Präsentationen und sich verkaufen
Es war die hohe Zeit der sogenannten Mainframes. Wir
waren stets mit den modernsten Modellen ausgestattet. Zur Vorbereitung einer
Kundenführung ließ ich mir von einem Techniker zeigen, wie man die Gehäusetüren
des neuen Großrechners öffnen kann. Es ist bei Präsentationen immer wichtig,
den Kunden direkt anzusehen.
Ich übte also den Griff zur Tür! Als der große Augenblick
kam, sah ich nur lachende Gesichter. Ich hatte verkündet: "Nun werfen wir
einmal einen Blick ins Innere", und gekonnt die Gehäusetür geöffnet. Im
Gestell hing eine Anzugjacke auf einem Bügel und eine Kiste Coca-Cola wartete
auf den Verzehr.
Erkenntnis:
Vorher nachschauen lohnt sich manchmal!
Ein besonderes Präsentationserlebnis war eine Reihe
von Workshops in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ich hatte ein Buch
über Systems Management geschrieben und wurde von einem Veranstalter aus
München gebeten, eine 5-tägige Tour durch die o. a. Länder zu unternehmen.
Zusammen mit einem Moderator hielten wir eintägige Seminare. München,
Stuttgart, Wien, Zürich und Bern waren die Veranstaltungsorte.
In München lief die Veranstaltung ohne besondere
Vorkommnisse ab. Ich hatte nur Schwierigkeiten bei einigen Fragen der
Teilnehmer. Hatten die eigentlich kein Deutsch in der Schule?
Besonders Zürich wird mir immer in Erinnerung bleiben.
Ich hatte ein bestimmtes Ritual: suche Dir in der ersten Reihe jemanden aus und
versuche die Reaktion auf deine Worte zu interpretieren. Nach der Einleitung
durch den Moderator fand ich ein "Opfer". Ein schmächtiger
IT-Direktor einer großen Schweizer Bank. Nadelstreifen und gelangweilter Blick!
Ich begann mit meinem Programm und wurde ziemlich
nervös. Der Typ saß, ohne eine Miene zu verziehen auf seinem Platz. Ich
versuchte alles aus der Trickkiste für Präsentationen: lauter Reden, leiser Reden,
Anekdoten zur Lockerung. Keine Wirkung.
In der Mittagspause unterhielten sich die Teilnehmer
in der gutturalen Stammessprache und bis auf ein "schmeckt es Ihnen“ war ich
ziemlich isoliert. Das deutete auf einen qualvollen Nachmittag hin.
Ich forderte die Teilnehmer auf, bei Fragen jederzeit
zu unterbrechen. Überrascht sah ich die Hand des IT-Direktors hochschnellen
(nicht direkt rasant, sondern mit Schweizer Schnelligkeit). "Würde es
Ihnen etwas ausmachen, wenn wir unsere Fragen in Schwyzerdütsch stellen?“
"Wenn ich auf Plattdeutsch antworten kann, gerne“ rettete den Nachmittag.
Nach dem Abschluss wurde ich von den Teilnehmern in
ein Restaurant eingeladen. Ich musste meinen Rückflug nach Hamburg stornieren.
Es war ein toller Abend. Ich hatte noch jahrelang Kontakt mit einigen
Teilnehmern.
Erkenntnis:
Schlagfertigkeit kann gelegentlich die Rettung sein und fördert die orale
Wertschöpfung!
Eine andere Veranstaltung in Glückstadt wurde auch ein
Erfolgserlebnis. Ich sollte vor einer Reihe von Managern über
Managementmethoden und Führungstechniken sprechen. Bei der Ankunft teilte man
mir mit, das es eine kleine Ablaufänderung geben würde. Ich sollte nicht wie
geplant um 10 Uhr starten, sondern nach dem Mittagsessen. Ausgerechnet nach dem
Mittagsessen. Alle sind dann satt und müde. Schöne Aussichten!
Wie erwartet saßen die Herren und Damen gelangweilt
herum und ich hörte, dass sie sich, während ich vorgestellt wurde,
unterhielten. "Der neue Vorstand war doch.., ich habe gehört ihr ... usw.“
Das konnte ja eine qualvolle Stunde werden!
Kurz entschlossen änderte ich meinen Vortrag. Ich
begann, die Teilnehmer mit frechen Thesen zu bombardieren. „Ich habe absolut
kein Verhältnis zu den eigenen Prioritäten, verschwende viel Zeit mit
überflüssigen Meetings, höre nicht auf meine Mitarbeiter, halte eigene Ziele
nicht ein. Ich bin ein typisches Beispiel für uns alle".
Ein Ruck ging durch die Reihen und ich sah in empörte,
protestierende Gesichter. Ich lies mich selbst von dem gefrorenen Gesicht des
anwesenden Veranstalters nicht bremsen. Nun schnell umschalten. „WIR müssen an
uns arbeiten und ich habe einige Ideen und Vorschläge". Das "wir“ kam
an und es wurde eine lebhafte Session. Sie begleiteten mich bis zum Parkplatz
und trotz Aufforderung des verzweifelten Veranstalters: "Meine Damen und
Herren, es geht weiter im Programm“ diskutierten wir draußen noch dreißig
Minuten.
Es wurden Visitenkarten ausgetauscht und ich gewann
neue Kunden.
Erkenntnis: Man sollte sich öfter auf sein
Baugefühl verlassen.
Das kam mir recht Chinesisch vor
Eine weitere Präsentation erweiterte meinen Erfahrungsschatz.
Der Vorstand eines Back-up-Unternehmens bat mich, einen Vortrag über
Back-up-Anforderungen vor einer chinesischen Delegation zu halten. Dauer eine
Stunde und natürlich auf Englisch. Ich sagte zu und erstellte die benötigten
Folien.
Am vereinbarten Termin wurde ich der fernöstlichen
Delegation vorgestellt. Der Chef war Minister und leicht von den anderen
Teilnehmern zu unterscheiden. Er war größer und fülliger! Begleitet wurde er
von fünf schmächtigen Assistenten mit großen Schreibblöcken und einer
zierlichen Dolmetscherin.
Hier begannen die Schwierigkeiten. Ich legte die erste
Folie mit den Punkten der Präsentation auf und nach den einleitenden Worten
begann die Dolmetscherin gefühlte fünf Minuten den Inhalt der Folie zu übersetzen,
und die Assistenten eifrig mitzuschreiben. Mein ganzer Zeitplan kam ins Wanken.
Nach dreißig Minuten waren wir bei Folie 3 und ich
fing an zu schwitzen. Es gab Handlungsbedarf, also bat ich um eine kurze Pause.
Der Minister kam auf mich zu und bot mir eine chinesische Zigarette an. Nach
einem heftigen Hustenanfall sagte ich: "Es ist recht problematisch, in
einer dritten Sprache miteinander zu kommunizieren. Leider beherrsche ich Ihre
schöne Sprache nicht.“
"No Problem", kam als Antwort.
Der Mann sprach fließend Englisch und seine Assistenten
ebenso.
Als der Gastgeber erschien und den Minister an das
geplante Abendessen erinnerte, sagte der: „Wir bleiben lieber hier und machen
weiter.“
Wir überzogen die geplante Zeit erheblich, und ich
erhielt eine Einladung nach Peking, der ich leider nicht folgte.
Erlebnisse auf Fahrten zum Arbeitsplatz und zurück
Als ich an einem Wintermorgen die Schneeberge vor dem
Haus sah, entschloss ich lieber, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Seit
sechs Wochen war ich Nichtraucher und daher wurde nur kurz gefrühstückt.
Irgendwas fehlte!
Ich ging durch den knirschenden Schnee den kurzen Weg
zur U-Bahn Volksdorf. Es war verdammt kalt. Vor dem U-Bahn-Gebäude war die
Bushaltestelle Richtung Langenhorn. Büroschuhe waren nicht gerade ideal bei
dem Sauwetter. Um mich warmzuhalten, trippelte ich auf der Stelle. Wo bleibt
der Bus? Mein Blick fiel auf einen Zigarettenautomaten an der Wand. NEIN!!!
Zehn Minuten später war der Bus noch nicht da. Halb
erfroren sagte eine innere Stimme: „Wenn er in fünf Minuten nicht kommt, kaufe
eine Packung Zigaretten.“
Ich suchte mit klammen Fingern nach passendem
Kleingeld und bewegte mich Richtung Automat. Da erschien der Bus. Ich stieg
ein, legte das Geld hin und sagte: „eine Marlboro bitte.“
Der Fahrer hat bis zum Fahrziel gelacht!
Erkenntnis: Der innere Schweinehund ist schwer zu besiegen
Bei einer anderen Busfahrt hatte ich eine ungünstige
Zeit gewählt. Alles voller lauter Schüler. Auf der hintersten Bank fand ich
noch Platz. Neben mir saß ein Afrikaner und las in einem Buch. Ein Blick auf
den Buchdeckel: „Johann Gottfried Herders Ideen zur Philosophie der Geschichte
der Menschheit“
Verlegen packte
ich meine Bildzeitung wieder ein.
Es gab auch Urlaub zwischendurch
Wenn wir es einmal schafften, einen gemeinsamen
Urlaubstermin abzustimmen erfolgte umgehend die Auswahl der Ziele.
