Der Einstellungstest
Damals waren die Züge noch pünktlich. Kurz nach der
Ankunft saß ich mit mehreren anderen Kandidaten bei einem Kaffee und wartete.
Was würde dieser Tag wohl bringen? Wir alle waren ziemlich angespannt. Ein
Manager, gepflegter Haarschnitt, gut sitzender Anzug, schicke Krawatte und ein
sympathisches Lächeln, betrat den Raum und erklärte uns, dass zunächst Interviews
mit den einzelnen Kandidaten durchgeführt würden. Danach erfolge ein schriftlicher
Test.
Ich sollte als Dritter interviewt werden. Nach circa
30 Minuten kam der erste Kandidat zurück und setzte sich schweigend auf seinen
Platz. Auch der zweite mögliche Mitarbeiter des Weltkonzerns kam wortlos
zurück. Warum zeigten die keine Reaktion? Was geschah dort im Interviewraum?
Nun wurde ich aufgerufen. Zwei Manager, gepflegter
Haarschnitt, gut sitzende Anzüge, schicke Krawatten und sympathisches Lächeln,
begrüßten mich und fragten nach meinem bisherigen Lebenslauf, Hobbys und
aktuellen Ereignissen. Warum waren meine Vorgänger so merkwürdig nach den
Interviews? Nach dreißig Minuten war alles beendet. Ich kehrte in den Warteraum
zurück und setzte mich wortlos auf meinen Stuhl. Warum sollte der Nächste
nicht auch grübeln?
AE:"Du bist e fiese Möp"
Nach der Interviewphase gingen wir gemeinsam zum
Mittagessen in die Kantine. Die Tische waren mit gut gekleideten Frauen und
Männern besetzt. Alle schienen gut gelaunt zu seien. Vielleicht ist ein Job bei
einem Weltkonzern gar nicht so schlecht!
Die Pause endete und wir wurden in einen Schulungsraum
geführt. Ein anderer Manager, gepflegter Haarschnitt, gut sitzender Anzug,
schicke Krawatte und ein sympathisches Lächeln, begrüßte uns und erklärte den
weiteren Ablauf, wir sollten innerhalb von drei Stunden einen Stapel von
Testfragen bearbeiten.
Der erste Blick auf die Aufgaben war recht erfreulich.
Diese Fragen hatte ich während meiner Bundeswehrzeit genügend geübt. Nach
einer dreiviertel Stunde gab ich den Stapel zurück.
„Wollen Sie nicht noch einmal …?“
„Nein danke.“
Endlich einmal etwas Zeit für mich. Was sollte ich machen,
wenn sie mir ein Angebot unterbreiten würden?
Die drei Stunden des schriftlichen Tests endeten. Nun
wurden wieder Einzelgespräche angekündigt. Zu meiner Überraschung wurde ich als
Erster gebeten. Ein neuer Manager, gepflegter Haarschnitt, gut sitzender
Anzug, schicke Krawatte und ein sympathisches Lächeln, eröffnete mir die frohe
Kunde: „Wir würden Sie gerne bei uns als Mitarbeiter begrüßen.“
Man würde die Niederlassung in Bremen darüber informieren
und ich sollte mich dort am nächsten Tag melden.
Die Rückfahrt verlief wie im Fluge. Erstaunlich wie
viele Gedanken in einer Stunde im Kopf herum schwirren können. Ich als
Mitarbeiter bei einem Weltkonzern! Brauchte unbedingt einen adäquaten Haarschnitt,
gut sitzenden Anzug und eine schicke Krawatte.
Feststellung:
Sympathisch lächeln war ja bisher kein größeres
Problem für mich.
Am
nächsten Tag meldete ich mich pünklich bei meinen neuen Arbeitgeber.
Man gratulierte zu den Testergebnissen und teilte mir mit: "Sie wurden
von Hamburg angefordert". Im Arbeitsvertrag gab es einen wichtigen
Passus zum Thema "Mobilität". Nun konnte ich beweisen, das für neue
Aufgaben und Arbeitsorte bereit war. Eine Fahrkarte lag bereit.
Meine Eltern hatten sich auf meinen Aufenthalt in Bremen sehr gefreut, akzeptierten aber meinen Umzug.
Auch der nächste Tag war für nächtliche Dreharbeiten
eingeplant. Wir saßen gerade beim Mittagessen, als der Produktionsleiter in das
Restaurant kam. „Ellen, wir haben ein Problem, Frederic Jaeger (ein britischer
Schauspieler mit deutschen Wurzeln) ist heiser. Er muss unbedingt heute am Set
sein. Versuch doch einen Arzt aufzutreiben.“
Wir waren pünktlich zurück am Drehort. Dieses Mal
verzichtete ich auf die Rolle des frierenden Zuschauers.
Meine Eltern hatten sich auf meinen Aufenthalt in Bremen sehr gefreut, akzeptierten aber meinen Umzug.
Eine Weltstadt und einige Probleme
Nach der Ankunft in Hamburg reichte ein kurzer Blick
auf den Stadtplan. Die Stadthausbrücke war nicht allzu weit entfernt. Der neue
Aktenkoffer (leer bis auf eine Zeitung und einen Apfel) ermöglichte die Strecke
per Pedes zu bewältigen. Die attraktive Empfangsdame begrüßte mich freundlich
lächelnd und nannte mir nach einem kurzen Telefonat eine Zimmernummer.
Mein zukünftiger Chef hieß mich willkommen. Nach einem
kurzen Überblick über meinen künftigen Aufgabenbereich fragte er, ob ich schon
eine Wohnung in Hamburg hätte. Als ich die Frage verneinte, verwies er mich an
seine Sekretärin. Diese Damen waren offensichtlich alle äußerst attraktiv
und kompetent. Ich erhielt einen Zettel mit mehreren Adressen von Vermietern
möblierter Zimmer und den Rat, mir genügend Zeit zu nehmen, da es sehr
schwierig sei, in Hamburg eine gute und bezahlbare Unterkunft zu finden..
Ich rief also die potenziellen Vermieter an und vereinbarte
Termine. Ein Blick auf den Stadtplan zeigte, dass alle möglichen Lokationen
jeweils längere Fahrzeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln erforderten. Einige
hätten zwischen 45 – 60 Minuten je Strecke gebraucht und wurden umgehend
gestrichen. Mobilität musste ja nicht übertrieben werden, oder?
Nach drei Tagen erfolgloser Suche bat ich um ein Gespräch
mit meinem Manager. Zu meiner Überraschung hatte er mit einer längeren Suche
gerechnet. Er erzählte mir von einem ähnlichen Fall in Bremen. Ein Hamburger
(neu eingestellt) suchte in meiner Heimatstadt verzweifelt ein möbliertes
Zimmer. Ein kurzes Telefonat brachte die Lösung: Der Bremer wurde nach Bremen
und der Hamburger nach Hamburg versetzt. Unsere Züge sind sich vermutlich in Rotenburg/Wümme
begegnet.
Was für ein spannendes Leben: Drei Tage bei der
Weltfirma und schon fast alle Mobilitätsanforderungen erfüllt.
Home, sweet home
Meine Eltern waren überrascht. „Junge, was ist passiert?“
Ich beschrieb die letzten Tage und bezog mein altes Zimmer. Essen, schlafen,
waschen, bügeln: alles geregelt! Der erste Schritt für eine atemberaubende
Managementkarriere war gemacht.
Nun konnte es zum Ausgangspunkt zurückgehen.
Einfach den Herrenausstatter passieren und das Portal
meines neuen Arbeitgebers erneut entern.
Erkenntnis:
Ein kleiner
Schritt für die Menschheit, aber ...
Der Arbeitsalltag und das sonstige Leben
Der erste Arbeitstag war sehr anstrengend. Nach der Begrüßung
durch meinen neuen Manager: „Hallo, lange nicht gesehen“ , wurde ich durch die
verschiedenen Abteilungen geführt. Ich versuchte krampfhaft, mir die Aufgaben
und die dazugehörenden Gesichter zu merken. Es gibt leichtere Übungen, oder?
Nach dem Rundgang wurde mir mein zukünftiger Arbeitsbereich
erklärt und die notwendigen Lehrgänge festgelegt.
Die nächste Zeit war sehr abwechslungsreich: Lernen
und Lehrgänge. Wir waren eine junge Mannschaft und verstanden uns auf Anhieb.
Mir gefiel das Betriebsklima sehr. Der Umgang mit Kunden, die geforderte und
geförderte Eigeninitiative und das wachsende Wissen über Abläufe in der
Datenverarbeitung waren motivierend.
Das Privatleben kam auch nicht zu kurz. Lange Kneipenabende
mit Kollegen oder anderen Freunden brachten den Beweis: Schlaf ist etwas für
Schlafmützen!
Eselsbrücken sollen angeblich helfen
Im Rahmen der Ausbildung begleitete ich eines Tages
einen Vertriebsbeauftragten bei einem Kundenbesuch. Er erklärte mir, dass es
wichtig sei, die Chefsekretärin mit ihrem Namen anzusprechen. Die Dame hieße
Kühn. Kühn wie wüst! Wir wurden vorgelassen und ich begrüßte die Dame mit einem
freundlichen: "Guten Tag Frau Wüst". Sie fing an zu lachen: „hat Herr
X. Ihnen eine Eselsbrücke gebaut?“ Später betreute ich den Kunden und hatte
nie Schwierigkeiten, einen Termin zu bekommen.
Der lebenswichtige Dresscode
Einmal hatten wir bis zum frühen Morgen einen ausgiebigen
Kneipenbummel gemacht und erschienen ziemlich derangiert kurz vor
Arbeitsbeginn in der Geschäftsstelle. Irgendwie mussten auf der Tour unsere
Krawatten abhandengekommen sein. Unser Chef bemerkte diesen Fauxpas sofort
und forderte uns auf, diesen Missstand zu beheben. Wenige Meter von unserer
Geschäftsstelle war ein Kaufhaus. Dort entdeckten wir im Sonderangebot
ausgesprochen hässliche Krawatten für 80 Pfennig. Immer noch angeheitert
beschlossen wir den sofortigen Erwerb. Als wir zurückkamen, gab es bei unserem
Manager hochgezogene Augenbrauen. Er hatte doch nichts über den Stil gesagt,
oder?
Um 15 Uhr rief er uns zu einem Meeting. Zu unserem
Erstaunen trug er die gleiche Krawatte und meinte lächelnd: „Morgen sollten wir
wieder korrekt gekleidet sein, meine Herren"
In der Geschäftsstelle gab es keine Kantine. Wir gingen
in den Mittagspausen daher in naheliegende Gastwirtschaften. Vor einem Besuch
im beliebten „Schmutzigen Löffel“ wollte mein Kollege noch kurz zur Sparkasse
in der Nähe. Er ging zum Schalter und es gab offensichtlich Probleme. Ich sah,
wie sein Kopf vor Wut rot wurde.
Die Schalterangestellte rannte mit seinem Beleg zu
einem Schreibtisch und sprach mit einem anderen Sparkassenmitarbeiter.
Telefonate wurden geführt. Die Zeit für unser Mittagsessen war fast
aufgebraucht. Dieter ging mit einem Beleg zur Kasse. Als er zurückkam, fragte
ich: „Was war denn da los, hast Du überzogen?“ „Nö, die haben sich bei mir entschuldigen
müssen.“
Auf dem Weg zur Geschäftsstelle erklärte er mir sein
geniales Finanzkonzept. Am Monatsanfang überwies er 300,00 DM auf sein
Sparkonto. Bei einem Netto von 650,00 DM ergab sich gelegentlich die Notwendigkeit,
das Girokonto zu überziehen. Diesen Monat hatte er sein Limit deftig
ausgereizt. Als die Sparkassenangestellte die Auszahlung verweigerte, wies
Dieter auf sein Sparkonto hin. Seine Bonität war hervorragend!
Erkenntnis:
Nun begriff ich das Finanzwesen endlich!
An dem Tag war ich zwar hungrig, hatte aber viel für das spätere Leben
gelernt.
Das soziale Umfeld
Einmal im Jahr unternahmen wir eine sogenannte „Kohl +
Pinkel-Fahrt.“ Ein Bus brachte uns zum Startplatz der geplanten Wandertour.
Ein kleiner Bollerwagen wurde mit Getränken beladen. Jeder Teilnehmer erhielt
ein, an einem Band befestigtes, Schnapsglas und los ging das Abenteuer. Ein
überdimensionierter Würfel wurde geworfen und die angezeigte Zahl musste mit
entsprechenden Schnäpsen konsumiert werden. Natürlich gab es schnell die
ersten Pflegefälle.
In einem Landgasthaus angekommen sollte nun der
Kohlkönig bestimmt werden. Natürlich wurde kräftig Bier
und Korn getrunken. Als ich eine attraktive Dame aus dem Lochsaal sah, wie sie
in den Nebenraum ging, erwachte der Jagdtrieb. Mit einem Hechtsprung versuchte
ich sie zu erwischen und landete bäuchlings auf dem Tisch unseres Managers.
„Darf ich Dir unseren neuen Assistenten vorstellen, Schatz.“
Seine Gattin schaute mich freundlich an und sagte:
„Freut mich Sie kennenzulernen.“ Da lag ich nun ziemlich verwirrt mitten auf
dem Tisch und wäre am liebsten gestorben.
Die Rückfahrt verlief im Nebel. Wie würde die
Geschichte am nächsten Morgen wohl weitergehen?
Es wurde nicht einmal angesprochen! Es müssen schon schlimmere Dinge bei
diesen Touren passiert sein.
Erkenntnis: Immer den Dingen ihren Lauf lassen
Der Blitz schlug ein
Mir war eine sehr attraktive Mitarbeiterin der
Geschäftsstelle aufgefallen. Bei einem Betriebsausflug nach Bremerhaven
unterhielt ich mich ausgiebig mit ihr. Der Spruch „Liebe auf den ersten Blick“
hatte bisher nichts für mich bedeutet, aber hier wurde er wahr. Ich hätte die
ganze Welt umarmen können, entschied mich spontan jedoch für Renate. Wir wurden
unzertrennlich und planten einen gemeinsamen Urlaub. Ein Angebot des
Reisebüros war Alassio in Italien. Ich buchte umgehend das Hotel Poggiofiorito
für zwei Wochen.
Als ich mich von meinem Großvater verabschiedete,
drückte er mir etwas in die Hand und wünschte uns einen schönen Urlaub. Ich
verstaute das „etwas“ in der Jeanstasche. Als ich am Bahnhof ein Taschentuch
suchte, fand ich einen zusammengefalteten 500,00 DM Schein. Es ging nichts
über einen großzügigen Großvater, oder?
Als wir nach langer Bahnfahrt dort ankamen, mussten
wir erfahren, dass wir uns bei der Anreise um einen Tag geirrt hatten. Das
Hotelzimmer war bereits vergeben. Die freundliche Dame an der Rezeption sah
unsere Enttäuschung und machte einen Vorschlag: „100 Meter weiter haben wir
einen Neubau. Die Eröffnung ist in 14 Tagen. Wenn es Sie nicht stört, können
wir Sie dort unterbringen“
Uns stören? Wir folgten dem Pagen in das neue Quartier.
