landtagswahlen ab­gehalten.

          In Niedersachsen erhält die SPD 66 Sitze vor der CDU mit 31; in Nordrhein-Westfalen liegt die CDU mit 92 Sitzen vor der SPD mit 64 und der KPD mit 28; in Schleswig-Holstein siegt die SPD mit 43 Sit­zen vor der CDU mit 22.

          Das Heiratsverbot zwischen US-Soldaten und Deut­schen wird aufgehoben.

          Der britische Vizekönig Mountbatten gibt den Plan zur Teilung Indiens bekannt, der mit der Gründung Pakistans zwei Monate später vollzogen wird.

          Der Farmer Mac Brazel findet auf einer von ihm verwalteten Farm ungewöhnliche Trümmerteile. Das gefundene mattsilbrige Material wird knapp 40 Jahre später als UFO-Absturz von Roswell berühmt.

          Marilyn Monroe gab ihr Filmdebüt in "The Shocking Miss Pilgrim".
          Die Hits 1947 Schlager-Charts:

  1. Cab Calloway And His Orchestra - The Calloway Boo­gie
  2. Bully Buhlan – Räuberballade
  3. Maria Andergast und Hans Lang – Mariandl
  4. Drei Travellers - Gisela
  5. Bully Buhlan – Wunschballade

Von meinen Klassenkameraden der Grundschule folgte mir keiner zum Gymnasium. Also höchste Zeit neue Freun­de zu suchen.


Wichtige Bezugspersonen während der Grundschulzeit


Dr. Platzer (Klassenlehrer)

Hermann F. Jäger (Onkel und Ratgeber)
               
Martin Heyn (Großvater)






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