Die Grundschule oder erste Schritte
Die Grundschulzeit liegt bis auf wenige Erinnerungen
in tiefem Nebel. Die wenigen erwähnenswerten Ereignisse sind kurz erzählt.
Eines Tages kam ich nach der Schule heim und meine Mutter fragte, warum meine
Hand so rot sei. Der Deutschlehrer wollte mir beibringen, dass ich gefälligst
mit der rechten Hand schreiben solle, und benutzte dafür sein Lineal. Ein Besuch
meines Vaters beim Pauker am nächsten Tag rettete meine Linkshändigkeit,
beeinflusste jedoch häufig die Noten. Aufsatzthema eine glatte Eins, Schrift
eine glatte Sechs.
Niemand nahm Rücksicht auf mein traumatisches Erlebnis
mit der Knoblauchzehe in der Kindheit.
Ich hatte in der Grundschule einen Freund, Klaus
Reher. Seine Eltern besaßen eine Bäckerei. Nach Schulschluss eilten wir zur
Bäckerei und wurden mit Kümmelbroten und frischer Butter versorgt. Ein Traum!
Kuchen war etwas für Weicheier, aber Kümmelbrote etwas für ganze Kerle.
Das Schulleben war nicht besonders schwer. Diskussionen
mit den Klassenkameraden erweiterten den kindlichen Horizont. Ich lernte
schnell, dass körperliche Überlegenheit einiger Mitschüler durch flotte
Sprüche kompensiert werden konnte. Man durfte nur niemanden lächerlich machen.
Wir hatten nur ein Mädchen in der Klasse. Bei der Wahl
zum Klassensprecher bemühte ich mich durch kleine Geschenke um diese Position.
Der Lohn war nämlich der Platz neben der hübschen Christa, die mangels
weiblicher Wähler automatisch Klassensprecherin wurde. Als ich das Ziel erreichte
entdeckte ich neue bisher unbekannte Gefühle. Das Leben war schön, und es tat
gut, von anderen beneidet zu werden.
Erkenntnis: Setze dir stets die richtigen
Ziele im Leben!
Zwanzig Jahre später wurde ich bei einem Besuch in Bremen
von einer Frau angesprochen: „Hallo Heiner, wie geht es Dir?“ Ich schaute sie
an. Die rundliche Dame mit dem schrecklichen Hut und den zwei Kindern kannte
ich nicht. Nie vorher gesehen. „Ich bin es, Christa.“
Galant begrüßte ich sie, schaute auf die Uhr und floh
mit der Bemerkung: „Sorry, mein Zug ...“
Erkenntnis: Manchmal
holt einen die Vergangenheit ein
Die ersten Erfahrungen wurden gemacht
Es gab besondere gute Tage. Wir kriegten einen neuen
Englischlehrer, Dr. Platzer. Der Vorgänger war ein dröger Grammatikfanatiker
und der Notenschnitt daher ziemlich miserabel.
Dr. Platzer schaffte es durch seine lockere Art,
Begeisterung für die neue Sprache zu wecken. Er forderte uns zum Beispiel auf,
unsere Tagesabläufe in Englisch zu erzählen. Wenn uns Worte fehlten, wurden sie
von ihm an der Tafel notiert und später erläutert. Der Wortschatz wuchs
zusehends. Er überzeugte unsere Eltern, uns Abonnements der „Junior Press“ zu
besorgen. Diese spezielle Zeitung für Schüler hatte unter jedem Artikel eine
Übersetzung der wichtigsten Worte.
Ich nutze fortan mein Taschengeld, um alle vierzehn
Tage am Bahnhof in Bremen die „Saturday Evening Post“ zu kaufen. Die
Titelbilder von Norman Rockwell und die Artikel haben mich begeistert.
Etwas später fing ich an, englischsprachige Taschenbücher
zu kaufen. In harten Verhandlungen mit meinen Eltern musste dafür mein Etat
erheblich angepasst werden.
„The Red Pony“ , von John Steinbeck, war der erste Erwerb.
Ich hielt mich an den Ratschlag von Dr. Platzer: "Fange nicht an, den
Text mit einem Wörterbuch zu verarbeiten, lese einfach weiter, ohne beim Lesen
alles zu übersetzen.“ Recht hatte der Gute!