Freie Zimmerwahl hatte man uns angeboten. Eine Suite mit Seeblick und großem
Balkon wurde unser Nest für die nächsten Tage.
Es war eine herrliche Zeit, verliebt und Sonnenschein
war eine gelungene Verbindung.
An einem Abend war Renate von unseren Ausflügen erschöpft
und wollte im Hotel bleiben. Ich hatte eigentlich vor mit ihr in einem der
schicken Restaurants an der Promenade den Tag ausklingen zu lassen.
„Geh doch allein, Schatz. Ich bin wirklich zu müde.“
Also machte ich mich auf den Weg. An der Promenade fand ich ein Restaurant mit
herrlichem Garten. Es war noch ziemlich leer und ich fand einen schönen Platz
im Freien. Das Essen war hervorragend und ich bestellte mir einen doppelten Espresso
corretto. Es blieb nicht bei der einen Tasse. Was für ein Leben, gutes Essen,
tolle Drinks, die laue Sommernacht was will man mehr.
Plötzlich wurde es laut. Eine Gruppe gut gekleideter
Italiener erschien. Wurde vom Besitzer und dem Personal lautstark begrüßt und
auf die Tische verteilt. Mir gefiel das Lachen und die melodische Sprache. Ein
letzter Espresso sollte den Abend abschließen.
Der Ober brachte den dampfenden Espresso und eine Flasche
Brandy. „Signor Agnelli hat eine Lokalrunde bestellt“
Der konnte sich das sicherlich leisten „Salute Signor
Agnelli“
Die Brandy-Flasche war mein Verhängnis. Ich taumelte
aus dem Restaurant. Oben auf dem Bergrücken konnte ich unser Hotel sehen. Nun
half nur ein Taxi. Ich ging zu dem wartenden Wagen und stammelte „Hotel
P........“ Die Buchstaben fielen mir anscheinend aus dem Mund. Neuer Versuch:
„Hotel Po,,,,,,,.“ Der Fahrer zuckte mit den Achseln und ich machte mich auf
den beschwerlichen Aufstieg zum Hotel P.
Dort angekommen war ich nüchtern. Kein Wunder,
Bergtouren konnten ganz schön schlauchen!
Dennoch war es ein herrlicher Urlaub
Auch der schönste Urlaub endet
Die Arbeit in Bremen wurde wieder aufgenommen. Wir
mussten die Kundenaufträge entgegennehmen und die erforderlichen
Arbeitsschritte im Rechenzentrum durchführen. Jeder Arbeitsgang musste mit
Start- und Endzeit auf einer Lochkarte abgestempelt werden. Es kam häufig zu
Wartezeiten, wenn z. B. eine Sortiermaschine belegt war. Es gab ein
Tagessoll von 8 Stunden. Ich schaute mir die Aufträge an und hatte eine Idee.
Wenn z. B. die Sortiermaschine lief, startete ich den Kartenmischer. Nun
zählte die Zeit doppelt. Dieses System erforderte zwar Lauftätigkeiten,
ermöglichte aber, dass ich häufig mittags mein Soll erfüllt hatte.
Erkenntnis: Wenn man ein Hirn hat, darf man es auch
nutzen, oder?
Mit meinen Freunden wurde das Nachtleben ausführlich
genossen. Sechstage-Rennen, Freimarkt, Party und die nächste Party,
Wochenendtouren. Renate wurde es einfach zu viel und nach einem längeren Gespräch
vereinbarten wir die Trennung.
Erkenntnis: Es gibt Fehler, die vermeidbar gewesen wären
Beliebte Treffpunkte unserer Clique waren der Club 99
und das Saskatchewan, eine Art Pub. Im Club war Krawattenzwang, und auf gutes
Benehmen wurde vom Besitzer sehr geachtet. Als Stammgäste lag für uns immer
eine Auswahl Krawatten an der Garderobe bereit. Unsere Umsätze befreiten uns
schnell vom Eintrittsgeld. Für mich gab es nur ein großes Problem: alle
tanzten unentwegt, und ich als Tanzmuffel hielt die Plätze frei!
Meine Eltern hatten mehrfach versucht, mich zu einer
Tanzschule zu überreden. Sie hatten keinen Erfolg! Ich musste also einen Weg
finden, wie man die attraktiven Damen beeindrucken konnte, ohne mit den Hüften
zu schwingen. Schnell fand ich heraus, dass gepflegte Konversation und
interessiertes Zuhören ein adäquates Mittel waren. Sie wollten nicht nur
hüpfen, sondern sich unterhalten und unterhalten werden. Bald musste ich nur
noch die Plätze meiner Freunde freihalten!
Erkenntnis: Analysiere die Gegebenheiten, dann ergeben
sich oft Gelegenheiten
Der zweite Treffpunkt im Saskatchewan war der Ausgangspunkt
unserer nächtlichen Touren. Der Besitzer hatte uns großzügig einen 10%igen
Rabatt auf unsere Zechen angeboten. Wir akzeptierten huldvoll. Welch
wunderbare Refinanzierungsquelle am Monatsende. „Gisela, gib mir mal 100,00
DM und schreibe es auf meinen Zettel.“
Es war herrlich jung zu sein, oder?
Es war schon erstaunlich, mit wie wenig Schlaf man auskommen
konnte, und trotzdem die anstehenden Arbeiten immer zur vollsten Zufriedenheit
der Firma erledigte.
Nach einigen Monaten wurde ich von meinem Chef zu
einem Gespräch gebeten. Er erzählte von einem großen Projekt in Hannover. Ich
war Feuer und Flamme. Neue Aufgaben und ein weiterer Beweis meiner Mobilität.
Hannover ich komme
Bremen, Hamburg, Bremen und nun Hannover
Nach einem kurzen Gespräch mit dem dort zuständigen
Manager wurde mir ein Arbeitsplatz zugewiesen. Ich ahnte nicht, dass ich den
größten Teil meiner Tage an diesem Platz verbringen würde. Das neue Projekt
bestand aus der Einrichtung einer TP-Leitung zwischen Hannover und Braunschweig.
Mit "alten“ Feldtelefonen! Standardsatz: "Muss ein Vogel auf der Leitung
sitzen, noch mal."
Die Zahl der Versuche war gigantisch. Es kamen häufig
nur nutzlose Fragmente der benötigten Daten in Braunschweig an. Dort war nur
eine Außenstelle unserer Firma. In unsere Teste war "Irmchen W.“ in Braunschweig
eingebunden. Sie tat mir leid, da sie stets allein in der Geschäftsstelle
war. Wir konnten uns während der Arbeit in Hannover wenigstens über Probleme
und Störungen austauschen. Oft war also telefonische Seelsorge angebracht.
"Irmchen“ war nah am Wasser gebaut und brauchte viel Zuspruch.
Hannover habe ich während der Projektarbeit nicht
näher kennengelernt. Wir waren zur Erreichung der Projektziele fast im
Dauereinsatz. Die Nutzung unserer Autos wurde zur Vermeidung von Unfällen
untersagt und wir erhielten Taxengutscheine. Die Fahrer brauchten keine
Angaben zu Fahrtzielen. Einsteigen, einschlafen und ein freundliches „wir sind
da“ wurden zur Routine.
Auch dieses Projekt fand ein Ende. Zum Abklingen wurde
eine interne Ruhepause verhängt. Nur ein Meeting am Tag. Projektdokumentation
überarbeiten und sonst nichts!
Ergebnis: Magenschmerzen. So lernte ich den Begriff
Stress kennen.
Ein Besuch bei einem Facharzt schien erforderlich.
Eine Reihe von Untersuchungen wurden durchgeführt und nach einer Wartezeit
erfolgte das Abschlussgespräch beim Onkel Doktor.
„Kein Wunder bei Ihrem bisherigen Lebensstil“ , wurde
mir erklärt: „Unmengen Kaffee, eine Zigarette nach der anderen, kaum Schlaf,
unregelmäßiges Essen und viel Stress.“
Verwundert sah ich auf seinen überquellenden Aschenbecher,
er steckte sich gerade die dritte Zigarette an.
Erkenntnis: quod licet iovi non licet bovi
Mir wurde eine einwöchige Rollkur verschrieben. Eine
Woche im Bett klang nicht schlecht. Also auf nach Bremen zur Familie.
Der Plan klang gut, aber meine Eltern waren auf ihrem
Wochenendgrundstück. Ich allein zu Hause!
Der Kühlschrank war ausreichend gefüllt, das Bett
frisch bezogen. Nun konnte das verschriebene Rollen beginnen. Damals gab es
noch nicht so viele TV-Sender, also wurde gerollt und gelesen. Das
Nichtrauchen fiel auch nicht besonders schwer. Mittags wurde eine Tütensuppe
ausgewählt. Würstchen in appetitliche Scheiben geschnitten, und alles mit Maggi
bestens abgeschmeckt. Das Leben kann manchmal sooo schön sein.
Nach einigen Tagen fiel mir die Decke auf den Kopf. Es
war Sonntagmorgen und nach dem Frühstück sagte eine Stimme: "eine
Zigarette wäre jetzt schön". Total beeinflusst fing ich an, die Wohnung
nach Rauchwaren zu durchsuchen. Es gab nur eine Zigarre. Nun denn, in der Not
frisst der Teufel.......
Nach dem zweiten Zug klingelte es an der Haustür. Im
Bademantel, die Zigarre in der Hand öffnete ich die Tür. Mein Chef aus Hannover
strahlte mich an und sagte:“ ich habe gerade Verwandte in Bremen besucht und
wollte mal nach ihnen schauen. Wir sehen uns sicherlich Montag".
Erlebnisse in Hannover
Die Arbeitstage waren ausgefüllt. Überstunden waren
die Norm. Einige Ereignisse hinterließen einen bleibenden Eindruck.
Der Leiter der Anwendungsprogrammierung hatte sich
einen FIAT-Spider gekauft. Nun fehlte nur der Einbau eines Autoradios. Ein
Mitarbeiter erklärte sich bereit, die Aufgabe zu übernehmen. Herr Volkmer fuhr
rückwärts vor den Eingang. Eine Verlängerungsschnur wurde für die Beleuchtung
der Arbeitstätigkeiten vom Empfang bis zum Auto verlegt. Wir versammelten uns
am Tatort, um das Werk zu beobachten. Ein spazieren gehendes Paar gesellte
sich zu uns und schaute interessiert zu. „Entschuldigen Sie, was geschieht
hier? „Wir machen computergesteuerte Motorentests.“ Ich führte die beiden um
die Ecke und zeigte auf die rotierenden Magnetbänder. „Unglaublich, was es
alles gibt.“ Kopfschüttelnd gingen sie weiter.
Als ich zurückkam, fand ich eine johlende Mannschaft.
„Motorenteste, hehe“
Besonderen Spaß hatten wir mit unserem Nachtportier.
Er war ein pensionierter Bundeswehrfeldwebel. Seine Erklärung, er würde diesen
Job machen, um seiner Frau nicht immer im Weg zu sein, hat ihn zu einem Idol
gemacht. Nachts? Er legte großen Wert auf ordnungsgemäßen An- und Abmeldungen.
Sorgsam wurden die Zeiten notiert. Als er einmal einknickte, verließen wir
das Rechenzentrum durch ein Fenster zum Innenhof. Ich werde nie seinen verwirrten
Blick vergessen, als wir nach 30 Minuten am Eingang klingelten. „Wo kommen
Sie her? Sie sind doch gar nicht ausgetragen?“ Seine Welt war nicht mehr wie
zuvor.
Die Programmierversuche...
Eines Tages fragte mein Manager, ob ich Cobol-Programme
schreiben könne. Ich hatte zwar einen Lehrgang besucht, aber Programmierung
bisher immer vermieden. Es sei ein Engpass in der Programmierung und es
handele sich um eine einmalige Sonderauswertung für eine Bank. Ich traf mich
mit den Bankmitarbeitern und lies mir alle notwendigen Informationen geben.
Wir waren noch im Lochkartenzeitalter und ich beschloss, mein Programm selbst
zu lochen. Es wurden fast 2000 Lochkarten, und nach vielen Testen wurde die
Auswertung zur Zufriedenheit des Kunden durchgeführt. Ich verstaute den Karton
mit meinem Programm im Schreibtisch und verabschiedete mich in den Urlaub.
Endlich frei! Bella Italia!
Ich saß mit meiner damaligen Freundin auf der
Hotelterrasse: "Da läuft ein Page mit einem Schild herum. Du möchtest
dringend in Hannover anrufen". Mein dortiger Manager war sehr aufgeregt.
Die Bankleute wollten eine weitere Auswertung und bestanden darauf, dass ich
sie durchführen sollte. Oh Gott, ich hatte mein Wunderwerk nicht dokumentiert!
Mir wurde ein Flug von Nizza gebucht und meine Freundin war auf sich gestellt.
Zurück in Hannover bekam ich die Informationen für die
neue Auswertung und mein Programm wuchs auf über 4000 Lochkarten an. Mit Hilfe
von Kaffee und Zigaretten wurde auch diese Herausforderung bestanden. Wieder
sah ich keine Notwendigkeit zur Dokumentation.
Später wollte die Bank die erste Version monatlich
durchführen. Ich beschloss, nie wieder Programmieraufträge anzunehmen.
Die Einführung der bargeldlosen Lohnzahlung
Ich saß an einem Samstag im Empfang des Rechenzentrums
und versuchte einen Fehler in unseren Testläufen zu finden. Es klingelte. Vor
der Tür stand eine Gruppe von Bauarbeitern. Was wollten die den hier? Beim
Öffnen der Tür wurde ich direkt von ihnen in den Raum gedrängt. „Wir wollen
unser Geld“ Reichlich perplex kam meine Gegenfrage: „Welches Geld, und warum
sind Sie hier?“ Als die wütende Meute sich etwas beruhigt hatte, stellte sich
heraus, dass sie wie gewohnt ihre am Freitag ihre Lohntüten abholen wollten.
Man erklärte ihnen, die IBM würde sich jetzt um die Auszahlung kümmern.
Erkenntnis: Informationen sollten immer
verständlich weitergeben werden
Mit mir nicht....
Eines Tages wurde beschlossen, eine Übersicht aller Anwendungen
mit Zuständigkeiten, Programmen und Dokumentationen zu erstellen. Ich wurde
mit dieser verdienstvollen Aufgabe betreut. Es war eine wahre Sisyphus-Task.
Ständig belagerte ich unseren Chefprogrammierer. "Wer hat das
programmiert, wer betreut die Anwendung etc.?".
Seine gelassene Antwort: „Sie sind doch pfiffig und
werden das schon herausfinden"
Eigentlich mochte ich ihn, aber einen Denkzettel hatte
er doch verdient. Wenn ich Zuständigkeiten nicht zuordnen konnte, wurde
kurzerhand der Hinweis: "Bei Problemen Herrn H. anrufen unter folgender
Telefonnummer". Er erzählte mir später, dass er sich lange Zeit die
nächtlichen Notrufe nicht erklären konnte.
Ich blieb dann nur kurze Zeit in Hannover und erhielt
eine Anfrage aus Hamburg:
Erkenntnis: Mobilität zahlt sich eben aus.