Freunde aus Bremen erzählten, sie würden mit dem Auto
nach Cadaqués in Spanien fahren. Wir entschlossen uns spontan, mitzufahren.
Die Wagen wurden beladen und wir starteten die Tour. Von Bremen steuerten wir
unser erstes Etappenziel an. Claude kannte dort einen Weinbauern in Riquewihr
und wusste, dass dort Gästezimmer vermietet würden.
Wir hatten Glück, die Zimmer waren frei. Nach einräumen
unserer Siebensachen trafen wir uns im Hof des Weingutes. Unsere Damen wollten
mit Per in den Ort fahren. Claude und ich nahmen lieber das Angebot zu einer
Weinprobe an. Lange Gesichter unserer Liebsten konnten uns nicht umstimmen.
Schließlich sagt man ja nicht umsonst: „in vino veritas!“
Wir folgten unserem Gastgeber in einen Weinkeller. Er
lag in einem 1,5 Kilometer langen Gang unter den Weinbergen. Kerzenlicht und
die kühle Temperatur sorgten für beste Voraussetzungen für die Probe. Herrliche
Tropfen wurden probiert. Nach zwei Stunden gingen wir wieder nach oben.
Geblendet vom grellen Sonnenlicht und den vielen Gläschen war es Zeit für einen
Nickerchen.
Abends fuhren wir in ein Restaurant im Ort. Immer noch
nicht ganz nüchtern ließ ich mich zu Weinbergschnecken überreden. Hätte ich
ohne die Weinprobe nie bestellt.
Erkenntnis: Was der
Bauer nicht kennt ….......
Weiter ging es Richtung Spanien. Kurz vor dem
Grenzübergang blinkte Claude kurz und fuhr in die Berge. Seltsamer Vogel, warum
hält er nicht und sagt, was los ist? Er hielt vor dem Eingang eines einsamen
Bauernhofs. Kaum ausgestiegen liefen mehrere Bewohner des Hauses auf ihn zu.
Küsschen links und Küsschen rechts. Ich verstand keines ihrer Worte, da ich
bei aller Sprachbegabung nie Französisch gelernt hatte.
Nach der lebhaften Begrüßung sagte Claude, wir würden
eine Mittagspause bei seinen Freunden machen. Ich habe selten so gut gegessen.
Nun waren es nur noch wenige Kilometer zu unserem
Ziel. Wir folgten dem Wegweiser nach Cadaqués und parkten im Zentrum.
Dorit, Claude und Per wollten zu einem Campingplatz
in der Nähe. Wir gingen zur Touristeninformation und buchten eine
Ferienwohnung. Wir verabredeten ein Treffen am Abend und bezogen unser neues
Domizil. Cadaqués gefiel uns auf den ersten Blick. Ein malerischer Ort. Nach
dem Einräumen unserer Sachen erkundeten wir die Gegend. Wo waren gute Restaurants,
wo konnte man einkaufen und wo gab es Schuhgeschäfte? Letzteres war für Ellen
immens wichtig!
Am Abend trafen wir uns mit Dorit, Claude und Per (dem
Sohn aus Dorits 1. Ehe) in einem Restaurant am Hafen. Wir hatten einen Tisch
draußen gewählt. Die herrliche Luft und der Blick auf die malerische Bucht
sorgten für die richtige Urlaubsstimmung. Als ich auf der Karte sah, es gäbe
Schnecken, dachte ich an meinen ersten Versuch im Elsass und bestellte eine große
Portion. Beim servieren verging mir jedoch der Appetit: Eine Salatschüssel
garniert mit Weinbergschnecken ohne Gehäuse! Großzügig schenkte ich die Portion
Claude. Franzosen essen alles, oder?
Plötzlich herrschte absolute Ruhe, alle Gäste schauten auf die gegenüberliegende Landzunge. Ein Ruderboot fuhr in die Bucht. Am Heck stand ein Mann gekleidet mit einem langen Umhang und einem Hirtenstab. Der Umhang war mit leuchtend roter Seide gefüttert. „Salvadore Dali kommt“ , hörte man flüstern. Am Nebentisch saß ein englisches Ehepaar, das öfter in Cadaqués Urlaub gemacht hatte. Der Mann erklärte die merkwürdige Prozedur. Dali wohnte hinter der Langzunge und lies sich gelegentlich von einem Fischer für einen Aperitif in die Bucht rudern.
Plötzlich herrschte absolute Ruhe, alle Gäste schauten auf die gegenüberliegende Landzunge. Ein Ruderboot fuhr in die Bucht. Am Heck stand ein Mann gekleidet mit einem langen Umhang und einem Hirtenstab. Der Umhang war mit leuchtend roter Seide gefüttert. „Salvadore Dali kommt“ , hörte man flüstern. Am Nebentisch saß ein englisches Ehepaar, das öfter in Cadaqués Urlaub gemacht hatte. Der Mann erklärte die merkwürdige Prozedur. Dali wohnte hinter der Langzunge und lies sich gelegentlich von einem Fischer für einen Aperitif in die Bucht rudern.
An der Mole angekommen, ging der Maler langsam
majestätisch in die nächste Bar, grüßte huldvoll die Gäste, zelebrierte seinen
Drink und bestieg das Ruderboot. Nie werde ich den Anblick des um die Landzunge
verschwindenden Bootes vergessen.
Der Engländer erzählte uns, dass es Dali zu verdanken
war, das Cadaqués so urtümlich erhalten war. Er drohte z. B. bei Planungen
neue Hotels zu bauen mit dem Wegzug.
Danke Savatore!
Als Frühaufsteher machte ich kurz nach Sonnenaufgang
einen Spaziergang. Ich wollte das Haus von Dali einmal ansehen. Der Anblick war
fantastisch. Auf dem Dach saß eine riesige weiße Henne und legte offensichtlich
ein Ei. Direkt unter der Henne stand ein Eierbecher. Dali, das verrückte Huhn!
Zwischen den Palmen hatte er ein Kamel platziert. Sein
Anwesen bestand aus mehreren alten Fischerhäusern. Ich schlenderte herunter
zur Mole und schaute auf das Meer. Plötzlich sagte eine Stimme: „Hallo, wo
kommen Sie her?“ Ich drehte mich um. Ein Mann in einer braunen Lederjacke
lächelte mich an. „Ich bin Urlauber und komme aus Deutschland“ , antwortete
ich. „Genießen Sie Ihren Urlaub“ , sprach es und ging zum Eingang der
Dali-Villa.
Da begegnet man einem begnadeten Künstler und erkennt
ihn nicht!
Erkenntnis: Manchmal war ich blind
Der schöne Urlaub ging zu Ende und wir machten uns auf
den Heimweg. Unsere Freunde wollten noch Besuche in Frankreich machen. Wir
fuhren über die Schweiz Richtung Heimat.
Kurz nach Stuttgart bat Ellen um eine Unterbrechung
der Fahrt. Sie war müde und hungrig. Ich verließ die Autobahn und sah im
nächsten Dorf einen Gasthof mit dem beleuchteten Hinweis: „Fremdenzimmer
frei.“
Ich fragte den Wirt nach einem freien Zimmer. Er
nickte, sah kurz zu seiner Frau. Ich sah, wie sie den Kopf schüttelte. Dieser
verschwitzte Kerl kam als Gast nicht infrage. „Dann schalten Sie den Hinweis
vor dem Eingang besser ab. Ich hätte nach dem ersten Eindruck ohnehin kein
Zimmer gemietet.“ Das tat gut!
Ellen war natürlich enttäuscht. Nach wenigen Kilometern
sah ich ein Hinweisschild: Schlosshotel X in 3 Kilometer. Ohne zu zögern,
folgte ich dem Richtungspfeil. Wir hielten vor einem imposanten Gebäude. An
der Rezeption wurde ich freundlich begrüßt. Ein Zimmer wäre frei und unser
Gepäck würde sofort nach oben geschafft.
Im Zimmer angekommen machten wir uns frisch, nahmen
die Speisekarte, suchten etwas Schmackhaftes aus und riefen den Zimmerservice.
„Warum besuchen Sie nicht unser Restaurant, dort ist die Auswahl größer?
Unseren Hinweis wir wären zu müde nach der langen Fahrt und hätte keine Lust
uns für einen Restaurantbesuch umzuziehen, wurde freundlich ignoriert. „Sie
sind Gast unseres Hauses und wir haben keine Kleiderordnung, ich reserviere
Ihnen einen Tisch“
Erkenntnis: Vermeide
Fremdenzimmer wenn möglich!
Der Rat war goldrichtig. Man hatte uns einen Tisch in
einer Nische reserviert. Die Müdigkeit verschwand umgehend. Die Küche und der
Service waren hervorragend.
Am nächsten Morgen fuhren wir nach einem frugalen
Frühstück Richtung Hamburg.
Ausgeruht ging es wieder an die Arbeit.
Tägliche Routine
Von unserem Chef konnte man viel lernen:
„Machen Sie nach der Ankunft morgens einen Rundgang
und begrüßen Sie die Mitarbeiter. Hören Sie genau auf die Gesprächsthemen.