Schön waren auch die jährlichen Fahrten in die Schullandheime.
Die anfallenden Kosten verhinderten gelegentlich die Teilnahme einiger
Mitschüler. Dr. Platzer fand eine gute Lösung. Er lud die Eltern ein und
fragte nebenbei: "Wie viel Taschengeld geben sie ihrem Sohn bzw. Tochter
mit.“ Es erfolgten Nennungen zwischen 0,00 DM und 50,00 DM.
Unser Superlehrer überzeugte die Eltern, alle Beträge
über 0,00 DM und die Reisekosten in die Klassenkasse einzuzahlen. Mit dem
Gesamtbetrag konnten die Reisekosten für Mitschüler aus ärmeren Familien beglichen
werden. Eis und andere lebenswichtige Dinge wurden dann aus der Klassenkasse
gezahlt.
Lebenserfahrungen: Wir
lernten den Begriff Sozialismus auf diese Weise, ohne ihn zu begreifen.
Dr. Platzer war mit der hübschen Sport- und
Mathematiklehrerin verheiratet. Sie waren kinderlos und alle zwei Wochen gab
es ein offenes Haus bei ihnen. Es gab Säfte und Kuchen. Wir saßen auf dem
Fußboden und diskutierten alle möglichen Themen (Politik, Kultur, Literatur,
Sport etc.). Nach der zweistündigen Runde blieben einige zurück und erhielten
Nachhilfe. Der Notenschnitt stieg merklich an.
Man lernt für das Leben, oder?
Ich musste nun eine wichtige Entscheidung treffen:
Oberschule oder Gymnasium. Da außer den Standardberufsvorstellungen
(Pilot, Cowboy oder Eisenbahnführer) mein Leben in alle Richtungen offen war,
entschied ich mich für das Alte Gymnasium in Bremen. Ich wusste zwar nicht
genau was "humanistisch“ bedeutet, aber das Schulgebäude war großartig.
Außerdem lag es ziemlich zentral.
Was war los in der Welt 1947
•
Gründung der „Bizone“ Die amerikanische und die
britische Besatzungszone werden zu einem einheitlichen Wirtschaftsraum
zusammengefasst. Die französische Zone wird später angeschlossen.
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Die erste Ausgabe des Magazins "Der
Spiegel“ erscheint.
•
Der Alliierte Kontrollrat der Siegermächte des
II. Weltkriegs löst durch Gesetz Nr. 46 endgültig den Staat Preußen auf.
•
In den meisten großen Städten Nordrhein-Westfalens
kommt es zu Großdemonstrationen von hungernden Arbeitern.
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In der britischen Zone werden Landtagswahlen abgehalten.
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In Niedersachsen erhält die SPD 66 Sitze vor der
CDU mit 31; in Nordrhein-Westfalen liegt die CDU mit 92 Sitzen vor der SPD mit
64 und der KPD mit 28; in Schleswig-Holstein siegt die SPD mit 43 Sitzen vor
der CDU mit 22.
•
Das Heiratsverbot zwischen US-Soldaten und Deutschen
wird aufgehoben.
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Der britische Vizekönig Mountbatten gibt den
Plan zur Teilung Indiens bekannt, der mit der Gründung Pakistans zwei Monate
später vollzogen wird.
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Der Farmer Mac Brazel findet auf einer von ihm
verwalteten Farm ungewöhnliche Trümmerteile. Das gefundene mattsilbrige
Material wird knapp 40 Jahre später als UFO-Absturz von Roswell berühmt.
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Marilyn
Monroe gab ihr Filmdebüt in "The Shocking Miss Pilgrim".
•
Die
Hits 1947 Schlager-Charts:
- Cab Calloway And His Orchestra - The Calloway Boogie
- Bully Buhlan – Räuberballade
- Maria Andergast und Hans Lang – Mariandl
- Drei Travellers - Gisela
- Bully Buhlan – Wunschballade
Von meinen Klassenkameraden der Grundschule folgte mir
keiner zum Gymnasium. Also höchste Zeit neue Freunde zu suchen.
Wichtige Bezugspersonen während der Grundschulzeit
Dr. Platzer (Klassenlehrer)
Hermann F. Jäger (Onkel und Ratgeber)
Martin Heyn (Großvater)
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