Hamburg da bin ich wieder
Ich hatte bei meinem Start in Hamburg dieses Mal kein
Wohnungsproblem. In einem Hochhaus an der Alster fand ich ein Apartment mit
herrlichem Ausblick. Der Höhepunkt: die morgendliche Fahrt mit einem Alsterdampfer
zum Jungfernstieg! Von dort waren es nur wenige Minuten zur Firma. Mit
Volldampf zur Maloche! Die Frühstücksreste wurden gönnerhaft an die Schwäne
verfüttert.
Ich genoss den kurzen Weg vom Anleger Jungfernstieg
zum IBM-Hochhaus. Man konnte alle notwendigen Einkäufe für den Rückweg
einplanen. Das war äußerst wichtig nach dem ersten Einkauf bei Bezug meiner
Wohnung. Der Kühlschrank war gähnend leer und ich fand in der Nähe ein
Feinkostgeschäft.
Der Laden war sehr edel und die gut gekleidete Kundschaft
wurde von kompetenten Verkäuferinnen bedient. "Darf es 10 Gramm mehr sein,
gnädige Frau?“ Als ich an der Reihe war, bestellte ich zunächst die notwendigen
Grundnahrungsmittel. Als die fleißige Fachkraft die Liste abarbeitete, geriet
ich ins Träumen. Ich erinnerte mich an eine Radtour mit Freunden und plötzlich
kam unsere damalige Hauptnahrung bildhaft in meinen Kopf. „Haben Sie
Kunsthonig?", fragte ich. Schlagartig zuckten die Köpfe der anwesenden
Damen in meine Richtung. "Kunsthonig führen wir nicht, mein Herr".
Blamabel!
Das Arbeitspensum war sehr hoch und häufige Überstunden
wurden zur Regel. Eines Tages kriegten wir Verstärkung. Unser Chef teilte uns
mit, dass ein Frl. Janette Hastreiter unser Team verstärken würde. Ein
weibliches Wesen in unserer Welt? Keine derben Witze und Zoten mehr?
Als sie erschien, stockte uns der Atem. Schlank,
blonde Haare und eine atemberaubende Figur. Wir überschlugen uns geradezu, ihr
zu Diensten zu sein. Nach einigen Tagen rief sie uns zusammen und sagte:
"Ich bin schon ein großes Mädchen und kein Pflegefall. Außerdem benehmt
ihr euch wie Klosterschüler. Keine Witze, keine flotten Sprüche".
Uns fielen die Kinnläden runter. Nach Feierabend
gingen wir in unsere Stammkneipe und Janette wurde offiziell in unser Team
integriert. Wenn andere Mitarbeiter der Geschäftsstelle Bemerkungen wagten,
wurden sie unmissverständlich zur Ordnung gerufen.
Man lernt nie aus, oder?
Im Rahmen der Ausbildung nahm ich an einem weiteren
Programmierlehrgang teil. Wochen zuvor erhielten unsere Kunden Päckchen mit
einem grünen Apfel ohne Begleitschreiben. Wir wurden telefonisch belagert,
konnten aber keine befriedigenden Antworten geben.
Das Geheimnis wurde dann gelüftet: APL (a programming
language ) wurde vorgestellt. Bredouille. Ich flog nach Stuttgart, um dieses
neue Werkzeug kennenzulernen. Die Syntax bestand überwiegend aus Symbolen und
meine Begeisterung für derartige Spielereien war nicht gerade groß.
Zurück in Hamburg wagte ich mich dennoch an die Erstellung
eines APL-Programmes. Als Ziel hatte ich mir ein Hotelreservierungssystem
vorgestellt. Nach vielen Tests lief es endlich. Ich wollte es noch ausbauen und
konstatierte den absoluten APL-Guru. Herr von Allwörden wurde bei uns nur
APL-Ali genannt.
Er erschien in meinem Büro und hörte sich meine Wünsche
an. Nach einem kurzen Blick auf meinen Programmcode verscheuchte er mich von
meinem Platz, und ich hörte nur noch ein kurzes Tastaturklappern. "Habe es
etwas modifiziert, bis bald“ und weg war er. Ich schaute mir mein bisheriges
Werk an und stellte fest, es war nicht nur um circa 90 % geschrumpft, sondern
bestand nun aus wenigen Zeilen voller Symbole und Klammern.
Ich begriff, warum man sagt "Schuster bleib
bei Deinen Leisten!
Einstieg in neue Aufgaben
Neue Aufgaben und Anforderungen kamen auf mich zu.
"Fliegen Sie mal nach Stuttgart. Die haben was Neues im Bereich Systems
Management. Sollten uns unbedingt schlaumachen!"
Auf zu neuen Horizonten. Im Workshop wurden neu definierte
Disziplinen vorgestellt: Problem-, Change- und Configuration-Management. In
einem IBM-Labor hatte man ein Anwendungspaket für die Bearbeitung dieser
Prozesse entwickelt.
Den "Erfinder“ dieses Werkes lernte ich später
persönlich kennen. Lee Dicke hatte wesentlichen Einfluss auf meine berufliche
Entwicklung genommen.
In Hamburg vertiefte ich mich in das Werk und untersuchte
Einsatzmöglichkeiten für den Vertrieb an unsere Kunden. Die Abläufe wurden bei
uns implementiert und in die Ablauf- und Aufbauorganisation eingebunden. Dazu
mussten die englischen Handbücher übersetzt werden. Englisch war nun mal die
Sprache der Datenverarbeitung und nach der Übersetzung mussten wir feststellen:
die deutschen Versionen waren fast doppelt so umfangreich.
Wir fingen mit dem sogenannten Problem-Management an.
Da gab es fast endlose Diskussionen: was ist ein Problem und was ist eine
Störung? Außerdem mussten alle Menüs und Panel eingedeutscht werden. Unsere
künftigen Kunden würden die Originalversion sicher nicht erwerben.
Es waren Tage mit vielen Überstunden, aber der Aufwand
lohnte sich. Durch die gewonnenen Informationen erhielten wir genügend
Transparenz, um die Auswirkungen von Problemen und Störungen zu minimieren und
die Serviceziele einzuhalten. Die ersten Kunden installierten die Software und
wir setzten ihre Anforderungen um. Keine Installation war gleich!
Erkenntnis: Der Kunde ist König und Könige sind reich.
Das Leben bei der IBM war zwar anstrengend, aber durch
die Aufgaben und häufigen Lehrgänge gefiel es mir sehr. Die Aus- und
Weiterbildung bestand nicht nur aus fachspezifischen Kursen, sondern auch zu
Highlights wie Motivation und Rhetorik.
Meine Frau hat
sich später oft beklagt, ich hätte mich besonders nach der Teilnahme an
Motivationstechnik und Rhetorik zu einem wahren Ekel verwandelt. Mögliche
Streitanlässe würden lächelnd mit den erlernten Methoden umgangen.
Eines Tages beim Frühstück warf sie mir erbost ein
vollgeschmiertes Honigbrötchen entgegen, und als sie mich verfehlte und ich
laut lachen musste, weil das langsam von den Kacheln rutschende Brötchen zu komisch
aussah, gab es eine mehrtägige Redepause ihrerseits.
Und was geschah im Privatleben?
Meine Schwester Ursula machte mich mit einer Arbeitskollegin
bekannt. Sie arbeiteten in einem Modehaus in Bremen. Irgendwie müssen wir den
Burschen mal von der Arbeit ablenken, hatte sie sich wohl gedacht. Ellen war
gerade aus dem Urlaub gekommen, und frisch gebräunt in einem schwarzen Kleid
eine wahre Augenweide. Ein sehr angenehmer Abend. Wir unterhielten uns
angeregt und tauschten unsere Telefonnummern aus.
Es folgten viele Telefonate und nach einigen Wochen
fingen wir an, Pläne zu schmieden. Obwohl die Entfernung zwischen Bremen und
Hamburg nicht sehr groß war, dachten wir über einen Umzug von Ellen nach
Hamburg nach. Ich hatte zwar nur ein kleines 1-Zimmer Apartment mit Küche und
Bad, aber die Lage an der Alster war unbezahlbar.
Bei ihren ersten Besuchen studierte Ellen die Anzeigen
in den Zeitungen. Die Aussicht im Modebereich war nicht besonders. Ein
bekanntes Ledergeschäft in der Hamburger Innenstadt suchte jemanden für die
Dekoration der Schaufenster. Nach der Vorstellung erhielt Ellen sofort ein
angemessenes Angebot. Kriegsrat! Der Job in Bremen wurde gekündigt und der
Umzug nach Hamburg eingeleitet.
Meine Wohnung wurde nun tatsächlich wohnlicher. Wir
fuhren morgens nun zu zweit mit dem Alsterdampfer zum Jungfernstieg. Da ich
häufig Überstunden machte, gab es nur wenige gemeinsame Heimfahrten. In den
ersten Monaten saßen wir abends gerne am Panoramafenster und genossen den
herrlichen Ausblick auf die Alster.
Ich hatte mir inzwischen einen Audi 100 LS gekauft.
Ich hatte mich für die zweitürige Variante entschieden, und wunderte mich über
den Sonderpreis von 800,00 DM. Zwei Türen waren teurer als vier? Der Wagen
stand jedoch hauptsächlich herum. Die Fahrten mit der Alsterfähre waren einfach
bequemer.
Der Umzug nach Rahlstedt
Nach einigen Monaten wechselte Ellen als Sekretärin
zu einer TV-Werbefilmfirma in Rahlstedt.
Wir beschlossen, uns eine Wohnung im Umkreis zu besorgen.
Gelandet sind wir dann direkt in Rahlstedt. In einer ruhigen Nebenstraße
mieteten wir das Dachgeschoss bei einem netten Ehepaar. Die neue Wohnung
bestand aus einem u-förmigen Raum, einer winzigen Küche und einem kleinen Bad.
Sie hatte nur einen Nachteil: wir mussten durch das Esszimmer der Familie
Sens, um unser Wolkenkuckucksheim zu erreichen. Durch die unkomplizierte Art
der Vermieter wurde es jedoch ausgeglichen. „Mein Mann hat einen herrlichen
Bocksbeutel aus Franken mitgebracht, den müssen Sie unbedingt probieren.“ So
schön konnte ein Feierabend beginnen!
Herr Sens war Vertreter für Damenmoden und werktags
mit seinem Auto in ganz Deutschland unterwegs. Als er hörte, dass Ellen als
Designerin bei einem Modehersteller in ihrem Heimatort gearbeitet hatte, bat er
sie seine Kollektion zu zeichnen. Diese Zeichnungen kamen bei seinen Kunden
hervorragend an, und ein Teil unserer Miete wurde dadurch abgedeckt.
Eines Tages entdeckten wir in einem Geschäft eine
Braun-Cockpit-Anlage. Der Preis überstieg unser Etat. 1850,00 DM für
Musikgenuss?
Der Ladeninhaber bemerkte unser Zögern und machte ein
Angebot: 300,00 DM monatlich ohne Zinsen und 50,00 DM Anzahlung. Wir trauten
unseren Ohren nicht. Innerhalb von Minuten waren wir Eigentümer dieser
Traumanlage. Schnell wurden noch einige LPs ausgesucht und ab ging es zurück
in unser Nest.. Welch ein irrer Sound.
Erkenntnis: Man muss das Leben genießen
An den Wochenenden gingen wir gerne in die Radolfstuben,
eine Musik-Kneipe im Ortskern. Hier gab es Livemusik und viele nette Leute.
Dort lernten wir Günther Hohenhövel und seine Frau Marion kennen. Günther wurde
mehrfach von anderen Gästen aufgefordert, seine Gitarre zu holen. Er ging zum
Auto und kehrte mit einer 12-seitigen Gitarre zurück, setzte sich mitten
zwischen die Gäste auf einen Barhocker und fing an zu singen. Unglaublich, da
sang doch Cat Stevens, oder? Schon nach dem ersten Song tobte der Laden. Ein
wirklicher Virtuose auf der Gitarre und eine tolle Stimme. Bald waren wir dabei
„Lady d´'Arbanville“ mitzusingen. Nach mehreren Songs wechselte er zu Bob
Dylan. Der Abend endete mit „Blowin in the Wind“ und nicht endendem Applaus.
Wir verabredeten uns zum Kaffeetrinken am nächsten
Tag. Günther war in der Immobilienbranche tätig und erzählte beim 1. Besuch
von seinem Hobby, der Musik. Er kannte keine Noten, konnte kein Instrument
spielen, und hatte kaum Englischkenntnisse. Als er Platten von Cat Stevens,
Bob Dylan und anderen hörte, beschloss er, Gitarre zu lernen. Dank eines
optimalen Gehörs eignete er sich schnell die erforderlichen Fähigkeiten an.
Marion erzählte: „Er kauft sich eine neue Platte, und
nach dreimaligem Abspielen kann er Sänger und Musik perfekt nachspielen“
Die Bekanntschaft mit dem Paar war ein Gewinn und eine
Freundschaft entwickelte sich.
Auf nach Marokko
Ein Urlaub wurde geplant. Ellen wünschte sich Sonne,
Strand und Palmen. Meine Wunsch: Ruhe und ausschlafen. Wir einigten uns auf
einen Club Mediterranee in Marokko. Schlafen kann man überall, oder? Außerdem
versprachen die Katalogbilder viel Strand und Sonne.
Unsere Anreise sah einen Zwischenstopp in Paris vor.
Wir besuchten dort eine Freundin von Ellen. Christina war mit einem Engländer
verheiratet. Er arbeitete für Price Waterhouse. Das Zusammentreffen mit
Richard King hat mich irritiert. Als wir in der Wohnung ankamen, sagte
Christina: „Richard ist gerade unterwegs. Er kauft sonntags immer alle
englischsprachigen Zeitungen.“
Wenig später kam er mit einem riesigen Stapel Papier
zurück. Kurze, kühle Begrüßung. Nach dem Frühstück winkte er mir einladend
zu, nahm die Zeitungen und verschwand in seinem Arbeitszimmer. Am Fenster
standen zwei urgemütliche Ohrensessel. Eine Handbewegung des Gastgebers wies
mir einen der Sessel zu. Richard fing an in dem Zeitungsstapel zu wühlen und
reichte mir wortlos einige Teile zu. Comic-, Mode- und Reiseberichte! „Wofür
hielt der mich?“
Es wurde Zeit zum Flughafen zu fahren. „Richard fährt
Euch, er mag Deine ausgeglichene Ruhe. „Ausgeglichen? Ich hätte den arroganten
Schnösel am liebsten erwürgt! Auf der Fahrt zum Flughafen unterhielt er sich
angeregt mit Ellen. Am Abflugterminal wurden wir ausgeladen und er verabschiedete
sich: „Schönen Urlaub, kommt das nächste Mal doch für ein paar Tage zu uns.
Würde mich freuen.“
Erkenntnis: Es gibt
Dinge, die man nicht haben muss, oder?
Der Flug von Paris nach Tanger war ein Abenteuer.. Wir
suchten den Schalter der Royal Air Maroc, erhielten unsere Bordkarten und
gingen in den Abflugbereich. Offensichtlich waren wir die einzigen Europäer.