Haben Sie immer ein offenes Ohr.“
„Planen Sie Ihre eigene Karriere. Verfolgen Sie Entwicklungen
und Trends.“
„Denken Sie
immer daran: 20 % der offenen Probleme erfordern 80 % Ihrer
Arbeitskraft.“
„Vermeiden Sie seitenlange Berichte, eine Seite sollte
Standard sein. Ein Management-Summery muss eine klare Empfehlung für notwendige
Entscheidungen beinhalten.
„Arbeiten Sie
Ihren Stellvertreter ein. Wenn Sie einen Wechsel planen, muss er in der Lage
sein, Ihre Position zu übernehmen“
„Vermeiden Sie emotionale Reaktionen“
Er hielt sich nicht immer an die eigenen Ratschläge,
das war eben ein Privileg für Vorgesetzte.
Der morgendliche Rundgang war jedoch ein wertvoller
Hinweis. Eines Tages besuchte ich unser Bandarchiv. Der Archivar war total im
Stress. „Was ist denn los heute? „Ich muss tausende Bänder freigeben.“ Alarm!
Tausende von über 13000 Magnetbänder? Normal waren 100-200. Des Rätsels
Lösung: der Konsoloperator hatte beim Start sich bei der Eingabe des
Startdatums bei der Jahreszahl geirrt.
Ein Neustart wurde sofort durchgeführt und alle
Betroffenen informiert. Die Konsol- und Archivprozesse wurden angepasst.
Erkenntnis: Höre zu
und lerne
Die
richtige Gesprächsführung
Er gab auch wichtige Ratschläge für Konversation und
berufliche Gespräche. „Merken Sie sich eine einfache Regel: positiver
Einstieg, Besprechung negativer Punkte und immer einen positiven Ausklang.“
Wir konstruierten daraufhin eine Art Eselsbrücke:
•
(Positiv)
Schön, dass wir uns treffen und miteinander reden können
•
(Negativ)
Sie sind mit sofortiger Wirkung entlassen
•
(Positiv)
Die gemeinsame Zeit unserer Zusammenarbeit war sehr schön
War einfach zu merken, oder?
Ich nahm mit einem Kollegen an einem Rhetoriktraining
in Sindelfingen teil. Gesprächsführung wurde mit unterschiedlichen Szenarien
auf einer Bühne durchgeführt und aufgezeichnet. Freund Jürgen S. sollte bei
einer dieser Übungen einen Manager darstellen. Der Trainer hatte inzwischen
einer Teilnehmerin eine Aufgabe gestellt. Sie sollte sich einen Termin geben
lassen und sich bei ihrem Chef über die häufigen Überstunden, und damit
verbundene Eheprobleme auslassen.
Auf der Bühne saß Jürgen an seinem Schreibtisch und
blätterte in einigen Papieren. Die Mitarbeiterin betrat die Bühne. Jürgen
erhob sich und deutete einladend auf den Stuhl vor seinem Tisch. „Schön, dass
wir mal miteinander Zeit für ein Gespräch haben. Wie geht es Ihnen?“ Der
positive Einstieg war gelungen!
„Die Belastung durch die vielen Überstunden in der
letzten Zeit, haben zu Problemen in meiner Ehe geführt.“ Sie war eine gute
Schauspielerin, sogar Tränen!
„Sie sehen doch, das wir alle im Augenblick sehr viel
zu tun haben. Ich komme auch immer spät heim und sehe meine Kinder kaum.
Erwarten Sie das ich hier auch noch den Eheberater spiele?“ Seine Stimme wurde
geradezu schrill und er bekam einen roten Kopf. Der „negative“ Teil änderte in
einer Katastrophe. Die Mitarbeiterin fing wirklich an zu weinen und rannte
davon. Der Trainer unterbrach die Aufzeichnung, kündigte eine kurze Pause an
und verschwand mit den „Darstellern“ hinter der Bühne.
Wir waren total durcheinander. Was war da vor unseren
Augen passiert? Der „positive“ Abschluss kam nicht mehr zur Wirkung.
Abends erklärte Jürgen sein Verhalten: „Als die blöde
Gans auch noch heulte, hatte ich die Nase voll“
Erkenntnis: Ein Mensch lebt nicht
nur nach gelernten Regeln, oder?
Beim Kunden lernen und lehren
Unser Chef hatte die Idee Umsatz durch Beratung über
RZ-Organisation zu generieren. Eine Organisations-Bezeichnung gab es für
diesen neuen Service anfangs nicht, aber deftige Stundensätze. Mein erster Einsatz
führte mich nach Finkenwerder zu MBB. Ich sollte einen Mitarbeiter bei der
Einführung eines Problem Management-Prozesses beraten und unterstützen.
Bei der Ankunft meldete ich mich beim Empfang und
erhielt einen Besucherausweis. Nach kurzer Fahrt hielt ich vor dem Hauptportal
und fragte nach der Zimmernummer des IT-Chefs. „Eine Treppe hoch, am Ende des
Gebäudes.“ Es war der längste Flur meines Lebens. Das rote Backsteingebäude zog
sich über hunderte Meter direkt an der Elbe.
Dr. Wilkes begrüßte mich und stellte mir mehrere
Manager des IT-Bereiches vor. Er umriss kurz die Erwartungen an meinen Einsatz
und sagte: „Wir haben ein kleines Problem. Der Mitarbeiter ist diese Woche
krankgeschrieben und der geplante Raum noch nicht fertig. Unser RZ-Leiter Dr.
Schmidt wird Ihnen Weiteres erklären. Viel Erfolg.“
Ein toller Start! Ich folgte Dr. Schmidt zu seinem Arbeitsplatz.
„Da Sie schon mal vor Ort sind, sollten sie sich einen Überblick unserer
Dokumentationen verschaffen. Wir haben wie gesagt Raumprobleme, aber dort
hinten neben der Kaffee-Ecke steht ein leerer Schreibtisch. Nächste Woche
können Sie dann mit Herrn Richters Ihr Büro beziehen.“
Ich nahm dankend den gewaltigen Handbuchstapel
entgegen und bezog mein temporäres Domizil. Mein Schreibtisch war nur durch
Stellwände von der Kaffee-Ecke getrennt, und ich wurde ungewollt Zeuge der Gespräche
der Mitarbeiter. Neben den üblichen Fußballneuigkeiten wurden viele fachliche
Dinge diskutiert. „Wir haben mit den Antwortzeiten große Probleme, ich habe
mehrfach auf Schwächen der Ablauforganisation hingewiesen, wurde aber ignoriert
etc.“
Mein Projekttagebuch füllte sich rasch. Informationen
konnte man immer gebrauchen, oder?
Die zur Verfügung gestellten Dokumentationen waren
ausführlich und aktuell. Die Woche verging wie im Fluge, kein Wunder bei einem
Flugzeughersteller!
Am folgenden Montag zog ich mit Klaus Richters, dem
künftigen Problem Manager in unser gemeinsames Büro. Ein herrlicher Ausblick
auf die Elbe verschönerte die Arbeitsumgebung. Wir entwarfen einen Aufgabenkatalog
und entwickelten unseren Projektplan. Mein „neuer“ Lehrling hatte eine schnelle
Auffassungsgabe und wir verstanden uns sehr gut.
Der Arbeitstag begann morgens um 7 Uhr. Ich musste
daher um 6 Uhr in Ahrensburg starten. Kein Problem für einen Frühaufsteher. Das
Arbeitspensum erforderte jedoch viele Überstunden.
Die Teilnahme an diversen Meetings tagsüber erforderte
für die Projektarbeit unseren Einsatz bis in die Abendstunden. Ein einsames
Licht in einem Zimmer mit Elbblick zeigte den Bewohnern jenseits der Elbe: da
sind welche besonders fleißig!
Für die Problemerfassung entwickelten wir mit DCF/GML
Online-Masken. Es gab keine fertigen Tools zu der Zeit. Es war eine wahre
Sisyphusarbeit die geforderten Verfügbarkeitsprozente mit Hilfe von Makros zu
errechnen.
Die täglichen Problem-Meetings hatten durch unsere
Auswertungen genügend Informationen zur gezielten Bearbeitung und Behebung von
Problemen und Störungen.
Die Folge war eine deutliche Verbesserung der Serviceziele
und die Anerkennung unserer Leistung feuerte uns an, unsere Anwendung zu
optimieren.
Zwischen Baum
und Borke ...
Drei Jahre (1981 -1983) verbrachte ich bei meinem
Kunden in Finkenwerder. Höchstens zwei Tage im Monat fuhr ich zur IBM. Die
Spesenabrechnung, die geleisteten Stunden und ein kurzer Statusbericht und zurück
ging es. Langsam aber sicher wurde man ein Teil der neuen Umgebung. Anfangs
wurde man als der Externe, der IBMer angesehen. Nun gehörte man zur Familie.
Bei vertraulichen Meetings erfuhr ich Dinge, die unseren
Vertrieb brennend interessiert hätten, aber ich behielt sie für mich. Wenn
niemand der Company gezielt nach Informationen fragen würde, könnten keine
Konflikte entstehen.