Die anderen Fluggäste wirkten ausgesprochen orientalisch. „Du, ich fühle mich
unbehaglich. Man liest so viel über Flugzeugentführungen.“ Ich musste Ellen unbedingt
beruhigen. „Ach Schatz, die werden sich doch nicht selbst entführen“
Erkenntnis: Manchmal redet man, ohne zu denken
Eine Durchsage bat alle wartenden Fluggäste, den Wartebereich
zu verlassen und sich beim Schalter der Fluglinie zu melden. Man hatte die
Sicherheitskontrolle vergessen. Hatte ich doch geahnt.
Nach der Prozedur wurden wir zum Boarding aufgerufen.
Die Boing 727 hatte sicherlich schon bessere Zeiten gesehen. Allah würde
sicherlich schon für eine sichere Reise sorgen, waren doch überwiegend seine
Schäflein an Bord. Ich hatte recht, der Flug verlief, bis auf eine extrem harte
Landung, gut.
Wir setzten unsere Füße auf einen neuen Kontinent.
Afrika wir sind da!
Eine Taxe brachte uns nach Malabata. Der einheimische
Fahrer sprach nur Französisch und eine Sprache, die mir auch nicht bekannt war.
Wenigsten Ellen genoss es, ihre Französischkenntnisse nutzen zu können. Nach
einem herzlichen Willkommen bezogen wir unseren Bungalow. Wie beschrieben:
einfach und sauber. Das Gelände wurde erkundigt. Alles bereit für einen
schönen Urlaub. Geldscheine wurden gegen Perlenketten eingetauscht. War viel
praktischer, als ewig die Geldbörse mit Kredit- und Kundenkarten mit sich zu
schleppen. Wir setzten uns an die Bar und wurden aufgeklärt, wie man die
Perlen nutzt.
Plötzlich ertönte „Samba Pa Ti“ von Santana. Alle Urlauber
bewegten sich in eine Richtung. „Was ist los? „Das Zeichen zum Büfett.“ Ich
wurde noch jahrelang hungrig, wenn diese Melodie erklang.
Das Leben im Club Med
Es gab viele Aktivitäten im Clubangebot. Ich wollte
erst mal ausschlafen. Das gelang mir in den ersten Tagen auch. Ellen war in
ihrem Element: ein herrlicher Strand und Palmen. Nach der Schlafphase
erkundigte ich erst mal das Clubgelände. In der Mitte stand eine alte Villa im
maurischen Stil. Dort gab es einen Aufenthaltsraum mit sehr schönen
Keramikarbeiten. Ich setzte mich auf einen Sessel und trank einen frisch
zubereiteten Pfefferminztee, störend war nur die orientalische Musik. Dennoch
beschloss ich, den Villenbesuch in mein Tagesprogramm einzubinden. Der
Vorteil: ich war der einzige Gast. Alle anderen Gäste waren anscheinend
hektisch bemüht, alle kostenlosen Angebote zu nutzen.
Am Ende der ersten Woche traf ich den Segellehrer. Ein
echter Kieler Jung. Ich wollte gerne teilnehmen. Die Boote lagen am Strand und
wurden mit vereinten Kräften in die nicht geringe Brandung verbracht. Ich hatte
drei Mitsegler. Als ich rief: „Schwert raus“, schauten sie mich verständnislos
an. Franzosen! Sprachkenntnisse: französisch, französisch! Ich musste also auf
meinen Sprachenschatz zurückgreifen und nutzte die nichtverbale Variante:
Gestik.
Wir haben den Ausflug überlebt und Segeln vervollständigte
nun mein Tagespensum. Der Terminkalender beinhaltete nun: Frühstück, Pfefferminztee
in der Villa, zwei- drei Stunden Segeln, Mittagsbüfett, Freizeit und warten auf
Samba Pa Ti. Danach ging es an die Bar. Ellen hatte inzwischen viele
Bekannte.
Um etwas Abwechslung zu haben, fuhren wir mit einem
Taxi nach Tanger. Touristen wurden automatisch erkannt und von
Fremdenführerrudeln umzingelt. „Sprechen Sie Deutsch, Englisch, Französisch,
Spanisch?“ Als ich „Russki“ knurrte, wurden wir ignoriert.
Erkenntnis:
Sprachkenntnisse sind manchmal vorteilhaft, oder?
Wir schlenderten durch den Basar. Herrlich diese Gerüche
und die Angebote der Händler. Ein kleiner Junge hatte uns schon eine Weile
verfolgt. Es sprach uns an, und fragte, ob er als Fremdenführer dienen könne.
Da er leidlich Englisch sprach und einen netten Eindruck machte, wurde er gebucht.
Wenn wir etwas kaufen wollten, wies er häufig auf Qualitätsmängel
hin. Wir hatten wohl richtig gewählt. Er fragte mich, ob ich etwas Spezielles
suchen würde. Mein Blick war in einigen Geschäften auf alte Pistolen gefallen.
„Die sind meistens künstlich gealtert und ihren Preis nicht wert.“ Damit
schien das Thema gestorben.
Am Basarrand saß ein alter Araber und hatte eine große
Schale mit Geldmünzen vor sich. Es waren Münzen aus aller Herren Länder. Mein
Blick fiel auf mehrere 5,00 DM Stücke. „Was kosten die? „Ein Dirham.“ Das war
ein Superangebot. Der Dirham war 70,00 Pfennig wert! Kurz entschlossen erwarb
ich die 5,00 DM Münzen. Beide Seiten waren mit dem Geschäft zufrieden!
Unser „Führer“ steuerte ein großes Geschäft an. „Hier
gibt es nur echte Sachen zu kaufen.“ Er lächelte und verabschiedete sich ohne
ein Trinkgeld zu fordern.
Erkenntnis: Im Urlaub
schweigen Alarmglocken!
Ein sehr gut gekleideter Mann empfing uns. Das musste
der Besitzer sein. Sein Deutsch war sehr gut. „Ich habe gehört Sie
interessieren sich für echte antike Pistolen.“ Aha, der agile Fremdenführer war
sicherlich Familienmitglied. Andere Länder, andere Sitten!
Ellen protestierte: „Wir wollen doch noch essen gehen.“
Sanft wurde sie von einem anderen Verkäufer, mit dem Hinweis auf wunderschöne
Silbersachen, entführt. Der Besitzer lies Tee bringen. Wir saßen auf sehr
bequemen Sesseln. Er stand auf, öffnete einen Wandschrank. Eine prächtig
verzierte antike Pistole wurde sichtbar. Er am zurück und sagte: „Hier sehen
Sie eine echte Waffe mit Zertifikat. Alles, was Ihnen bisher angeboten wurde,
sind Fälschungen. Dieses Prachtexemplar kann ich Ihnen zu einem Sonderpreis
von 750,00 DM anbieten.“ Er nahm einen Schluck Tee und sah mich erwartungsvoll
an.
„Mehr als 350,00 DM werde ich nicht investieren.“ Ungläubig
schaute er mich an: „Das mit dem Feilschen im Orient haben Sie sicherlich
missverstanden. Wenn ich meinen neuen Mercedes in Sindelfingen abhole, kriege
ich maximal 3 % Skonto!“
Er minderte den Preis auf 700,00 DM. Ich blieb bei
350,00 DM. Dieses Spiel hatte ich in einigen Filmen gesehen. „Für 675,00 DM
schicke ich die Pistole kostenlos nach Deutschland. Das ist mein letztes
Angebot.“ Im Film hatte es ganz anders ausgesehen. Plötzlich hörte ich Ellens
Stimme: „Nun lass uns endlich gehen, ich habe Hunger.“ Erneut wurde sie nun
von mehreren Verkäufern aus dem Raum „entfernt.“
„Sie sind ein ganz schwerer Brocken. Wenn Sie die
Pistole wirklich nicht haben wollen, kaufen Sie wenigstens irgendetwas
anderes. Ich möchte mein Gesicht nicht verlieren.“
Erkenntnis: mache immer das Beste aus verfahrenen Situationen
und vermeide Gesichtsverluste.
Ellen kaufte versilberte Tee- und Kaffeekannen und wir
wurden huldvoll entlassen.
Orientalischer Geschäftssinn
Wenn Ellen hungrig war, musste sofort gehandelt werde.
Ein Blick auf die Uhr. Wir hatten uns mit einem Ehepaar aus dem Club zum Essen
in einem Chinalokal in Tanger verabredet. Also schnell eine Taxe besorgt, den
Zettel mit der Lokaladresse zeigen und den Wunsch meiner Holden erfüllen.
Der Taxenfahrer nahm den Zettel und raste los. Es
wurde langsam dunkel. Warum mussten Hannes und Trudi ausgerechnet ein so weit entferntes
Lokal auswählen? Endlich hielten wir vor dem Restaurant. Hupend düste unser
Kamikazepilot davon.
Das Essen und der Service waren wunderbar. Ellen war
zufrieden. Nach mehreren Drinks verabschiedeten wir uns und ich nutzte die
Gelegenheit, eine Zigarette vor dem Restaurant zu rauchen. „Nun ruf doch bitte
ein Taxi. Ich bin müde.“ „Gleich“
Erkenntnis: vermeide
das Wort „gleich“ wenn Deine Frau müde ist!
Noch ein letzter Zug am Glimmstängel.
Ich schlenderte betont lässig zur Straßenecke und traute meinen Augen nicht.
100 Meter entfernt war der Taxenstand, von dem wir gestartet waren. Dieses
Schlitzohr von Fahrer!
Ich erweiterte mein Tagesprogramm. Als Frühaufsteher
ging ich gerne vor dem Frühstück am Strand spazieren. Nach einigen Kilometern kam
ich bei einem Leuchtturm an. Ein Mann in einer weißen Djellaba winkte mir zu.
Das war der Leuchtturmwärter. Mit Gesten lud er mich zu einem Tee ein. Wir
fanden keine gemeinsame Sprache, so tranken wir schweigend unseren frischen
Tee und schauten auf das Meer. Ich verabschiedete mich und machte mich auf den
Weg zum Club.
Einige Tage später begleitete mich Ellen. „Du, da auf
dem Leuchtturm winkt uns jemand zu.“ „Der Tee ist sicherlich fertig.“ Mein
neuer Freund freute sich, uns zu sehen. Nun konnte Ellen ihre Sprachkenntnisse
anwenden. Die beiden unterhielten sich prächtig und ich hörte dieser melodischen
Sprache zu. Hätte ich doch nur statt Alt-Griechisch Französisch gewählt!
An der Bar hatten wir ein Ehepaar aus Stuttgart kennengelernt.
Sie waren sehr sympathisch.
Ellen hatte nun Begleitung bei ihren Strandsessions
und ich begleitete Hannes zu seinen Tennisspielen. Wir verstanden uns so gut,
dass gegenseitige Besuche nach dem Urlaub verabredet wurden.
Eine unangenehme Begegnung, oder Schatten der Vergangenheit
Ich war häufig der erste Gast beim Frühstück. Früher
Wurm..........! Fast immer zur gleichen Zeit traf ich dort einen älteren
Franzosen. Wir plauderten über Gott und die Welt und freuten uns, dass die
hungrigen Horden noch nicht das Büfett belagerten. Eines Tages war er vor mir
da. Ich füllte meinen Teller und ging mit einem fröhlichen „Guten Morgen“ an
seinen Tisch. Er wurde blass und schrie: „Vous cochon allemand.“ Erschrocken
wich ich zurück.
Der Restaurant-Chef führte mich an einen entfernten
Tisch. „Sie haben sich doch sonst immer so gut verstanden. Er wird sich schon
beruhigen. Ist irgendetwas vorgefallen?“ Ich war ratlos. Wir hatten uns doch
wirklich immer gut verstanden.
Am nächsten Morgen saß der Franzose schon beim Frühstück,
als ich das Restaurant betrat.. Er winkte mir zu. Noch eine unerwartete
Attacke? Zögernd ging ich an seinen Tisch. „Ich muss mich für mein Benehmen
gestern wohl entschuldigen. Ich habe Dich für einen Skandinavier gehalten, und
als Du gestern plötzlich Deutsch sprachst, sah ich rot. Ich bin Jude und der
größte Teil meiner Familie wurde von den Nazis umgebracht. Später habe ich
über den Vorfall nachgedacht und festgestellt, dass Du nicht schuld bist an dem
Horror.“
„Mir haben unser gemeinsames Frühstück und Gespräche
sehr gefallen. Können wir die Geschichte vergessen?“
Wir gaben uns die Hände und er schenkte mir frischen
Kaffee ein.
Erkenntnis: Die
Schatten der Vergangenheit holen uns oft unvermutet ein
Der 1. Urlaub in Großbritannien wurde geplant
Nach der Rückkehr nach Hamburg telefonierten wir häufig
mit unseren neuen Freunden aus dem Club Med. Die Idee eines gemeinsamen Urlaubs
wurde geboren. Mir gelang es, sie für einen Trip nach England zu überzeugen.
Die Einzelheiten der Reise wollten wir bei einem Wochenendbesuch in Stuttgart
bereden. Also auf in den Süden.
Nach der Landung am Freitagabend besprachen wir Details
unserer Reise bei einem Abendessen. Wir wollten mit zwei Autos fahren und uns
nach der Ankunft auf der Insel einfach treiben lassen. Ein Urlaub nach meinem
Geschmack!
Für Samstag planten die Damen eine Shoppingtour und
Hannes lud mich zu einem Rundflug mit seinem Motorsegler ein. Auf dem
Flugplatz angekommen überfiel mich ein seltsames Gefühl. Beim Schließen des
Cockpits hörte ich, wie Ellen zu Trudi sagte: „Heiner hat eine tolle
Lebensversicherung, wenn etwas schief geht, machen wir beide eine Boutique
auf.“ Ihr fröhliches Lachen beschäftigte mich während des Starts.
Nach Erreichen einer bestimmten Höhe schaltete Hannes
den Motor ab. Schrecksekunde! Der Motor hatte etwas Beruhigendes gehabt. Doch
nach kurzer Zeit fing ich an, den Flug zu genießen. Die Ruhe und der herrliche
Ausblick sorgten für Entspannung.
„Greife Dir das Ruder und stelle die Füße auf die
Pedale.“ Hä? Ganz ruhig folgte ich seinen knappen Kommandos. „Etwas ziehen,
linkes Pedal leicht drücken etc.“ Es machte irrsinnigen Spaß. Nach einigen
Minuten sagte er: „Du machst das recht gut für einen Erstflug.“ Entgeistert sah
ich zu ihm rüber. Das saß der Kerl grinsend mit verschränkten Armen. Vor
Schreck überzog ich die Steuermanöver und er musste eingreifen.
Nach der Landung erzählte Hannes, dass unser Rundflug
die Fluglizenz gerettet hätte. Ihm fehlten noch zwei Stunden für die
erforderliche Zahl der Flugstunden pro Jahr.
Wir verabredeten uns, 1973 den gemeinsamen Urlaub
anzutreten.
Weiter nach Volksdorf
1973 wurde wegen der Ölkrise ein Sonntagsfahrverbot
verhängt. Wir hatten gerade gefrühstückt, und waren mit der Sonntagszeitung
beschäftigt. Ellen stöberte im Immobilienteil herum. „Hier ist etwas für uns:
„Der größte Kamin von Hamburg.“ Du wolltest doch immer einen Kamin, oder?“ „Wo
ist das?“ „Ganz in der Nähe, in Volksdorf.“ „Was hältst Du von einem Ausflug.
Wir schauen uns die Wohnung an, und sagen dann wir würden es uns überlegen“
In Volksdorf angekommen besichtigten wir die Wohnung
und schon nach wenigen Minuten war es klar: Die müssen wir unbedingt haben! Wir
einigten uns schnell mit dem Vormieter und fuhren zurück nach Rahlstedt.
Wir besorgten einen IBM-Kollegen als Nachmieter für
unsere alte Wohnung, und zogen in unser neues Heim. Wir hatten diverse Einrichtungsstücke
vom Vormieter übernommen und richteten uns ein. Die Wohnung war ein Anbau eines
Herrenhauses. Der Besitzer Dr. Weizmann war über den Zuzug junger Leute
erfreut.
Seine Haushälterin Charlotte war das frühere Kindermädchen
des Hausbesitzers und erzählte uns die Familiengeschichte. Wir hatten uns über
einige Namen, die mit kleinen Silbernägeln in Balken des Wohnzimmers zu
erkennen waren, gewundert. Deutlich lesbar war z. B. Eitel Friedrich von
Preußen. Charlotte sagte, früher seien in unserem jetzigen Wohnzimmer häufig
Herrenabende veranstaltet worden.
Als wir mit der Einrichtung fertig waren, luden wir
Freunde und Arbeitskollegen zu einer Party ein. Wer konnte schon Parkplätze für
20 Autos auf dem eigenen Grundstück anbieten!
Die Einweihungsparty war ein großer Erfolg, und wir
beschlossen uns jeden Sonnabend in Volksdorf zu treffen.
Günter Hohenhövel brachte seine Gitarre mit und wir
konnten stundenlang seine Songs von Cat Stevens und Bob Dylan hören. Kio, ein
Iraner, hatte seine Handtrommeln mitgebracht und nach kurzer Aufwärmphase am
Kamin, fingen unsere Musiker an zu improvisieren. Ein Genuss!
Später schauten häufig Musiker aus den Radolfstuben
vorbei. Die Musik lockte gelegentlich Spaziergänger an. „Oh, wussten gar nicht
von dem neuen Musikschuppen.“ Hereinspaziert, Platz genug vorhanden!
Die Sonnabendtreffen waren natürlich mit lauter Musik
und Gesang verbunden. Ich fragte vorsichtig beim Vermieter an, ob ihn die
Lautstärke störe. Antwort: „Endlich ist mal Leben im Haus, weiter so!“
Dr. Weizmann war an Parkinson erkrankt. Wir mochten
den alten Herrn sehr. Er kam häufig auf eine Tasse Tee vorbei. Jedes Jahr am
Silvesterabend mussten Ellen und ich uns von unseren Gästen verabschieden. Dr.
Weizmann bestand auf unseren Besuch um 23:45 Uhr. Eine Flasche Champagner stand
bereit und wir stießen auf das neue Jahr an.
Die ersten Tiere
Ellens Freundin Dorit fragte eines Tages, ob sie ihren
Kater Böbby für zwei Wochen bei uns deponieren könne. Wir sagten zu, da wir
Böbby schon in Bremen kennengelernt hatten. Nun nahm der rote Teufel unsere
Wohnung und uns in Besitz. Er liebte es von seinen Ausflügen tote Mäuse mitzubringen
und diese als Opfergabe auf die Bettvorleger zu legen. Ein herrliches Gefühl,
wenn man morgens barfuß auf Mäuse trat. Er saß beobachtend in der
Schlafzimmertür und wunderte sich über den Entsorgungsprozess. Waren schon komische
Wesen diese Zweibeiner!
In einer Oktoberwoche war ich auf einer Yachtüberführung
von der Ostsee nach Wedel. Als ich in Volksdorf ankam, erwartete mich eine
Überraschung. Ellen hatte im Park einen kleinen Igel gefunden. Er war für die
Jahreszeit deutlich unterernährt und würde den Winter kaum überstehen. Sie
nahm das Kerlchen mit in die Wohnung und holte sich Ratschläge beim Tierschutzverein.
Deren Aufnahmekontingent war schon ausgeschöpft und wir waren nun Eltern von
Gorgy. Gemäß Anweisung wurde das arme Tier in der Badewanne mit warmem Wasser
entfloht. Es müssen Hunderte gewesen sein, die da im Abfluss verschwanden.
Gorgy genoss geradezu die Trocknungsphase in ein Handtuch gewickelt unter der
Heizung.
Er wollte nicht in den Winterschlaf. Größtes Vergnügen
war es auf meinem Knie zu liegen und sich vom Kaminfeuer wärmen zu lassen.
Weihnachten verpackten wir unseren stacheligen Mitbewohner,
und besuchten Freunde. Der Sohn war ein Tierfreund und hatte sich schon lange
auf einen Igel gefreut. Gorgy wurde mit großer Freude aufgenommen.
Wir beschlossen mit Freunden gemeinsam Englischunterricht
zu nehmen. Eine Sprachlehrerein wurde engagiert. Wir saßen gemütlich vor dem
Kamin und bemühten uns englische Konversation zu praktizieren.
Eines Abends forderte mich die Lehrerin auf einen Zeitungsartikel
vorzulesen. Ich began: A young
coupled marry“. „Noch einmal, bitte“. Verwirrt startete ich erneut: „ A young
coupled marry“. Bernd prustete los. Was war das für ein Spiel?
Ann sagte: „ Es heißt a young married couple“. Für
mich war der Abend gelaufen.
Erkenntnis:
Versprecher sorgen für Stimmung
Was war los in der Welt 1973?
•
Willy Brandt war 1973 Bundeskanzler
•
Jackie
Stewart war mit Tyrrell-Ford Formel 1 Weltmeister 1973
•
Der
Grundwehrdienst wird von 18 auf 15 Monate verkürzt
•
Großbritannien,
Dänemark und Irland werden Mitglieder der EWG
•
Dänemark wird
Mitglied der Europäischen Gemeinschaft
•
Start der US-amerikanischen
Raumsonde Pioneer 11 von Launch Complex 36 auf Cape Canaveral.
•
Der Geldautomat wird patentiert
•
Beginn des Jom-Kippur-Krieges im
Nahen Osten: Ägypten und Syrien
greifen auf den Golanhöhen und am Sueskanal die israelische Front an
Der Streit mit dem Vormieter
Mit dem Vormieter unserer Traumwohnung hatten wir die
Übernahme einiger Einbauten vereinbart. Der Betrag sollte in monatlichen Raten
getilgt werden. Einige Monate nach unserem Einzug wollten wir die riesige
Schrankwand im Wohnzimmer endlich nutzen. Zu meiner Überraschung fand ich
einige Kartons mit Papieren. Die hatte der Vormieter sicherlich vergessen.
Rechnungen und Quittungen über die von uns gekauften Einrichtungsgegenstände
hatten wir mehrfach angefordert, wurden aber immer vertröstet. Beim Finanzamt
oder beim Steuerberater! Nun erwiesen sich die Kartons als wahre Schatztruhen.
Eine Rechnung über die Schrankwand in Höhe von 11.000 DM und gleich darunter
mit derselben Rechnungsnummer in Höhe von 3650,00 DM. Uns hatte das saubere
Paar die Schrankwand mit 4000,00 DM in Rechnung gestellt. Auch bei anderen
Gegenständen gab es gewaltige Diskrepanzen. Sogar leere Rechnungsformulare
waren in den Kartons.
Das musste unbedingt geklärt werden. Ich rief den
Kunstmaler Otfried B. an und fragte erneut nach den Rechnungen und Quittungen.
Stereotype Antwort: „Sind beim Finanzamt bzw. Steuerberater!“ „Warum fragen Sie
eigentlich immer nach. Ich habe Ihnen doch zugesagt, dass Sie alle Unterlagen
erhalten.“ Warte Bursche mit mir nicht!
Gegen Betrug war ich allergisch. Kurze Bedenkzeit und
dann Kaufvertrag und die Kartons in den Kofferraum. Ab ging es zum Finanzamt. Dort
fragte ich nach der Steuerfahndung. Ein etwas unwillig dreinschauender
Beamter fragte nach dem Grund meines Besuchs. Ich erklärte den Fall und packte
die Unterlagen auf den Tisch. Er blätterte kurz in den Papieren und rief einige
Kollegen an. Nun füllte sich der Raum. Die Rechnungen und Formulare der
beteiligten Firmen wurden akribisch analysiert. „Das gibt es doch nicht. Nun haben
wir sie. Endlich Beweise.“ „Können wir die Unterlagen behalten. Sie haben uns
sehr geholfen, vielen Dank.“ Das war doch Staatsbürgerpflicht, oder?
Stolz verließ ich die Amtsstuben.
Im folgenden Prozess wurde Herr B. Zu einer empfindlichen
Geldstrafe verurteilt. Wir mussten lediglich eine geringe Abschlagssumme
zahlen.
Erkenntnis: Wecke nie
den Stier in mir.......
England wurde entdeckt
Wie mit Hannes und Trudi verabredetet, starteten wir
unseren Urlaub. Wir verabredeten einen Treffpunkt in Calais. Ich konnte die
Abfahrt kaum erwarten. Ellen hatte meinem ständigen Flehen nachgegeben und
dem Kauf eines Porsches zugestimmt. Da stand nun der gelbe 911 Targa und
wartete auf die erste große Reise.
Es war wie ein Rausch, offenes Dach und das kernige
Motorengeräusch sorgten für einen guten Start. In Calais warteten unsere
Freunde bereits am vereinbarten Treffpunkt. Herzliche Begrüßung und ab auf die
nächste Fähre. England wir kommen!
Im Terminal in Dover schauten wir uns mögliche Ziele
an. Wir wollten in Küstennähe bleiben und uns Richtung Cornwall bewegen. Ich
war von der Landschaft begeistert. Rapsfelder, sanfte Hügel und baumbestandene
Straßen. Selten war ich derart gelassen. Mir war, als wäre ich hier in einem
anderen Leben schon einmal gewesen. Das Linksfahren musste irgendwie angeboren
sein.
Nachmittags erreichten wir das Städtchen Rye
Nach einem Bummel durch den malerischen Ort buchten
wir Zimmer im Mermaid Inn. Das Mermaid Inn war das älteste Hotel Englands.
Ellen und wir schliefen in einem Zimmer, welches Königin Elizabeth I. 1420
bewohnt hatte.
Der Aufenthalt im Hotel führte zu einigen Beulen. Die
Türen waren nicht für Menschen über 160cm gebaut, wie ich schmerzhaft
feststellen musste.
Weiter ging die Fahrt Richtung Dartmoor. Unser
nächster Halt war Moretonhampstead. Wir fanden ein nettes Hotel. Abends an der
Bar trafen wir eine Reitlehrerin. Sie lud uns zu einem Geländeritt am nächsten
Tag ein. Es gab nur ein kleines Problem: Hannes und Trudi hatten niemals das
Glück der Erde auf einem Pferderücken genossen. Mutig sagten sie dennoch zu.
Als wir zurück im Hotel waren, setzten wir uns in die
Lounge und bestellten vier Brandy. „Oh, you must settle your nerves.“ Die Frage
des Kellners sorgte für eine Lachsalve. Seinem Blick sah man deutlich an: „Die
spinnen, die Deutschen“
Am nächsten Morgen ging ich vor die Hoteltür
(Frühaufsteher haben mehr vom Leben, oder?). Das Frühstück wurde erst in einer
Stunde serviert und ich wollte etwas Spazierengehen (Ausrede: Rauchen!) Auf der
gegenüberliegenden Straßenseite war ein Tabakgeschäft. Eine Zeitung wäre jetzt
nützlich, um die Zeit bis zum Ersten. Kaffee zu überbrücken.
„Guten Morgen, ich hätte gerne die Times.“ „Sorry Sir,
die Times ist bereits ausverkauft.“ „Aber im Ständer vor der Ladentür liegt
doch ein Exemplar.“ Er schaute mich verwirrt an, ging vor die Tür, nahm die
Times und ging zum Hoteleingang. Dort stand Ellen, die wohl auch aus dem Bett
gefallen war. Er gab ihr die Zeitung und kam zurück. „Sorry Sir, aber die Dame
hat zuerst gefragt“
Ein liebenswertes Volk, oder?
Das Dartmoor war wirklich einen Ausflug wert. Nach
mehreren Touren ging es weiter nach Cornwall.
Nächstes Ziel war St.Ives. Die Palmen beeindruckten
uns. Auch die Landschaft war wunderschön. Außerhalb von der Stadt fanden wir
ein kleines Hotel. Zwei Zimmer wurden gebucht. Der Eigentümer half, unser
Gepäck zu entladen. Seine Augen glänzten, als er den Porsche sah.“ Please close the door again, I love
the sound so much“ Seltsamer Typ! Das Schließen einer Wagentür soll
glücklich machen?
Meine Mitreisenden standen mit dem Gepäck vor dem
Eingang und schauten uns zu. „Wie sieht es mit einer kurzen Probefahrt aus?“
Selten hatte ich einen glücklicheren Menschen gesehen. Er an das Steuer, ein
kurzer Wink an die entgeisterten Urlauber und ab ging es. Als wir nach einer
Viertelstunde zurückkamen, standen meine Reisegefährten immer noch vor dem
Hotel. Der Blick meiner Gattin verhieß nichts Gutes.
Der Hoteleigentümer rettete die Situation durch eine
Einladung an der Bar.
Zurück in Volksdorf
Eine Party mit Überraschungsgästen
Ein IBM-Kollege rief mich an und fragte, ob er jemanden
am Abend zu unserer Musikparty mitbringen dürfe. „No Problem“
Das Wohnzimmer war wie immer proppenvoll, als es an
der Haustür klingelte. Heinz Ehrhard und seine Frau Christina standen vor der
Tür, hinter ihnen war ein zweites Paar zu erkennen. „Du kennst doch sicher Dr.
Ischebeck. Er ist mit seiner Frau übers Wochenende in Hamburg.“
Mit allem hatte ich gerechnet. Dr. Ischebeck war absoluter
Topmanager in Stuttgart und nun Gast bei uns. Himmel, wie sollte das gehen?
„Hereinspaziert, was darf ich einschenken?
Die Vier legten ihre Mäntel ab und mischten sich unter
die anderen Gäste. Zu meiner Überraschung unterhielt sich Ischebeck angeregt
mit einigen meiner Freunde. Die Musik und das Ambiente schienen ihm und seiner
Frau sehr zu gefallen. Ich traf die beiden später in der Küche. „Mit einem so
tollen Abend hatten wir gar nicht gerechnet. Es ist genau die Musik die wir
lieben und wir haben einige sehr interessante Leute kennengelernt.“
Irgendwann bin ich wohl eingedämmert. Als ich die
Augen aufschlug, sah ich eine lustige Runde vor dem Kamin auf dem Boden sitzen.
Dr. Ischebeck und Frau, die Ehrhards, Axel Kaphanke und meine liebe Gattin.
„Komm rüber Schatz, wir trinken Friesengeist.“
Gegen vier Uhr verabschiedeten sich die letzten Gäste
und ich fiel in den komatösen Tiefschlaf.
Der 100%-Club in Monte Carlo
Dieser Abend hat nach meiner Kündigung später noch für
einige komische Situationen geführt. Als kleines Abschiedsgeschenk wurde ich
im Mai 1984 als Gast der IBM zum 100-Prozent-Club nach Monte Carlo eingeladen.