Ganz so einfach war es jedoch nicht. Eines Tages
hatten wir ein internes Meeting und besprachen einige wichtige Problemfälle,
als ein IBM-Vertriebsbeauftragter aus München hereinplatzte. „Entschuldigen
Sie die Störung, aber ich wollte Ihnen unseren neuesten Massenspeicher kurz
vorstellen und Sie auffordern am First Customer Shipment teilzunehmen. Das
beinhaltet einen erklecklichen Rabatt.“
Ich schaute kurz hoch: „Wir haben zurzeit wichtigere
Aufgaben als uns mit neuen Produkten zu beschäftigen.“
Nach dem Meeting rief der Geschäftsstellenleiter aus
München an: „Was haben Sie sich da eigentlich erlaubt. Wir bereiten die
Markteinführung sorgfältig vor und Sie sabotieren unsere Bemühungen.“ „Es wäre
besser gewesen, wenn Sie mich über Ihre Pläne vorher informiert hätten. Ich bin
Mitglied im Planungsgremium bei unserem Kunden und hätte sicherlich helfen
können.“
Dunkle Wolken zogen auf. Ade Karriere! Ich fuhr sofort
zu unserer Geschäftsstelle und berichtete den Vorgang. Unser Chef rief in
München an und beschwerte sich lautstark über das unabgestimmte Vorgehen.
„Alles in Ordnung, Sie haben richtig gehandelt, weiter
so“
Eine Zentnerlast fiel mir vom Herzen. Gerade noch mal
gut gegangen. Was hatte er früher einmal zu mir gesagt: Vermeiden Sie
emotionale Reaktionen. Immer erst Denken!
Ich nahm mir vor, etwas vorsichtiger zu sein. Feinde
sollte man sich nicht unbedingt machen.
Die Abstimmung mit dem zuständigen Vertrieb lief nun
besser.
Das Beratungs- und Förderungsgespräch
Einmal jährlich wurde das sogenannte B+F-Gespräch
durchgeführt. Der zuständige Manager teilte dem Mitarbeiter die Ergebnisse der
Beurteilung mit und sollte bei der Karriereplanung beraten.
Die Beurteilung war entscheidend für die Gehaltsentwicklung
und Beförderungen.
Ich erschien pünktlich zum vereinbarten Termin. Nach
den üblichen Eingangsfloskeln (Wie geht es, wie läuft es?) offenbarte mir mein
Boss: „Sie sind seit Jahren immer in der Spitzengruppe, Sie wissen, dass unser
Gehaltsbudget immer nach diesen Kriterien verteilt wird. Nun haben wir
inzwischen neue Mitarbeiter hinzubekommen und ich möchte etwas für sie tun.
Außerdem sind Sie durch Ihren Sondereinsatz kaum noch in interne Prozesse
involviert“
Mit ruhiger Stimme forderte ich ihn auf, das Gespräch
auf einen anderen Termin zu legen und seine Entscheidung noch einmal zu
überdenken.
Er bestand auf die Fortsetzung, und es wurde richtig
laut. Ich lehnte die Beurteilung ab, mit dem Hinweis auf die Auswirkungen auf
weitere Beförderungen
Als Wochen später eine Gehaltserhöhung von 35,00 DM
angekündigt wurde, lehnte ich die Annahme schriftlich ab. Reaktion der Firma:
Ein Excellence Award in Höhe von 3000,00 DM und ein „Essen zu Zweit-Gutschein“
über 250,00 DM.
Erkenntnis: Nicht alles gefallen lassen, oder?
Trotz dieser netten
Gaben gefiel mir der Ausgang nicht.
Den Einsatz beim Kunden mit Erfüllung normaler
Aufgaben zu vergleichen war
nicht zu akzeptieren
La Hulpe/ Terhulpen: 13 tolle Wochen
Es wurde ein besonderer Lehrgang im IBM-Center in La Hulpe/Belgien
in der Nähe von Brüssel angeboten. Ein 3-monatiger Studiengang beim European
Systems Research Institute. Begeistert nahm ich am Aufnahmetest teil. Ich
wurde angekommen, musste aber wegen meiner Achillesferse, der Mathematik eine
Woche früher anreisen.
Ich packte meine Siebensachen zusammen, sagte meiner
Frau Ade und fuhr gen Westen. Zwischenstation machte ich in Ohain wenige
Kilometer von La Hulpe. Ein befreundetes Paar wohnte dort mit den beiden
Söhnen in einem Chalet. Richard war Engländer und ein Finanzgenie, Christina
kam aus Deutschland und führte mich in die Chaos-Theorie ein (mehr dazu später).Sie
boten mir an freie Stunden bei Ihnen zu verbringen.
Ich nahm dankend an, da Richard, wie ich leidenschaftlicher
Golfer war und die Aussicht als Gastmitglied im berühmten Royal Waterloo
Golf-Club aufgenommen zu werden rundete das Angebot ab.
Am nächsten Morgen fuhr ich weiter nach La Hulpe.
Dort lag das IEC (International Education Center) der IBM.
Mir wurde ein komfortables Zimmer zugewiesen und ein
Stapel Informationspapier in die Hände gedrückt. Wichtig waren der Lageplan
und meine "Stundenpläne". Hier erfuhr ich, das ich am nächsten Tag
um 8.30 Uhr von Prof. Hirschberg in Hörsaal X erwartet würde. Ich sollte
vorher benötigte Bücher in der Bibliothek abholen. Sechs mehr oder weniger
dicke Wälzer wurden mir übergeben. Alles für einen 5-tägigen Mathe-Crashkurs?
Ich fühlte mich krank, klein und verfolgt. Worauf hatte ich mich nur
eingelassen? Es wurde eine unruhige Nacht.
Beladen mit dem Bücherhaufen und einem Schreibblock
nebst Schreibutensilien, erschien ich pünktlich um 8.25 Uhr im Hörsaal. Dort
saßen schon mehrere Kandidaten erwartungsvoll auf ihren Plätzen. Zu meiner
großen Überraschung erschien ein Kollege aus Hamburg und setzte sich neben
mich. "Hallo Christof, was machst Du den hier. „Du bist doch
Mathematiker?“ Grinsende Antwort: „Hab beim Test geschummelt, eine extra Woche
wollte ich mir nicht entgehen lassen.".
Professor Hirschberg erschien, stellte sich kurz vor
und der Albtraum begann. Alles, was ich während der Schulzeit nicht mit vollem
Herzen gepaukt hatte, wurde hier in fünf Tage eingetrichtert. Ohne Christof
hätte ich es sicherlich nicht überlebt. Er half geduldig mit Hinweisen und
"übersetzte“ Begriffe und Formeln in für mein "Spatzenhirn“
verdauliche Portionen.
Erkenntnis: Suche Dir kompetente
Unterstützung und konzentriere Dich auf Dinge, die Du beherrscht!
Soziales Umfeld
Am schwarzen Brett vor dem Sekretariat hing ein Zettel mit der Aufforderung zur Gründung von Interessengemeinschaften. Einige Aushänge waren bereits vorhanden: Tennis, Wandern, Squash, Rudern und mehr zeigten schon die Unterschriften von Interessenten. Da das soziale Engagement sicherlich bewertet würde, überlegte ich krampfhaft, wie ich meinen Einsatz zeigen könnte. Ich musste unbedingt an das schwarze Brett! Kurz entschlossen nahm ich ein Blatt Papier und schrieb:“ Einladung zur internationalen Bier-Liga. Zweck der Veranstaltung sollte das Kennenlernen der unterschiedlichen Lebensweisen der Teilnehmer und lebhafte Diskussionen sein. Eine reine Pseudo-Aussage, aber...
Vor dem Frühstück am nächsten Morgen kam ich am
schwarzen Brett vorbei und sah ungläubig über zwanzig Einschreibungen. Fast
alle Engländer, Iren und Schotten waren bereit an der IBL (International
Beer-League) teilzunehmen. Ich hatte die meisten Mitglieder. Man muss eben die
Interessen und Wünsche der Mitmenschen erkennen und etwas bieten, oder?
Unser erstes Treffen fand natürlich im "La Cave“
statt und nach diversen Runden belgischen Bieres wurde ich zum Präsidenten
gekürt. So jung und schon Präsident!
Erkenntnis: Nutze die Gegebenheiten, dann
ergeben sich Gelegenheiten!
Bald traten weitere Mitstudenten unserer Bier-Liga
bei. Da "La Cave“ um 23 Uhr schließen musste, vereinbarte ich mit dem
Personal, das ein Rollwagen mit genügend frischen Biergläsern bereitgestellt
wurde. Nun wurde ich sogar zum Ehrenpräsidenten ernannt!
Ein aufregendes Tennis-Match
Mein Hamburger Kollege Peter Harries sprach nicht
gerade fließend Englisch, aber als exzellenter Entertainer sorgten seine teils
pantomimischen Sketche für Lachsalven. Als er anfing den Teilnehmern Skat beizubringen,
wurden die Abende noch ausgedehnter.
Peter hatte ein Auge auf unsere attraktive Sekretärin
geworfen. Hanneke spielte oft Tennis. Da Peter auch Mitglied in unserer
Tennisliga war, kam er auf die Idee sie zu einem Match aufzufordern. Hanneke
sagte zu seiner Freude zu und ein Termin wurde vereinbart,
Ich hatte erfahren, das Hanneke vor Jahren in der
belgischen Nationalmannschaft gespielt hatte. Das war meinem lieben Kollegen
nicht bekannt und musste genutzt werden. Peter wollte Hanneke nach dem Match
zu einem Ausflug nach Brüssel einladen und fragte mich, ob er meinen Wagen
leihen könnte. Ein Schelm, der Böses denkt!