Ich hatte an diesen Veranstaltungen schon teilgenommen, aber der Gästestatus
war schon etwas Besonderes. Kein Doppelzimmer, sondern eine Suite mit
Meerblick. Alles frei, sogar die üppig ausgestattete Minibar.
Es war schon ein merkwürdiges Gefühl. Ich hatte so
lange als Mitarbeiter für diese Firma gearbeitet und nun war ich Gast.
Auf der Agenda stand am nächsten Morgen die Eröffnung
der Veranstaltung. In der großen Lobby wimmelte es geradezu. Die Karrieregeier
standen in der Nähe der Aufzüge. Wenn die Topmanager erschienen, wollte man
unbedingt gesehen werden. Dieses Spiel kannte ich. Ich setzte mich auf eine
Marmorfensterbank und genoss den herrlichen Ausblick auf das Meer.
Plötzlich kam eine merkwürdige Spannung auf. Eine Fahrstuhltür
öffnete sich und Dr. Ischebeck trat heraus. Er sollte die Eröffnungsansprache
halten. Er schaute sich, umringt von servilen Mitarbeitern, um. Mit dem ganzen
Schwarm kam er auf mich zu: „Hallo, Herr Jäger, schön sie hier zu sehen. Grüßen
sie bitte Ihre Gattin von mir und meiner Frau. Wir sehen uns sicherlich später
noch.“
Ich hatte selten so verdutzte Gesichter gesehen. Warum
begrüßt Ischebeck den Kerl bloß als Ersten? Man sah deutlich die Fragezeichen
aus ihren Köpfen ragen. Plötzlich suchten sogar Stabsleute aus Stuttgart meine
Nähe. Bisher wurde man blasiert ignoriert, aber nun versuchten sie
herauszukriegen, warum Ischebeck mit mir gesprochen hatte. Ich lächelte
diabolisch und antwortete nur geheimnisvoll.
Am Abend in der Hotelbar saß ich mit Jochen Körner
und Ex-Kollegen zusammen. Immer wieder tauchten Leute auf und begrüßten unsere
Runde geradezu überschwänglich: „Hallo, wie geht es? Wir sehen uns sicher noch“
Jochen erzählte, er hätte diverse Anrufe erhalten. Immer ging es um eins: Was
ist dem Jäger los? Warum diese Begrüßung durch Dr. Ischebeck?
Wir beschlossen, das Spiel auszureizen. Geheimnisvolle
Andeutungen würden die Spannung erhöhen. Die diversen Einladungen zu Drinks
nahmen wir huldvoll wahr.
Am nächsten Tag war ein Busausflug nach Nizza geplant.
Ich sah die Busse vor dem Hotel und beeilte mich, da der Abfahrtstermin in fünf
Minuten war. Wo sind noch die Fahrstühle? Ah, dort schließt sich eine Tür. Ein
Hechtsprung, und ich hatte es geschafft. Eine Stimme sagte: „Sie haben es offensichtlich
eilig, junger Mann.“ Ich erkannte den damaligen Geschäftsführer der IBM Lothar
Sparberg. „Ich kann nicht anders, Dynamik ist mir angeboren.“ Er lachte, legte
den Arm um meine Schulter, und erwiderte: „Wir wollen diese Tage doch etwas
ruhiger genießen.“ Die Fahrstuhltür öffnete sich und nun war die Gerüchteküche
nicht mehr aufzuhalten. Gestern Ischebeck und nun Sparberg mit diesem Kerl? Was
war da los?
Erkenntnis:
Geheimnisvolles
Schweigen erhöht die Spannung
Sport musste unbedingt betrieben werden
Nur arbeiten und am Wochenende mit Freunden feiern
konnte nicht das Ziel des Lebens sein. Günther Hohenhövel und ich, beschlossen
also Sport zu betreiben. Wir suchten die Telefonnummern der Tennis-Clubs in
der näheren Umgebung heraus, und fragten nach Terminen. Fast alle waren
ausgebucht. Als wir endlich ein Angebot für Trainingsstunden erhielten, waren
wir zunächst begeistert. „Ich könnte Sie für 11:00 Uhr vorsehen.“ 11:00 Uhr war
für Berufstätige nicht gerade optimal. „Ginge es auch nach 18:00 Uhr?“ „Ich
meinte doch 11:00 am Abend.“ Das war sicherlich ein Scherz. Wir sagten dankend
ab.
„Lass uns mal zum Großensee fahren. Vielleicht finden
wir da eine Möglichkeit. Als wir am Lütjensee vorbeifuhren, sahen wir ein
Schild „Golfplatz“ am Straßenrand. Kurz entschlossen folgten wir dem Pfeil.
Warum nicht Golf?
Ein ehemaliger Bauernhof war zu einem Golfplatz
umgebaut worden. Die Eigner hatten vor einen öffentlichen Platz anzubieten,
und gleichzeitig einem zu gründenden Golfclub anzusiedeln.
Wir wurden im Wohnzimmer der Familie Braumann begrüßt
und erfuhren, dass erst neun bespielbare Bahnen vorhanden seien. Ein
englischer Golf-Pro war vorhanden und bot uns eine Schnupperstunde an.
Schon die ersten Versuche auf der Driving-Range hatten
mich süchtig gemacht. Nach drei Übungsstunden wurde ich spontan Mitglied Nr.9
im frisch gegründeten GC Hoisdorf. Günther zog Tennis vor. Schade!
Eines Tages übte ich allein auf der Driving-Range. Ein
grüner Jaguar fuhr vor. Ein Mann in perfekter Golfkleidung stieg aus und grüßte
kurz. Er öffnete den Kofferraum, entnahm einen Golfsack. Das war doch
Krokodilleder, oder? Er stellte sich auf die Abschlagmatte, riss ein Büschel
Gras raus und warf es in die Luft. Mit staunenden Augen beobachtete ich seine
Aktionen. Er nahm den Driver und machte formvollendet einige Übungsschläge.
Erkenntnis: Durch
Beobachten kann man viel lernen
Nun holte er schwungvoll aus und feuerte eine kompakte
Grassode in
die Luft. Als er meinen erstaunten Blick sah, sagte er: „Auch neu hier?“
Der Tagesablauf wurde nun radikal geändert. Wenn ich
keinen auswärtigen Kundenbesuch hatte, stand ich um 5:45 auf der Driving-Range.
So erhielt ich in kurzer Zeit die Platzreife. Stolz war ich über das Erreichen
von Handicap 36 nach zwei Monaten.
Der erste Satz Golfschläger wurde gekauft. Nun waren
die Wochenenden ausgebucht. Anfangs hatte Ellen noch Verständnis für meine
Leidenschaft. Das hat sich später allerdings schnell geändert.
Ich hatte nun endlich ein passendes Hobby gefunden
und opferte meine gesamte Freizeit. Ellen ging reiten und ich hatte ihr Hobby
auch toleriert. Bin sogar freiwillig mitgegangen und hatte Unterricht genommen.
Ein Kompromiss musste her. Ich nahm Ellen mit auf den Golfplatz.
Sie nahm nur einige Trainerstunden. Gemeinsamer
Beschluss: Sie auf dem Rücken der Pferde und ich mit einem kleinen Ball in
freier Natur.
Im Club wurde über einen einwöchigen Trip nach Spanien
gesprochen. Schnell war das Team zusammengestellt. Ein Bauunternehmer, ein
Oberstudienrat, ein IBMer und der neue Pro Martin Hughes. Die Kosten des
Ausfluges erhöhten sich wesentlich durch den Kauf eines Paares Lederreitstiefel
für Ellen!
Da der Abflug in Düsseldorf frühmorgens stattfand,
fuhren wir mit der Bundesbahn durch die Nacht. Bei der Ankunft in Düsseldorf
wurde Martin eine Tasche mit wichtigen Unterlagen gestohlen. Unser Pro stand
nun ohne Pass, Flugticket, Geld und der Reservierungsbestätigung unseres
Hotels da. Krisensitzung!
Die Polizei wurde informiert. Die Fluglinie war sehr
kulant. Man wies auf mögliche Schwierigkeiten bei der Ankunft in Spanien hin.
Martin erhielt ein Ersatzticket und den Rat sich in Spanien umgehend beim Britischen
Konsulat zu melden.
Klang recht vielversprechend, hat aber leider nicht
funktioniert. Martin wurde bei der Einreise von der Guardia Civil festgenommen.
Er sollte gleich mit der Maschine wieder nach Düsseldorf abgeschoben werden.
Wir sammelten schnell Geld und steckten es ihm zu.
Manchmal kommt alles anders als man denkt
Nun standen wir ziemlich ratlos in Barcelona. Wir
hatten vergessen, welches Hotel Martin reserviert hatte.
Der Oberstudienrat, als Beamter, machte Pläne. Der
Bauunternehmer beeindruckte durch imposante Kreditkarten und der IBMer
besorgte einen Leihwagen und Hotelzimmer in Estepona. Der Ort wurde von Martin
während unserer Bahnfahrt erwähnt.
Ohne unseren Golf-Pro erkundeten wir in den nächsten
zwei Tagen die tollen Golfplätze. Trotz der Hitze wurden täglich zwei mal 18
Löcher absolviert.
„Sie haben Besuch. Er wartet an der Bar.“ Ich schaute
die nette Dame am Empfang erstaunt an. Besuch? Neugierig machte ich mich auf
den Weg zur Bar. Wer sollte mich hier in Spanien besuchen?
Die Überraschung: an der Bar saß ein total müde
aussehender Martin Hughes, der Mann ohne Flugticket, Ausweis und Geldbörse.
„Martin, wo kommst Du den her?“ „Bestelle mir bitte ein Bier. Ich habe soeben
den letzten Penny von Eurer Geldspende investiert.“
Ich holte meine zwei Mitspieler und wir lauschten
gebannt Martins Schilderung seine Reise nach Spanien.
„In Düsseldorf angekommen empfing mich schon die
Polizei und ein Vertreter der Airline. Meine Tasche mit meinen Unterlagen war
gefunden worden. Nur das Geld fehlte. Was nun? Ich fragte sofort nach dem
nächsten Flug nach Barcelona. Wollte Euch Jungs nicht allein lassen. Die Frage
nach der nächsten Flugmöglichkeit erforderte eine Entscheidung von mir. Entweder
am nächsten Morgen oder in einer Stunde nach Portugal. Ich dachte, von Portugal
kann es ja nicht weit sein nach Südspanien. Umgebucht, und ab ging es nach Faro“
.
Erkenntnis: Einen
Engländer haut nicht aus der Bahn
„In Faro angekommen suchte ich die günstigste
Fahrgelegenheit nach Estepona. Euer Geld war ja eigentlich für die Rückfahrt
nach Hamburg gedacht. Nun musste es reichen, um Euch zu überraschen. Ich benutzte
Bahnen, Busse und angebotene Mitfahrgelegenheiten. Es waren rund 450
Kilometer. In Estepona klapperte ich die Hotels ab und fragte nach den drei
Deutschen. Hier bin ich nun. Noch ein Bier. Muss erst mal schlafen“
Feststellung: Es waren
doch vier Musketiere
Der Rest unseres Urlaubs bestand aus Golf, Golf, Golf.
Bei der Rückreise nahmen wir Martin in unsere Mitte. Man wusste ja nie, welche
Wege nach Hamburg er aussuchen würde.
Einige Jahre später konnte ich Ellen zu einem Golfurlaub
überreden. Als sie hörte Spanien, war sie Feuer und Flamme. Da gab es ja viele
Strände und Palmen. Als Ziel buchte ich wieder Barcelona und das Hotel in
Estepona. Dort gefiel es meiner Gattin jedoch nicht. Also weiter die Küste
lang. In Sotogrande fanden wir ein Hotel, das unseren Anforderungen entsprach.
Ellen hatte einen Strand und ich einen fantastischen Golfplatz.
Nach der Ankunft fuhr ich sofort zum oberen der beiden
Sotogrande Golfclubs. Er lag in einer wunderschönen Hügellandschaft. Es war
kaum etwas los. So hatte ich die Driving Range für mich. Nach zwei Stunden
harten Trainings ging ich Richtung Bar. Der Club-Manager fragte, wie mir die
Anlage gefallen würde. Höchstes Lob.
„Wollen Sie noch eine Runde spielen?“ Seltsame Frage,
natürlich. „An der Bar sitzt jemand, der noch auf Mitspieler wartet. Ich stelle
Sie ihm gerne vor.“
Der andere Golfer freute sich, mich kennenzulernen. „My name is Churchill, glad to meet
you.“ Er sah mein erstauntes Gesicht und lachte. „Winston has been my
grandfather.“
Er sagte mir, er würde nach einer Hüftoperation zum
ersten mal wieder eine Golfrunde probieren. „Spielen wir um ein Mittagessen und
die Drinks?“ Aber klar, ziemlich eindeutige Gelegenheit die Urlaubskasse zu
schonen. Hüftoperation, 20 Jahre älter!
Wir zogen los und schon nach neun Bahnen hatte ich
keine Aussicht zu gewinnen. Er spielte traumhaft Golf und machte nicht den
geringsten Fehler.
Erkenntnis: Engländer
sind oft Tiefstapler
Ein dennoch guter Start. Beim Mittagessen unterhielt
er mich mit lustigen Anekdoten. Wir verabredeten für das nächste Wochenende.
Als ich in das Hotel zurückkam, war Ellen noch am
Strand. Sie hatte den erwünschten weißen Strand, eine Schatten spendende Palme
und war glücklich.
Nach dem Abendessen war sie müde und ich ging in die
Hotelbar. Was war nur los, ein fast leerer Golfplatz und nun eine fast leere
Bar? An der Theke saß ein Paar. Ich suchte mir einen Tisch auf der Terrasse und
bestellte ein kühles Bier. „Hey, ist doch ungemütlich, wenn nur drei Gäste hier
sind, und noch getrennt sitzen. Mein Name ist Stephen und das ist meine Frau
Jane. Dürfen wir uns setzen?“ So lernte ich die Lawrences kennen. Er war
Manager bei Esso und der beste Witzeerzähler der Welt. Es wurde ein langer Abend.
Am nächsten Morgen saßen wir zusammen beim Frühstück
und planten die Tagesaktivitäten. Ellen wollte wieder zum Strand und wir drei
Golfer den zweiten Golfplatz erkunden.
Der zweite Platz war zu unserer Überraschung fast
leer. Erst später erfuhren wir den Grund. Bei der Affenhitze in der
Mittagszeit wollte keiner außer uns spielen. Man bot uns Golfcarts an. Das war
doch nur etwas für Weicheier, oder?
Wir schulterten unsere Golfbags und machten uns auf
den Weg. Am 9. Loch war eine Bar eingezeichnet. Dort wollten wir eine Pause
einlegen. Allmählich wurden unsere Taschen schwer und schwerer. Auch dieser
Platz führte uns immer weiter auf die Hügel. Wir hatten nur noch ein Ziel: die
Bar am 9. Loch. Fast ausgedörrt erreichten wir die malerische Hütte. Geschlossen!!
Wenigstens ein Wasserhahn war in Betrieb.
Nach einer halben Stunde starteten wir die Rückrunde.
Es ging wieder Richtung Mittelmeer und bergab. Am 18. angekommen, versuchten
wir unsere Putts zu versenken.
Die Bewässerungsanlage setzte ein und wir waren
pudelnass in Sekunden. Eine Wohltat!
Erkenntnis: Die Miete
für einen Golfcart ist kein rausgeschmissenes Geld, und eine Flasche Wasser
manchmal nicht in Gold aufzuwiegen
Zurück im Hotel trafen wir ein anderes Paar aus
England. Sie waren mit Stephen und Jane befreundet, und hatten an dem Tag einen
Ausflug nach Gibraltar gemacht. Als Ellen vom Strand zurückkam, verabredeten
wir uns zum gemeinsamen Abendessen und anschließendem Abend an der Bar.
Nach diversen Drinks, vielen lustigen Geschichten und
Austausch von Telefonnummern und Adressen vereinbarten wir gegenseitige
Besuche.
Erkenntnis: In Urlaubsstimmung wird viel versprochen
Spanien, Golf und neue Bekanntschaften
Verabredungen
müssen eingehalten werden, oder?
Nach dem schönen Urlaub riefen unsere neuen Freunde
mehrfach an und fragten, wann wir endlich auf die Insel kommen würden. Ich
hatte die Verabredung nicht wirklich ernst genommen, nun wurde es langsam
peinlich. Ellen und ich hielten Kriegsrat. Maximal eine Woche wären wohl genug.
Als wir unseren Termin bekannt gaben, freuten die vier
sich sehr. Ab ging die Fahrt: Hamburg-Calais, auf die Fähre und nach Dover.
Eine richtige Urlaubsstimmung kam nicht auf. Es würde sicherlich regnen!
Erkenntnis: Vorurteile
sorgen gelegentlich für Überraschungen
Die Kreidefelsen von Dover lagen im schönsten
Sonnenschein vor uns. Runter von der Fähre, ein kurzer Blick auf die Karte und
los ging es. Linksfahren war kein Problem, kannte ich von deutschen Autobahnen!
Ich hatte auf der Karte den Begriff „Folkstone downs“
gesehen. So etwas können sich auch nur die Briten einfallen lassen. Die „downs“
waren sehr hügelig! Stephen hatte für uns Zimmer im The Crown Inn in
Chiddingfold gebucht. Nach der Ankunft wollten wir uns telefonisch melden.
„Du fährst ungewohnt gelassen, Schatz.“ Ellen hatte Recht.
Die leicht hügelige Landschaft war ein Traumanblick. Die sehr disziplinierte
Fahrweise der anderen Autofahrer war ein Genuss. Ich war total entspannt.
Das Hotel gefiel uns auf Anhieb. Wir bezogen unser
Zimmer. Beim Einräumen unserer Sachen sah ich viele Wolldecken im
Kleiderschrank. „Die werden doch nicht etwa noch andere Gäste hier
unterbringen.“ Der Zweck dieser Decken zeigte sich nachts. Es war Anfang März
und die Hotelheizung wurde um 23:00 Uhr zentral abgestellt. Durch die
malerischen, bleiverglasten Fenster strömte eiskalte Luft ins Zimmer. Sechs
Wolldecken wurden nach und nach zur Verhinderung eines Kältetodes gebraucht.
Die altmodische Teemaschine auf meinem Nachtisch war mir schon bei der Ankunft
aufgefallen. Kurz vor dem Erfrieren schmiss ich das Monstrum an. Es zischte und
dampfte gewaltig. Die beiden Teebecher wärmten herrlich die abgestorbenen
Finger!
Das zweite Problem für einen notorischen Frühaufsteher:
Das Badezimmer war ein wahrer Eisschrank. So lagen wir unter unserem Deckenberg
und warteten auf den Start der Heizung. Um 7:00 Uhr knackten die altertümlichen
Heizungsrohre und wir waren gerettet.
Als wir beim Frühstück gefragt wurden, ob wir Nieren
oder lieber eine geräucherte Makrele wünschten, wurde unser Ausflug zur
Abenteuerreise.
Erkenntnis: Andere
Länder, andere Sitten
Wir feierten unser Wiedersehen im Pub des Swan Inn.
Ellen und Jane verabredeten sich zu einem Reitausflug und ich wurde von
Stephen zu einem Kricket-Event im Fernsehen eingeladen. Kricket? Warum war er
nur so aufgeregt? Der TV-Tag war eines der denkwürdigen Erlebnisse meines
Lebens. Nach dem die Damen sich verabschiedet hatten, stellte Stephen den
Fernseher an. Mengen an Knabberzeug wurden in das Wohnzimmer gebracht, Tee
aufgesetzt und im Fernsehen wurden von den Moderatoren endlose Kommentare
über das bald startende Spiel gehalten.
Stephen hatte mich anscheinend vergessen und saß
inmitten der gesalzenen Köstlichkeiten auf dem Fußboden. Als dann die ersten
Spielszenen begannen, versuchte er mir die Regeln zu erklären.
Nach zwei Stunden konnte ich kaum noch sitzen. „Wie
lange dauert so ein Spiel eigentlich? „Das kann bis heute Abend dauern!“
Hilfe!!!
Der qualvolle Tag wurde durch eine Einladung unserer
Freunde zum Abendessen im Swan Inn etwas aufgewertet. Hoffentlich gab es dort
kein blutiges Roastbeef!
Er merkte nicht einmal, wenn ich vor die Haustür ging,
um eine Zigarettenpause zu machen.
Gegen Mittag kamen die Ladys zurück und Jane
verschwand in der Küche, um Mittagessen vorzubereiten. Ich nutzte die
Gelegenheit, um draußen mit Ellen über den Reitausflug zu sprechen. „Es war
herrlich, morgen wollen wir einen mehrstündigen Reitausflug machen, willst Du
mit?“ Durch das Rumsitzen während des äußerst langweiligen Kricketspiels hatte
ich das Gefühl, mein Hinterteil wäre abgestorben und ich lehnte das Angebot
dankend ab.
Das Mittagsmahl werde ich nie vergessen. Es gab
blutiges Roastbeef mit Pfefferminzsoße, knallgrüne Erbsen und schneeweißen
Kartoffeln. Die Erbsen waren wahrscheinlich nur Sekunden im heißen Wasser
gewesen und kaum mit der Gabel zu bändigen.
„Jane ist eine fantastische Köchin, nicht wahr?“ Mir
gelang es, begeistert zu nicken.
Erkenntnis: Gäste sind
immer höflich
Im Keller war ein kleines Restaurant mit nur vier Tischen.
Es gab keine Speisekarten. Der Koch und Eigentümer bot eine Auswahl von
köstlich klingenden Speisen an. Sie klangen nicht nur verlockend, sondern waren
es. Später erfuhren wir, dass der Koch zwanzig Jahre in Paris gearbeitet hatte,
und nun den Ruf der Küche in seiner Heimat korrigieren wollte. Es war ihm
gelungen.
Meine kleine Welt war nun wieder in Ordnung. Wir
gingen rauf in den Pub, holten uns Getränke und unterhielten uns prächtig.
Nach einigen Pints fing ich an zu schwärmen: „Es ist so traumhaft, ich könnte
mir vorstellen, ein Haus zu kaufen und den Rest meines Lebens hier zu
verbringen.“ Diese Bemerkung sorgte für eine Sympathiewelle im Pub. Die
Konsequenz zeigte sich am nächsten Tag.
Das
Traumhaus
Am nächsten Morgen erschien ein gut gekleideter Makler
kurz nach dem Frühstück im Hotel. „Mister Lawrence hat mir von Ihrer Absicht
ein Haus zu kaufen erzählt. Ich glaube, ich habe das passende Anwesen für
Sie.“ Wir schauten uns entgeistert an. Drehen die hier eine Folge von „Vorsicht
Kamera?“
Er ließ sich nicht beirren und lud uns zu einer Besichtigung
ein. Die Fahrt ging durch die malerische Landschaft und endete vor einer
imposanten Einfahrt. „Ihr künftiges Heim, willkommen!“
Nicht nur die Einfahrt war imposant. Nach einer
minutenlangen Fahrt über knirschenden Kies lag ein Traum von Herrenhaus vor
uns.
Der Makler führte uns durch die prachtvollen Räume.
So etwas hatte ich bisher nur in Filmen gesehen. „Wie komme ich nur aus dieser
Situation heraus?“ In einem der zahllosen Wohnräume sah man in der Ferne
mehrere Gebäude. „Was sind das für Häuser dort?“ „Das Gästehaus und die Ställe.
Ich hörte, Ihre Gattin reitet gerne.“
Ich suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit diese
Besichtigungstour ohne Gesichtsverlust zu beenden. Vielleicht über den Preis?
„Was kostet das Anwesen?“ „Oh, es ist sehr günstig. Der Eigentümer will zurück
nach London. Für 2,3 Millionen Pfund können Sie hier sofort einziehen.
Wunderbar, nicht wahr?“
Nun half nur die Flucht. 2,3 Millionen! Der Wechselkurs
lag bei 3,12. „Hat Mr. Lawrence Ihnen von der kleinen Besonderheit dieses
Hauses erzählt?“ Was nun noch?
„Der Eigentümer hat einen der ersten Rolls-Royce und
besteht im Kaufvertrag darauf, dass der Wagen nicht verkauft werden darf“
Nun hatte ich ihn. „Darauf kann ich mich nicht einlassen.
Autos interessieren mich nicht.“
Er lieferte uns ziemlich wortkarg im Hotel ab. Ich
rief sofort Stephen an. „Was sollte das denn? Er lachte: „Da hattet Ihr doch
eine kostenlose Gelegenheit dieses Prachthaus zu besichtigen. Ich wollte dem
arroganten Makler mal eine Falle stellen“
Ich hörte von einem Golfguru in der Nähe. Unterrichtsstunden
mussten unbedingt gebucht werden. Urlaub sollte man nutzen, oder?
Auf ging es nach Shillinglee. Schon die Frage nach
Unterrichtsstunden endete mit einer Enttäuschung: Der „Meister“ akzeptiere nur
Golfer mit Handicap bis 10. Ich ging gekränkt auf die Driving Range und schlug
mir den Frust vom Leibe. Nachdem ich mit ausgetobt hatte, ging ich in die Bar.
Der Kummer musste ersäuft werden. Ein älterer Herr setzte sich auf den
Barhocker neben mich. „Habe Sie hier noch nie gesehen. Neues Mitglied?“ Ich
erzählte ihm von meinem Wunsch bei dem Guru einige Stunden zu nehmen und der
Ablehnung. Er lächelte: „Morgen um neun Uhr, wenn es passt.“ Ich hatte zuvor
nur Fotos von ihm gesehen. Das war ER.
Ich konnte mein Glück kaum fassen. „Darf ich Freunde
mitbringen? „Natürlich.“
Um acht Uhr am nächsten Tag tummelten wir uns schon
auf der Driving Range. Wir wollten uns ja beim Golfguru nicht blamieren Stephen
hatte seinen Schwiegervater mitgebracht. Punkt neun Uhr kam der große Meister,
begrüßte uns und sagte zum Schwiegervater: „Gehe bitte 170 Schritte Richtung
Waldrand.“ Wir schauten uns verdutzt an. „Nun spielt John den Ball vor die
Füße. Ich möchte mal anschauen, wie weit Ihr seid“ Konzentration war gefordert.
Ich schaffte es den Ball drei Meter vor John zu platzieren und spürte ein
unbeschreibliches Glücksgefühl.
„Wir müssen das Adressieren des Balls und den Griff
verbessern. Den Rest der Stunde folgten wir seinen Anweisungen. Er schien
zufrieden und wollte sich verabschieden. „Wann sehen wir uns wieder? Ich möchte
gerne die Tage hier nutzen.“ Er lachte: „Komm nächstes Jahr wieder und denke
beim Spiel an das heute gelernte. Es ist die Grundlage für ein gutes Golfspiel.“
So eine Enttäuschung! Später begriff ich, wie Recht er hatte.
Ein Ausflug nach Belgien
Als wir beim Frühstück gefragt wurden, ob wir Nieren
oder lieber eine geräucherte Makrele wünschten, wurde unser Ausflug zur
Abenteuerreise.
Erkenntnis: Andere
Länder, andere Sitten
Wir feierten unser Wiedersehen im Pub des Swan Inn.
Ellen und Jane verabredeten sich zu einem Reitausflug und ich wurde von
Stephen zu einem Kricket-Event im Fernsehen eingeladen. Kricket? Warum war er
nur so aufgeregt? Der TV-Tag war eines der denkwürdigen Erlebnisse meines
Lebens. Nach dem die Damen sich verabschiedet hatten, stellte Stephen den
Fernseher an. Mengen an Knabberzeug wurden in das Wohnzimmer gebracht, Tee
aufgesetzt und im Fernsehen wurden von den Moderatoren endlose Kommentare
über das bald startende Spiel gehalten.
Stephen hatte mich anscheinend vergessen und saß
inmitten der gesalzenen Köstlichkeiten auf dem Fußboden. Als dann die ersten
Spielszenen begannen, versuchte er mir die Regeln zu erklären.
Nach zwei Stunden konnte ich kaum noch sitzen. „Wie
lange dauert so ein Spiel eigentlich? „Das kann bis heute Abend dauern!“
Hilfe!!!
Der qualvolle Tag wurde durch eine Einladung unserer
Freunde zum Abendessen im Swan Inn etwas aufgewertet. Hoffentlich gab es dort
kein blutiges Roastbeef!
Er merkte nicht einmal, wenn ich vor die Haustür ging,
um eine Zigarettenpause zu machen.
Gegen Mittag kamen die Ladys zurück und Jane
verschwand in der Küche, um Mittagessen vorzubereiten. Ich nutzte die
Gelegenheit, um draußen mit Ellen über den Reitausflug zu sprechen. „Es war
herrlich, morgen wollen wir einen mehrstündigen Reitausflug machen, willst Du
mit?“ Durch das Rumsitzen während des äußerst langweiligen Kricketspiels hatte
ich das Gefühl, mein Hinterteil wäre abgestorben und ich lehnte das Angebot
dankend ab.
Das Mittagsmahl werde ich nie vergessen. Es gab
blutiges Roastbeef mit Pfefferminzsoße, knallgrüne Erbsen und schneeweißen
Kartoffeln. Die Erbsen waren wahrscheinlich nur Sekunden im heißen Wasser
gewesen und kaum mit der Gabel zu bändigen.
„Jane ist eine fantastische Köchin, nicht wahr?“ Mir
gelang es, begeistert zu nicken.
Erkenntnis: Gäste sind
immer höflich
Im Keller war ein kleines Restaurant mit nur vier Tischen.
Es gab keine Speisekarten. Der Koch und Eigentümer bot eine Auswahl von
köstlich klingenden Speisen an. Sie klangen nicht nur verlockend, sondern waren
es. Später erfuhren wir, dass der Koch zwanzig Jahre in Paris gearbeitet hatte,
und nun den Ruf der Küche in seiner Heimat korrigieren wollte. Es war ihm
gelungen.
Meine kleine Welt war nun wieder in Ordnung. Wir
gingen rauf in den Pub, holten uns Getränke und unterhielten uns prächtig.