Nun reifte ein launischer Plan in mir. Zunächst wurde
ein Aushang mit dem Termin des Tennisereignisses veröffentlicht. Hanneke wurde
eingeweiht und versprach lachend mitzuspielen. Wichtig für meinen Plan was,
das mein Auto nach dem Match nicht auf dem Parkplatz war.
Ich bat einen Freund aus der Bier-Liga mit den Wagen
einen längeren Ausflug zu unternehmen. Alle waren in den Plot eingeweiht nur
das potenzielle Opfer nicht.
Die Zuschauertribünen waren proppenvoll, als das Match
begann. Der erste Satz war schnell entschieden 6:1 für Hanneke. Jubelstürme der
Zuschauer beschallten den Park.
Auch der zweite Satz lief für meinen Kollegen nicht
viel besser: 6:2. Kurz vor dem Ende des Satzes machte ich mich vom Acker und
verschanzte mich in meinem Zimmer.
Wir haben am nächsten Tag die ganze Geschichte im
"La Cave“ ausgiebig unter Lachsalven durchgehechelt (Freund Peter hatte
sich zurückgezogen).
Nach dem Match lief Peter zum Netz und gratulierte
der Siegerin. Nach einer unhörbaren Frage von ihm schüttelte Hanneke leicht mit
dem Kopf. Lächelte betörend und ging Duschen. (Sie fuhr mit ihrem Freund
schnellstens heim). Peter erschien frisch geduscht und parfümiert und fragte
nach Hanneke. "Hanneke ist vor wenigen Minuten mit Heiner
weggefahren".
Ich hätte sein Gesicht gerne gesehen! Meine Mitverschwörer
berichteten lachend, er sei sofort zum Parkplatz gelaufen und hätte meinen
Wagen gesucht. Ich selbst merkte seine Hektik, weil permanent mein Telefon
klingelte und er mehrfach an der Zimmertür klopfte.
Mein fieser Plot sorgte umgehend für die Strafe: ich
konnte nicht Fernsehen, keine Musik hören und kein Licht einschalten.
Am nächsten Morgen ging ich zum Frühstück. Peter kam aus
seinem Zimmer und rief: "Guten Morgen.“ Ich tat, als hätte ich nichts
gehört und ging etwas schneller. Hanneke sah mich und lief auf mich zu, küsste
meine Wange und flüsterte deutlich hörbar: „Danke, Cherie."
Beim Frühstück saß mir ein total verstörter Peter gegenüber.
Erkenntnis: Habe wohl wenig Aussichten, in den Himmel zu kommen!
Der erste Wochenendurlaub mit einem menschlichen Bordcomputer
Wir drei Hamburger beschlossen, übers Wochenende
unsere Lieben zu besuchen. Pünktlich nach der letzten Vorlesung starteten wir.
Peter saß auf dem Beifahrersitz und hatte eine Europakarte vor sich. Christoph
saß auf der Rückbank und fing an mir Fahrhinweise zu geben.
Nach einem Stau vor Aachen sagte er: „Du musst die
nächsten 25 Minuten 110 Kilometer fahren, sonst halten wir die geplante
Ankunftszeit nicht ein.“ So ging es die ganze Fahrt, und ich überlegte, ob ein
Mord im Affekt zu einem längeren Gefängnisaufenthalt führen könne. Als wir
jedoch unser Ziel, die Elbbrücken termingerecht erreichten, änderte ich meine
Meinung. Diese Berechnungen hätte ich nicht mal mit einem Computer und anderen
Hilfsmitteln geschafft.
Wie kann ein Mensch nur durch Beobachtung des Tachos
und ohne Notizen, diese Leistung vollbringen?
Neue Erfahrungen wurden gemacht
Unsere Freunde in Belgien fragten mich, ob ich abends
Babysitter für ihre beiden Söhne spielen könnte. Sie waren zu einem Essen
eingeladen und hatten niemand gefunden. In Belgien gab es empfindliche Strafen,
wenn man Kinder unter zwölf Jahren unbeaufsichtigt lässt. Ich packte also
einige Bücher zusammen und fuhr zu ihrem Haus. Die Zeit konnte ja für das
Studium genutzt werden.
Vor der Abfahrt von Christina und Richard wurden die
braven Knaben zu Bett gebracht. Kaum waren die Eltern fort, standen die Rabauken
im Wohnzimmer. "Hi, what are you doing?“ Die Knirpse wuchsen dreisprachig
auf, Deutsch war nicht dabei. Ich erklärte: "Ich muss lernen", und
wurde durch eine Gegenfrage entwaffnet: "wanna play hide and seek?"
Davon hatte ich schon ein Leben lang geträumt.
Verstecken spielen mit den Zwergen! Resigniert klappte ich die Bücher zu und
fügte mich meinem Schicksal. James und Christofer kannten natürlich alle guten
Verstecke in dem großen Haus und ich war der geborene Verlierer. Wurden die
denn nie müde?
Kurz nach 2 Uhr waren die Bengel spurlos verschwunden.
Sie hatten den Wagen ihrer Eltern auf der Auffahrt gehört und sind blitzartig
in ihren Betten verschwunden.
„Nun wie lief
es? Waren die Beiden auch artig?“ Ich nickte erschöpft und wir gingen zum Kinderzimmer.
Dort lagen zwei Engel im Tiefschlaf. Diese Schauspieler! Ich packte meine
Siebensachen, lehnte einen Drink vor dem Kamin höflich ab, und fuhr todmüde
zurück nach La Hulpe.
Erkenntnis: Babysitter
brauchen eine spezielle Ausbildung und extreme Nerven!
Beim nächsten Besuch lud ich die beiden Knirpse zu
einem Essen bei McDonalds ein. Ich war vorher noch nie in einer Burgerstation
gewesen.
James übernahm die Besorgung:
James übernahm die Besorgung:
Drei Big Macs und drei große Becher Cola. Die Knaben
mussten mir erst beibringen, wie man den Fleischklops zu sich nimmt. Bei ihnen
sah es ganz einfach aus: ein, zwei kräftige Bisse, kurze Schluckungen und ihre
Teller waren leer. Wo ließen die Zwerge das Zeug eigentlich?
Sie sahen zu, wie ich mit meinem Burger beschäftigt
war. Ich fragte, ob sie noch hungrig seien. Heftiges Kopfnicken! Diesmal ging
Chris zum Tresen. Er kam mit vier Burgern zurück: „Happy Hour.“ Auch diese
Portionen wurden von ihnen professionell vertilgt.
Unglaublich!
Nach unserer Rückkehr wurde ich zu einem Fußballmatch
von den Knirpsen eingeladen. Wurden die denn nie müde?
Sport und Selbstmarketing
Richard King lud mich zu einem Golfnachmittag ein. Ein
kurzer Blick auf meinen Terminkalender und schon war ich unterwegs zum Royal
Waterloo GC. Im Clubhaus wartete Richard mit sechs Freunden. Kurze Vorstellung
"George, William, Thomas ...“ und wir bildeten zwei Vierer. Es war ein
großartiger Tag. Sonne, beste Stimmung und ein guter Score.
Meine drei neuen Freunde und ich genossen die Zeit.
Zurück im Clubhaus fragte mich Richard: "Na, hast Du die Gelegenheit
genutzt Dich gut zu präsentieren? "Wir hatten viel Spaß". „Spaß? Ich
bringe Dich mit den CEO´s dreier Weltunternehmen zusammen. Erzähle ihnen, Du
seist eine Computer-Koryphäe und Du hattest nur Spaß?“
Hier lernte ich den wahren Sinn eines Golfspiels
kennen. Kontakte! Kontakte!
Erkenntnis: Freizeit
ist nicht immer Freizeit!
Die Stunde der Wahrheit
Zu den Annehmlichkeiten unserer Ausbildung zählte
auch die Möglichkeit, Extrawünsche zu äußern. Gerade auf den Markt kommende
Filme wurden blitzartig geliefert und im eigenen Kino aufgeführt. Außerdem
konnten wir prominente Persönlichkeiten zu Gastreferaten einladen. Wenn es
terminlich passte, wurden die Gewünschten eingeflogen.
Wir hatten uns einen international bekannten Motivation-Trainer
aus den USA ausgesucht und zu unserer Freude erfuhren wir, dass er in zwei
Tagen in der Aula mit uns sprechen würde.
Als der große Tag kam, sahen wir überrascht in der
ersten Reihe lauter Topmanager aus den USA und Europa. Die meisten kannten wir
nur aus Hochglanzbroschüren und Zeitungsartikeln. Die waren nur wegen uns
angereist! Unglaublich!
Wir setzen uns hin, flüsterten leise: „Ist das nicht
der Europa-Boss da neben dem ...?"
Da betrat unser Gastredner die Bühne. Ein großer,
schlaksiger Amerikaner im Nadelstreifen und blitzblanken Schuhen. Uns stockte
der Atem: er hatte eine brennende Zigarette in der Hand. Eine Zigarette in den
heiligen Hallen, unfassbar! Gemächlich näherte er sich dem Pult und schnipste
dabei die Asche auf den Boden. Ein Murmeln lief durch unsere Reihen. Asche!
Am Pult angekommen schrieb er schwungvoll seinen
Namen auf einen Flipchart, und darunter ganz groß KITA. Was sollte das heißen?