Nach einigen Pints fing ich an zu schwärmen: „Es ist so traumhaft, ich könnte
mir vorstellen, ein Haus zu kaufen und den Rest meines Lebens hier zu
verbringen.“ Diese Bemerkung sorgte für eine Sympathiewelle im Pub. Die
Konsequenz zeigte sich am nächsten Tag.
Das Traumhaus
Am nächsten Morgen erschien ein gut gekleideter Makler
kurz nach dem Frühstück im Hotel. „Mister Lawrence hat mir von Ihrer Absicht
ein Haus zu kaufen erzählt. Ich glaube, ich habe das passende Anwesen für
Sie.“ Wir schauten uns entgeistert an. Drehen die hier eine Folge von „Vorsicht
Kamera?“
Er ließ sich nicht beirren und lud uns zu einer Besichtigung
ein. Die Fahrt ging durch die malerische Landschaft und endete vor einer
imposanten Einfahrt. „Ihr künftiges Heim, willkommen!“
Nicht nur die Einfahrt war imposant. Nach einer
minutenlangen Fahrt über knirschenden Kies lag ein Traum von Herrenhaus vor
uns.
Der Makler führte uns durch die prachtvollen Räume.
So etwas hatte ich bisher nur in Filmen gesehen. „Wie komme ich nur aus dieser
Situation heraus?“ In einem der zahllosen Wohnräume sah man in der Ferne
mehrere Gebäude. „Was sind das für Häuser dort?“ „Das Gästehaus und die Ställe.
Ich hörte, Ihre Gattin reitet gerne.“
Ich suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit diese
Besichtigungstour ohne Gesichtsverlust zu beenden. Vielleicht über den Preis?
„Was kostet das Anwesen?“ „Oh, es ist sehr günstig. Der Eigentümer will zurück
nach London. Für 2,3 Millionen Pfund können Sie hier sofort einziehen.
Wunderbar, nicht wahr?“
Nun half nur die Flucht. 2,3 Millionen! Der Wechselkurs
lag bei 3,12. „Hat Mr. Lawrence Ihnen von der kleinen Besonderheit dieses
Hauses erzählt?“ Was nun noch?
„Der Eigentümer hat einen der ersten Rolls-Royce und
besteht im Kaufvertrag darauf, dass der Wagen nicht verkauft werden darf“
Nun hatte ich ihn. „Darauf kann ich mich nicht einlassen.
Autos interessieren mich nicht.“
Er lieferte uns ziemlich wortkarg im Hotel ab. Ich
rief sofort Stephen an. „Was sollte das denn? Er lachte: „Da hattet Ihr doch
eine kostenlose Gelegenheit dieses Prachthaus zu besichtigen. Ich wollte dem
arroganten Makler mal eine Falle stellen“
Ich hörte von einem Golfguru in der Nähe. Unterrichtsstunden
mussten unbedingt gebucht werden. Urlaub sollte man nutzen, oder?
Auf ging es nach Shillinglee. Schon die Frage nach
Unterrichtsstunden endete mit einer Enttäuschung: Der „Meister“ akzeptiere nur
Golfer mit Handicap bis 10. Ich ging gekränkt auf die Driving Range und schlug
mir den Frust vom Leibe. Nachdem ich mit ausgetobt hatte, ging ich in die Bar.
Der Kummer musste ersäuft werden. Ein älterer Herr setzte sich auf den
Barhocker neben mich. „Habe Sie hier noch nie gesehen. Neues Mitglied?“ Ich
erzählte ihm von meinem Wunsch bei dem Guru einige Stunden zu nehmen und der
Ablehnung. Er lächelte: „Morgen um neun Uhr, wenn es passt.“ Ich hatte zuvor
nur Fotos von ihm gesehen. Das war ER.
Ich konnte mein Glück kaum fassen. „Darf ich Freunde
mitbringen? „Natürlich.“
Um acht Uhr am nächsten Tag tummelten wir uns schon
auf der Driving Range. Wir wollten uns ja beim Golfguru nicht blamieren Stephen
hatte seinen Schwiegervater mitgebracht. Punkt neun Uhr kam der große Meister,
begrüßte uns und sagte zum Schwiegervater: „Gehe bitte 170 Schritte Richtung
Waldrand.“ Wir schauten uns verdutzt an. „Nun spielt John den Ball vor die
Füße. Ich möchte mal anschauen, wie weit Ihr seid“ Konzentration war gefordert.
Ich schaffte es den Ball drei Meter vor John zu platzieren und spürte ein
unbeschreibliches Glücksgefühl.
„Wir müssen das Adressieren des Balls und den Griff
verbessern. Den Rest der Stunde folgten wir seinen Anweisungen. Er schien
zufrieden und wollte sich verabschieden. „Wann sehen wir uns wieder? Ich möchte
gerne die Tage hier nutzen.“ Er lachte: „Komm nächstes Jahr wieder und denke
beim Spiel an das heute gelernte. Es ist die Grundlage für ein gutes Golfspiel.“
So eine Enttäuschung! Später begriff ich, wie Recht er hatte.
1977 war Ellen zu Dreharbeiten nach Belgien gefahren. Eberhard Fechner drehte den Film Winterspelt 1944. Ich hatte einige freie Tage und beschloss Ellen ohne Vorankündigung zu besuchen. Die Haushälterin unseres Vermieters übernahm die Betreuung unseres Haustigers Böbby.
Gegen 5:00 Uhr startete ich die Reise. Die Autobahnen
waren leer und ich konnte das Potenzial des Targas ausnutzen. Abgesehen von
einigen Baustellen und Geschwindigkeitsbegrenzungen zeigte der Tacho Werte
zwischen 200-240 Stundenkilometer. Mein Ziel war Manderfeld in Belgien. Dort
hatte die Filmcrew ihr Hauptquartier aufgeschlagen.
Gegen zehn Uhr parkte ich den Wagen vor der Hostellerie
Thornbach. Die Überraschung war gelungen. Mein holdes Weib freute sich sehr,
war aber gerade bei wichtigen Arbeiten. „Geh doch frühstücken. Das Restaurant
hat noch bis 11:00 Uhr geöffnet. Ich komme später nach.“
Frühstück klang gut. Ich suchte mir ein Fensterplatz
und bestellte ein üppiges Mahl. „Hallo, ist hier noch ein Platz frei?“ Ein
großer Amerikaner stand lächelnd am Tisch. „Mein Name ist Hal Galili. Muss erst
später zum Drehort. Habe Sie hier noch nicht gesehen. Auch beim Film?“ Ich erzählte
ihm von meinem Überraschungsbesuch bei Ellen.
„Ellen ist ein Schatz.“ Er setzte sich und bestellte
Rühreier, Schinken, Marmelade, Wurst, Käse und eine Kanne Kaffee. Kein Wunder,
dass er so wohlbeleibt war. Als seine Bestellung gebracht wurde, fing er an
seine Tischseite in ein Chaos zu verwandeln. Kaffeeflecken, Krümel,
Marmeladeinseln! Ich traute meinen Augen nicht. Das Gelage wurde mit
Grunzlauten, Schmatzen und einer Art lustvollem Stöhnen begleitet. Ein wahrer
Schweinestall! Der Ober stand mit eisigem Gesicht in einer Ecke und schaute dem
Treiben zu.
Als das "Krümelmonster“ fertig war, lehnte er sich
zurück und meinte: „Es geht nichts über ein gutes Frühstück, oder?“
„Ich bin Ensemblemitglied bei der Royal Shakespeare
Company in London.“ Dieses Urvieh und Shakespeare? Überrascht musste ich
feststellen, dass seine Stimme sich total änderte. Fasziniert lauschte ich den
Versen. Ich hatte Shakespeare im Originaltext gelesen und erlebte nun einen
wunderbaren Vortrag.
„Oh, Ihr habt Euch schon kennengelernt“. Ellen kam in den Frühstücksraum. „Ich zeige
Dir kurz unser Hotelzimmer. Wir haben einen Nachtdreh und ich muss noch viel
vorbereiten.
Nachtdreh? Das würde bestimmt interessant sein. „Kann
ich mitkommen? „Natürlich“
Wir verabschiedeten uns von Hal, und ich beschloss,
den vernachlässigten Schlaf nachzuholen. Es würde sicherlich eine lange Nacht
werden.
Gegen zwanzig Uhr weckte mich Ellen: „Wir fahren
gleich los, nimmst Du mich mit?“ „Ich brauche erst einen Kaffee.“ „Es ist nicht
weit und der Marketenderwagen hat alles was das Herz begehrt. Auf geht’s
Schlafmütze!“
Ich folgte der Wagenkolonne. Auf einer Waldlichtung
herrschte bereits hektisches Treiben. Schienen für die Kamera wurden verlegt,
ein Armeezelt aufgebaut und vieles mehr. Ich suchte den Marketenderwagen.
Endlich Kaffee!
Ellen kam vorbei und brachte mir eine Kopie des
Drehbuchs und den sogenannten Call-Sheet (Tagesplan). Ich suchte die
Einstellungen für die Nachtaufnahmen. Klang ziemlich simpel: Zwei US-Offiziere
verlassen das Zelt. Sie unterhalten sich angeregt und gehen Richtung Waldrand.
Dort zeigen sie Richtung Norden und gehen zurück. Dafür der ganze Aufwand?
Würde sicherlich nicht lange dauern!
Irrtum: die Szene wurde zwei Stunden geprobt.
Scheinwerfer wurden neu ausgerichtet. Die Schienen für den Kamerawagen einen
halben Meter versetzt und die Maskenbildner voll beschäftigt.
Nun sollte es losgehen. Gestärkt durch inzwischen drei
Becher Kaffee wartete ich gespannt.
Der Aufnahmeleiter rief „Action“ , die „US-Offiziere“
verließen das Zelt, gingen einige Schritte und aus der Ferne ertönte das
Gebimmel von Kirchenglocken. Sofortiger Abbruch der Aufnahme. „Warum das?, fragte
ich. „Wir drehen mit Originalton.“ Haha!
Nach zwei weiteren Stunden hatte ich die Nase voll.
Die Füße waren wahre Eisklumpen. „Ich fahre zurück in das Hotel.“ Ellen hatte
eine bessere Idee: „Kurz vor dem Hotel ist eine Kneipe „Bei Marianne.“ Dort
treffen sich immer alle, die drehfrei haben. Ich komme nach“
Beim Wagen angekommen erlebte ich die nächste Überraschung.
„Bitte nicht anlassen, wir drehen gerade.“ Das hatte mir gerade noch gefehlt.
„Wie lange dauert es denn noch.“ „Unbestimmt.“ Aus dem Dunkeln erschienen vier
Crewmitglieder und schoben meinen Wagen ca. 500 Meter durch den Wald. Ein
kurzes Klopfen auf das Wagendach: „Gute Fahrt, wir sind weit genug weg“
Erkenntnis: Die
spinnen, die Kreativen
Schnell fand ich die genannte Kneipe. Der Laden war
voll. „Setz Dich, auch einen Zaubertrank?, wie läuft es beim Dreh?“ Die Stimme
kannte ich doch: Rudi, der Chefgarderobier.“ Rudi hatte bereits mehrere Filme
mit Ellen zusammengearbeitet. „Hi, alter Knabe, was ist der Zaubertrank?“ „Ein
großer Becher mit Schokolade und Grand Marnier. Mischungsverhältnis 1:1.“ Der
Name passte! Herrlich!
Am Tisch saß Katharina Thalbach . Sie war hinter ihrem
großen Becher kaum zu erkennen. Nur ihre unvergleichliche Stimme hatte sie
identifiziert. Gebannt lauschte ich den Geschichten aus ihrer Theaterzeit.
Die Stimmung in der verräucherten Kneipe war einzigartig.
Irgendwann erschienen auch die „Nachtarbeiter.“ Sofort wurden weitere
Zauberbecher vorbereitet. „Wie ist es gelaufen? „Alles im Kasten.“ Die Nachzügler
waren fast erfroren und leerten ihre Becher.
„Hast Du schon die Geschichte mit Henning Schlüter
gehört?“ Ich kannte den massigen Schauspieler zwar aus mehreren Filmen, aber
Geschichten über ihn nicht. „Also Henning ist sehr sparsam. Er ging in den
kleinen Dorfladen und kaufte Brot, Wurst, Butter usw.
Zurück im Hotel leerte er die Minibar und verstaute
seine Einkäufe. Das Zimmermädchen stellte den ursprünglichen Zustand am
nächsten Tag wieder her. Es wurde zum Ritual: Essen raus, Flaschen rein und
vice versa.“
„Unser Henning ist schon ein Unikum. Er hatte sich
auch Waschpulver besorgt und wusch seine Wäsche selbst. Als der Hotelier am
nächsten Morgen die flatternden, langen Unterhosen auf dem Balkon sah, wurde
der Mime umgebettet. Ein ehemaliges Personalzimmer auf der Rückseite des
Hotels (mit Kühlschrank) war die Lösung.“
Ich hätte stundenlang diesen Geschichten zuhören
können, aber die Zaubertränke forderten ihren Tribut.
Drei
Jäger und der Zoll
Auch der nächste Tag war für nächtliche Dreharbeiten
eingeplant. Wir saßen gerade beim Mittagessen, als der Produktionsleiter in das
Restaurant kam. „Ellen, wir haben ein Problem, Frederic Jaeger (ein britischer
Schauspieler mit deutschen Wurzeln) ist heiser. Er muss unbedingt heute am Set
sein. Versuch doch einen Arzt aufzutreiben.“
Wenige Minuten später kam Ellen zurück. „Es gibt keine
HNO-Ärzte in der Gegend. Am besten wäre die Uniklinik in Aachen. Ich habe mit
der Klinik gesprochen, Sie würden sofort behandeln.“
„Das sind doch mindestens 100 KM. Hin- und Rückfahrt
plus Behandlung sind zeitaufwendig. Wir brauchen Frederic bis spätestens 22:00
Uhr.“
Das war mein Signal. Der große Problemlöser mit dem
schnellen Auto musste eingreifen. „Ich kann ihn fahren!“ ,
Erkenntnis: Der Retter in der Not gewinnt Ansehen. Oder?
Der heisere Mime und Ellen (einer musste ja die finanziellen
Dinge in die Hand nehmen) enterten den Wagen. Los ging es. Ellen hatte den
Autoatlas und gab die Richtung vor. Das Problem war: sie verwechselte häufig
links und rechts. Diese Schwäche kannte ich schon von anderen Touren und konnte
instinktiv korrigieren. Als wir an der deutschen Grenze ankamen, wurden wir von
Grenzschutzbeamten mit Maschinenpistolen „umzingelt.“ „Die Wagenpapiere und
Ausweise!“ Ich hatte vergessen, dass man vermutete, die RAF-Leute hätten ihr
Entführungsopfer Schleier in Belgien versteckt.
Wir waren den Beamten sehr suspekt. Ein deutsches
Ehepaar und ein Brite mit demselben Namen. Wir mussten den Wagen verlassen.
Telefonate wurden geführt. Die Klinik in Aachen bestätigte den Termin mit dem
Schauspieler. Unsere Identität wurde durch einen Rückruf des Produktionsleiters
bestätigt.
In der Klinik wurde die Heiserkeit weggezaubert.
Erkenntnis: Wunder
gibt es immer wieder
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