KITA?
Mit sonorer Stimme fing er an zu reden: "Ich
wurde in New York von Ihrer Firma kontaktiert und gefragt, ob ich bereit sei,
zwei Stunden vor Ihnen hier in Belgien zu sprechen. Als meine unverschämte
Honorarforderung ohne Zucken akzeptiert wurde, lies ich mir die Reisedetails
durchgeben. Gestern hat mich eine Stretchlimousine von meiner Wohnung abgeholt
und zum Flughafen gebracht. Ein Ersterklasse-Sitz war für mich reserviert, und
in Brüssel wurde ich im besten Hotel in einer Luxussuite untergebracht. Alles
umsonst! Diese Firma lässt es sich wahrlich etwas kosten, um mich zwei Stunden
zu hören. Und alles nur, um Ihnen einen Wunsch zu erfüllen.“
„Die Herren in der ersten Reihe scheinen es gut mit
Ihnen zu meinen. Ich meine wirklich "meinen". Deswegen werden wir
ausführlich über KITA sprechen"
Er ging zum Flipchart und schrieb schwungvoll
"Kick in the ASS".
"Das meine Damen und Herren ist die Formel, warum
man Sie ausgesucht hat. Dieser Kursus kostet pro Kopf einen sechsstelligen
Betrag. Und Ihre Gönner in der ersten Reihe werden KITA anwenden, um das letzte
aus Ihnen rauszuholen"
Der beschimpfte doch tatsächlich unsere Führungsspitzen,
und die hörten sich das auch noch an!
Nach den zwei Stunden verabschiedete sich der exzellente
Gastredner und wir gingen ziemlich verwirrt ins "La Cave". Heftige
Diskussionen entbrannten. Warum waren so viele Topmanager angereist? Warum
ertrugen sie geduldig die Äußerungen unseres Gastes?
Plötzlich fiel es uns wie Schuppen von den Augen: Das
war ein abgesprochenes Spiel! Ein Härtetest für uns.
Er hatte recht mit seinen Hinweisen. Uns wurde
vorgespielt, wir hätten den Marschstab in der Tasche, und wir zahlten durch
erhöhten Einsatz vielfach an die Firma zurück.
Erkenntnis: Leistung
muss sich lohnen. Fragt sich nur für wen?
Was der Bauer nicht kennt.......
Ellen nutzte die Gelegenheit, mich an einem Wochenende
in La Hulpe zu besuchen. Sie wohnte bei Richard und Christina. Richard war
ganz aufgeregt, es war ihm gelungen, in einem berühmten Restaurant einen Tisch
am Wochenende zu buchen. Gemeinsam mit Freunden sollte eine wahre Schlemmerei
stattfinden.
Vor der Abfahrt lernten wir die anderen Teilnehmer
kennen. Henk I., Chef einer internationalen Security Firma mit seiner
sympathischen Frau. Henk II., 747-Flugkapitän bei der KLM. Jane und Jeremy (Amerikaner)
und in Brüssel für eine PR-Firma stationiert.
Es war ein sehr sympathischer und lustiger Haufen. Wir
verteilten uns auf die Autos. Zu meiner Überraschung führte uns die Fahrt in
immer einsamere Gegenden. Ziel war ein Bauernhof. Keine Hinweise auf das
„In-Restaurant“ ? Merkwürdig!
Beim Betreten der umgebauten Scheune wurden wir von
dem Inhaber herzlich gegrüßt und an einen der vier Tische geleitet. Warum hatte
ich kein Französisch in der Schule? Er sprach minutenlang gestikulierend in
dieser melodischen Sprache, und die anderen Gäste waren sehr angetan. „Was hat
er gesagt?“ fragte ich Christina. „Menüvorschläge“ aha!
Henk I. fragte, ob er die Weinauswahl übernehmen
könne, er würde uns gerne einladen. Anscheinend war er Experte und niemand widersprach.
Die einzelnen Gänge waren atemberaubend gut und die
Weine sorgten für eine ausgelassene Stimmung. „Wie hat Dir das Kalbsbries
gefallen und, war die Schneckensuppe nicht delikat?“ Oh, Christina, hättest Du
doch nur geschwiegen! Ich hatte Dinge verzehrt, die ich nie in meinem Leben
freiwillig geordert hätte.
Der Inhaber und Chefkoch kam erneut und brachte eine
Dessertkarte zur Auswahl. Hank II. nahm eine Brille aus der Brusttasche und
fing an die Karte zu studieren. „Hank, Du bist doch Flugkapitän und brauchst
eine Brille?“ Christina schien total perplex. Hank setzte die Brille ab:
„Christina, dear, ich brauche sie nur gelegentlich zum Lesen. Beim Fliegen ist
sie nicht erforderlich. Ich starte in Schipohl, schalte den Autopiloten ein.
Wenn der Co-Pilot bei der Landung in New York hustet, zieh ich den Vogel etwas
hoch.“
Er war ein herrlicher Abend. Beim Bezahlen stellte ich
fest, mit dem Betrag konnte man mehrere große Partys leicht finanzieren. Man
lebt nur einmal, oder?
Als ich dann sah, wie Hank I. allein einen vierstelligen
Betrag für den Wein zahlen musste, schien meine Rechnung nicht mehr ganz so
gewaltig.
Richard beruhigte mich: „Das setzt er als Geschäftsausgaben
ab.“
Erkenntnis: Genieße
den Tag!
Bestanden und ein gelungener Abschied
Zum Abschied gab es in Brüssel eine Party. Wie immer
hervorsagend organisiert. Mit Bussen wurden wir von La Hulpe zum
Veranstaltungsort gefahren. Wir bekamen unsere Diplome und nach einigen Reden
standen wir mit unseren Gläsern zwanglos herum und unterhielten uns.
Wir kamen rechtzeitig vor Schließung unsere Lebensmittelpunktes
"La Cave“ in La Hulpe an. Es gab Wichtiges zu besprechen. Unsere Vorgänger
hatten ein Ritual geschaffen, um den Abschied zu feiern.
Möglichst viel Blödsinn zu veranstalten.
Wir beschlossen, das Mobiliar der einzelnen Etagen
auszutauschen. Empfang nach oben, das würde am nächsten Tag verdutzte Gesichter
geben. Ein Team schrieb mit einem Rasenmäher ESRI 33 in den Zierrasen vor dem
Büro des Institut-Leiters. Fünf Meter große Buchstaben würden sicherlich eine
ganze Weile sichtbar bleiben.
Die Möbelpacker waren emsig am Umräumen. Wir hatten
vorsorglich im "La Cave“ Servierwagen mit Bier geordert und die Stimmung
war entsprechend prächtig.
"Komm, wir räumen ein Hotelzimmer von den
Schotten aus". Ich versuchte, Peter davon abzuhalten, aber er war nicht
aufzuhalten. Wir drückten den Fahrstuhlknopf zum Hoteltrakt. Die Tür ging auf,
und Peter lachte haltlos. Im Fahrstuhl war eine komplette Zimmereinrichtung.
"Da ist uns jemand zuvorgekommen, schade“ waren Peters letzte Worte,
bevor er realisierte: Es war der gesamte Inhalt seines Zimmers!
Erkenntnis: Wer Anderen eine
Grube......
Zurück in Hamburg
Die schöne, unvergessliche Zeit war vorbei und der
Arbeitsalltag begann. Ich machte mich zunächst an die Aufgabe meine
Spesenabrechnung zu erstellen. Eine der schwierigsten Herausforderung
überhaupt. Belege sortieren, Kilometer ausrechnen und alles schön notieren.
Als ich fertig war und den Papierberg weitergeleitet hatte, musste ich die
Post durcharbeiten.
Die Bearbeitung eines Postkorbs war eine wahre Sisyphusarbeit.
Was sich so in 13 Wochen ansammelt, ist unglaublich. Jeder musste anscheinend
Jedem alles Wichtige und Unwichtige mitteilen. Zur Kenntnis, zur Bearbeitung,
zur Erledigung, als Kopie usw. wurden vorsortiert und je nach Relevanz
geschreddert. Eigentlich war es die Aufgabe des jeweiligen Stellvertreters/in
für einen möglichst leeren Korb zu sorgen, aber da gab es wohl andere
Prioritäten. Na wartet!
Unser oberster „Feldherr“ hatte eine unorthodoxe Art
der Postverteilung. Häufig erhielt man das gleiche Schriftstück mit den
Vermerken: zur Kenntnis, zur Erledigung oder auch als einfache Kopie. Ich
hatte eine blendende Idee. In die linke Schreibtischschublade kamen die
„harmlosen“ Schreiben und in die Rechte die „Brisanten.“ Nun konnte das Spiel
beginnen.
„Herr Jäger, ich hatte Ihnen doch die Anfrage aus
Paris zur Erledigung ...“ Erstaunter Blick meinerseits, öffnen der linken
Schublade. „Oh, hier ist die, Anfrage, aber ich habe sie mit dem Vermerk „zur
Kenntnis“ erhalten.“ Stirnrunzeln beim Boss. „Muss aber trotzdem dringend
erledigt werden.“ „Langsamer Griff zur rechten Schublade. „Soll ich den die
Vorgänge x und y terminlich verschieben? „Nein, ich werde jemand anderen
damit beauftragen.“
Erkenntnis: Erkenne
die Schwächen anderer und sei nett zu ihnen
Man hatte ja nicht umsonst am Lehrgang Time Management
teilgenommen, oder? Dieser Lehrgang war Pflicht. Mein Kollege Peter A. besuchte
ihn vor mir. Kaum zurück sah ich einen neuen Menschen vor mir. Vor und nach
Meetings füllte er emsig seinen Planer aus. Gelegentlich schaute er
gedankenverloren an die Decke. Griff seinen Kugelschreiber und notierte etwas
im Planer. Ich hatte nie auf den Schreibtischen anderer herumgestöbert, aber
als er zu einem Meeting ging und den Planer offen liegen lies konnte ich meine
Neugier nicht mehr länger unterdrücken. Ich schlich mich an seinen Platz und
schaute mir die Einträge an: 17 Uhr 2 Kisten Bier abholen, Dienstag 19:30 Uhr
Kegeln usw.
Als er vom Meeting zurückkehrte, sprach ich ihn an:
„Sag mal was notierst Du den da? „Mein Berufsleben hab ich im Griff, aber
private Angelegenheiten, die machen mir Sorgen. Da bin ich sehr nachlässig.“
Wo er recht hatte, hatte er recht, oder?
Golf in Spanien
Wir buchten zusammen mit einem befreundeten Paar einen
Golfurlaub in Marbella. Der Club Med hatte dort ein Golfhotel, und die Aussicht
die traumhaften Golfplätze wiederzusehen, sorgte für Vorfreude. Wir flogen von
Hamburg nach Barcelona. Ein Freund aus meinem Golf-Club hatte mir eine
Leihwagenfirma in Barcelona empfohlen. Nach der Landung rief ich den
Repräsentanten der Firma an. Rolf prüfte die Preise von Avis und Konsorten und
war über die Preise erschrocken. „Da vorne fährt in einer halben Stunde ein
Bus nach Marbella. Das ist es günstig.“ Man spürte direkt, wie er zu seiner
ersten Million gekommen war.
„Ich habe einen Wagen gebucht. Der Preis ist in
Ordnung. Ich habe Urlaub und nicht die Absicht eine lange Bustour zu unternehmen“
Skeptisch schaute er mich an, akzeptierte aber letztendlich. Das konnte ja
heiter werden.
In Marbella angekommen bezogen wir unser Zimmer und
schauten uns das Hotel an. Tranken einen Espresso und lernten wichtige
Erkenntnisse: Wo ist die Bar, wo gibt es die „Atzung“ usw. Nach einer Stunde
gingen wir ins Zimmer zurück. Das Telefon klingelte. Christa erzählte, sie
hätten nach drei Umzügen nun endlich ein adäquates Zimmer gefunden. Drei Umzüge
in 60 Minuten?
„Bringt Eure Zahnputzbecher mit, wir haben eine
zollfreie Flasche Brandy dabei und können uns auf dem Balkon von den
Reisestrapazen erholen. Ich traute meinen Ohren nicht. „Wir wollen gleich in
die Bar, da treffen sich Golfer und planen die Reihenfolge der Courses.“ „Rolf
war vorhin in der Bar, ganz schön teuer.“ Mein Gott, ich hatte Urlaub!
Während Rolf seine Zeit beim Golflehrgang verbrachte,
nutzte ich die Ausflüge zu den umliegenden Golfplätzen. Bei einer dieser Touren
stieß ein Japaner zu uns. Nach einigen Übungsbällen auf der Driving Range
beschlossen wir das übliche Ritual: „der Letzte zahlt die Drinks“ , dieses mal
nicht anzuwenden. „Hast Du die Abschläge von unserem japanischen Freund
gesehen? Unglaublich, schnurgrade und mindestens 250 Meter.“
Bei der Ankunft am ersten Abschlag losten wir die
Reihenfolge aus. Unser Neuling gewann. Der erste Ball war atemberaubend:
schnurgrade und 230 Meter. Wir schauten uns verdutzt an. Es war ein Dogleg und
die beste Platzierung wäre bei ca. 120 Metern. Ungerührt schlug unser
Longhitter sechs Bälle nacheinander: Schnurgrade und ca. 230 Meter. Er sah
unsere staunenden Blicke und sagte: „Sorry, ich bin zum ersten mal auf einem
richtigen Golfplatz. Golf in Japan ist extrem teuer, also habe ich wöchentlich
auf einem Hochhaus in Tokio geübt.“ Die Bezahlung der Drinks war gerettet!
Jeden Tag ein anderer Club und neue Bekanntschaften.
So sollte ein Urlaub sein, oder? Nach dem Frühstück ging es los. Rein in den
Bus, Ankunft, Green Fee zahlen, Driving Range, kurzes Studium der Bahnen und
der 1. Abschlag.
Im Golfclub
Aloha traf ich den früheren HSV-Spieler Kevin Keegan. Als ich ihm Grüße aus
Hamburg überbrachte, freute er sich sehr und wir tranken ein Glas auf die
Hansestadt.
Einen Tag musste ich auf mein Hobby verzichten. Ellen
war zwar einverstanden mit meinem Spieltrieb, aber wollte mal etwas Gemeinsames
im Urlaub unternehmen. Nach kurzer Beratung wurde ein Ausflug nach Ronda
geplant.
Ich hatte Bilder von dieser Stadt gesehen und freute
mich auf diesen Tag. Rolf und Christa wollten auch mit. Er ging los, einen
Leihwagen zu besorgen. Freudestrahlend kam er zurück: „Ich habe einen
Supermietpreis ausgehandelt.“ „Was für einen Wagen hast Du denn gebucht?“
„Einen Fiat Panda, 300 KM frei.“ Das durfte nicht wahr sein. Ronda lag oben in
den Bergen und mit vier Personen hätte der Floh sicherlich Schwierigkeiten da
rauf zukommen. Ich nahm den Buchungsschein und änderte die Reservierung. Die
Driemeyers waren im Gegensatz zu uns Zwerge, aber der Gedanke in einem Panda
diese Tour zu bewältigen sorgte für Platzangst.
Schnell änderte ich die Reservierung Ich mochte zwar
Pandas, aber nicht als Transportmittel.
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück brachen wir auf.
Selbst mein „schottischer“ Freund musste Angesicht der endlosen Serpentinen
zugestehen das meine Wagenauswahl richtig wahr. In Ronda trennten wir uns,
machten uns auf einen Rundgang. Ich wollte unbedingt vermeiden mit den
„Freunden“ gemeinsam in Ronda essen zugehen. Sie würden wieder stundenlang die
Preise der Imbissbuden vergleichen!
Ronda war einfach wunderbar. Der Ausflug hatte sich
gelohnt. Wir fuhren entspannt nach Marbella zurück.
Dort angekommen eilten die Sparfüchse gleich Richtung
Restaurant. „Das Abendessen beginnt doch erst in einer Stunde!“ „Wir wollen mal
schauen, was es an Spezialitäten gibt.“ Die Imbissbuden in Ronda waren wohl
nicht das Richtige!
Als wir zum Abendessen in das Restaurant kamen, saßen
die beiden schon voller Spannung an unserem Tisch und warteten auf die
Büfettfreigabe. Beim Ertönen stürzten sie sich auf vorher ausgesuchte
Positionen und kamen mit üppig gehäuften Tellern und zwei Flaschen des
kostenlosen Weins zurück. Wir hatten inzwischen uns auch etwas ausgesucht.
„Habt Ihr keinen Wein mitgebracht? „Das stehen doch zwei Flaschen.“ „Holt noch
mal nach, die können wir nachher im Garten trinken.“ Waren das die netten
Nachbarn, die wir in Ahrensburg so gerne besuchten? Als sie das dritte mal zum
Büfett eilten, entschloss ich mich die gemeinsamen Essen auf ein Minimum zu
beschränken.
Mir war die Ausnutzung des All-Inklusive Angebots
einfach unverständlich.
Erkenntnis: Suche Dir
Mitreisende stets sorgfältig aus
Rolf fragte mich, ob ich ein Restaurant in Marbella
empfehlen könne. Er wollte Christas Geburtstag mit uns feiern. Bei einem
früheren Besuch in Marbella mit Golffreunden hatten wir einmal in einem
fantastischen Restaurant in der Altstadt gefeiert. Ich reservierte also für
vier Personen einen Tisch. Es war schließlich der Geburtstag seiner Frau und
nun sollte die übertriebene Sparsamkeit des Millionärs mal getestet werden.
Es war ein wunderschöner Abend und zu meiner
Überraschung wurde ich trotz der horrenden Zeche gelobt.
Erkenntnis: Menschen
sind oft nicht berechenbar
Es wurde nicht nur gearbeitet
Die großzügige Urlaubsregelung der IBM ermöglichte
uns ausgedehnte Reisen.
1982 Texas ich komme
Meine Frau drehte einen Film in El Peso, Texas, und
ich beschloss, sie dort zu besuchen. Durch unsere Berufe
waren wir häufig getrennt. Sie war oft monatelang bei Dreharbeiten, und wenn
sie zurückkam, war ich bei Kunden oder Lehrgängen. Ich wusste, sie hat kaum
Zeit für gemeinsame Unternehmungen, aber ich plante, ohnehin meine Zeit mit
Golf und Erkundigung von Land und Leuten zu verbringen.
Also auf ins Reisebüro und den Flug buchen. Hamburg,
Frankfurt, New York, Dallas und Eli Peso wurde vereinbart. Früh morgens
startete ich in Hamburg. Frühstück fiel aus, schließlich gibt es ja Verpflegung
an Bord. Leider ein Irrtum, die Flugzeit war zu kurz und es gab den
obligatorischen Tomatensaft.
In Frankfurt angekommen war keine Zeit für ein
Frühstück. Der Anschlussflug nach New York rief zum Einchecken. Ich nutzte
meinen ganzen Charme, um einen Fensterplatz in der letzten Reihe der 747 zu erhalten.
Ich hatte Glück, Fensterplatz und letzte Reihe wurden zugesagt. Die letzte
Reihe hatte den Vorteil, dass nur zwei Sessel vorhanden waren und der Weg für
eventuelle Toilettengänge kurz.
Beim Boarding verstaute ich mein Handgepäck und nahm
meinen Platz für die nächsten Stunden ein. Bald würde es Frühstück geben. Mein Magen
knurrte unüberhörbar.
Die Maschine war ausgebucht, aber der Platz neben mir
blieb frei. Herrlich!
Die 747 setzte sich in Bewegung und ich hörte eine
Stewardess rufen „wir rollen schon, Sie müssen sich sofort hinsetzen".
Adressat war ein Mann mit einem Kleidersack. Verfolgt von der aufgeregten
Stewardess steuerte er den Sessel neben mir an, verstaute den Kleidersack und
setzte sich. "Hi, my name
is Ed, hate to use the Firstclass. Great to find a seat here". Da
hat der Mensch ein Firstclass-Ticket und zieht die Holzklasse vor? Die spinnen,
die Amis dachte ich.
Wir hoben ab und er drückte den Serviceknopf. "Need a Bloody Mary, what about
you? Lieber nicht, brauche unbedingt etwas Essbares und keinen Drink.
Widerstand war zwecklos, er bestellte zwei Drinks. Bis zum Frühstück hatte ich
schon zwei Gläser intus und wurde von meinem neuen Freund interviewt. Zweck der
Reise, Familienstand, Beruf, wurden abgefragt und eine neue Bestellung wurde
getätigt. Er gab mir Hinweise für den weiteren Reiseverlauf und bestand darauf,
dass ich alles notierte.
In New York angekommen forderte er mich auf, ihm zu
folgen. Er hielt einen Ausweis hoch und wir wurden ohne Kontrolle
durchgewunken. „I´m a Congress-member, Enjoy your vacation“ ein kurzes Winken
und weg war er.
Noch leicht schwankend machte ich mich auf die Suche
nach einem Taxi. Der Weiterflug sollte in La Guardia starten. Eine attraktive
Stewardess hörte, wie ich dem Fahrer mein Fahrziel nannte und fragte "Wanna
split the cab?". Es hörte sich in meinen Ohren etwas anrüchig an, aber sie
wollte nur den Fahrpreis halbieren.
Die Drinks hatten mich schläfrig gemacht und ich döste
vor mich hin. Die flotte Dame versuchte ein Gespräch anzufangen und muss
gedacht haben: "Diese Deutschen sind seltsame Typen.“ Der Taxifahrer
lieferte uns vor dem Flugplatz ab, und ich verabschiedete mich von meiner
Begleiterin. Am Check-in Schalter erfuhr ich: Die nächste Maschine nach Dallas
startet in vier Stunden. Ich suchte mir einen Sessel, erwarb zwei große Gläser
Cola und kämpfte gegen die Müdigkeit.
Den Flug nach Dallas habe ich im Tiefschlaf verbracht.
Nach der Landung wurde ich geweckt und in die EL Paso-Maschine
"umgebettet".
Mein Kaffeekonsum auf dem Flug war keine große Hilfe.
Diese lasche Brühe Kaffee zu nennen war geradezu Blasphemie!
Ellen erzählte mir später, ich hätte auf der Rolltreppe
der Ankunftshalle geschlafen.
Sie war in Begleitung eines Produktionsassistenten und
erklärten mir, sie müssten noch kurz in einen Country-Club vorbeischauen. Dort
würde eine Sängerin auftreten, die unbedingt noch eine neue Version des
Drehbuches erhalten müsse. Ich hörte zwar die Worte, verstand aber nichts. Ich
wollte nur noch schlafen.
Die Sängerin war fantastisch. Nach dem zweiten Song
fielen mir dennoch die Augen zu. Sechs Bloody Mary, vier Bier und die endlose
Anreise hatten eine ungeahnte Wirkung.
Am nächsten Morgen wachte ich in einem Hotelzimmer
auf. Wo bin ich? Auf dem Nachtisch lag ein Zettel. "Wollte Dich nicht
wecken, bin im Büro. Ruf mich an, wenn Du wach wirst".
Erst einmal ein kräftiges Frühstück! „Scrambled eggs, bacon, well done toast, coffee
and orange juice please". Die texanische Portion hätte gereicht, um
eine ganze Meute zu sättigen.
Frisch gestärkt machte ich mich auf den Weg zu Ellens
Büro. Sie sprach gerade mit dem Produzenten und Regisseur Vadim Glowna.
Ich kannte Vadim schon von früheren Produktionen und
er hatte eine Frage. "Sag mal, Du als IBMer hast doch sicherlich genügend
Organisationserfahrung. Könntest Du mal zum Drehort fahren und nach dem Rechten
schauen?“ Man muss ja nicht gleich nach der Ankunft auf den Golfplatz, oder?
Ich durfte mir einen Leihwagen aussuchen und wählte
einen Chevy-Pickup. O-Beine und Texas erforderten einen zünftigen Schlitten.
Ich ließ mir den Weg erklären und machte mich unverzüglich auf denselben. Der
Drehort lag in einem Militärgebiet. Außer Vadims Wunsch, mal die Augen
aufzuhalten, wusste ich nicht was mich erwarten würde.
Nach dem Verlassen des Highways folgte ich den
Angaben. Weit und breit nur Sand. Kein Problem für meinen Chevy, aber wo finde
ich den Drehort in dieser Einöde? Da, auf einem Hügel standen zwei Männer an
einem Stehpult und unterhielten sich.
Das musste es sein. Den einen konnte ich von der
Ankunft am Vortag. Er hatte den passenden Namen: Ransom Rideout.
Der andere Mann drehte sich zu mir um und sagte:
„Hallo, ich bin Dieter Flimm und Filmarchitekt. Vadim sagte, er würde
Verstärkung raus schicken. Willkommen! Es geht um folgendes". Er zeigte
auf einen Packen Zeichnungen. "Hier soll die Tankstelle hin und dort der
Diner. Damit solltet ihr anfangen. Das Material und die Arbeiter müssten auch
bald erscheinen. Ich muss los, wir sehen uns".
Mir entgleisten alle Gesichtszüge. Da stand ich in der
Wüste an einem Stehpult und verstand die Welt nicht mehr. Tankstelle, Diner,
Material, Arbeiter?
Ransom murmelte irgendetwas in sein Walki-Talki Ich
schaute mir indes die Zeichnungen an. Wo war ich nur gelandet und warum hatte
ich nicht laut und deutlich NEIN gesagt?
Führungsqualität gefragt
Aus der Wüste kam ein riesiger Truck mit Anhänger auf
uns zu. "Ah, der Holzlieferant", rief mein amerikanischer Kollege.
Der Fahrer stieg aus und fragte, wo er seine Ladung abladen solle.
"Ransom, was soll hier geschehen?", "Das Holz brauchen wir für
die Gebäude". Hätte ich mir fast gedacht. Der Fahrer holte einige Papiere
aus dem Truck und fragte: „Wer ist hier zuständig?“ Mit einer knappen
Handbewegung deutete Ransom auf mich. Hee? Er konnte ja nicht wissen, das ich
in handwerklichen Dingen immer auf die Hilfe anderer angewiesen war. Ich
musste aber eingestehen: zuständig sah ich schon aus.
Was nun? Ich nahm den Stapel entgegen und tat so als
würde ich den Inhalt studieren. "Ransom, was ist C1-Sperrholz?".
"Wird für die Wände benötigt, ist beste Qualität".
Hatte Vadim nicht gesagt, das die gesamten Kulissen
zum Ende des Films in Flammen aufgehen würden? "Ich will das billigste
Sperrholz. Die Balken können sie abladen, aber das Sperrholz wird
ausgetauscht". Den Protest des Fahrers ignorierte ich einfach. Hoffentlich
bedeutete Zuständigkeit nicht auch Verantwortung!
Nun standen wir mitten in der Wüste. Ein Stehpult mit
Zeichnungen, stapelweise Balken und zwei Menschen, von denen einer den anderen
leicht zweifelnd ansah.
Film ist schick, oder?
Nach einer Stunde erschien unser Holzlieferant mit
leicht säuerlichem Gesicht und lud das preisgünstigere Sperrholz ab. Nur gut,
dass er keinen Colt bei sich hatte. Man war ja schließlich in Texas.
Schwungvoll unterzeichnete ich die Lieferpapiere.
Aus dem nichts der Wüste tauchte plötzlich ein Trupp
Mexikaner auf. Ohne Auto, zu Fuß?
Einer stellte sich vor: "I´m Jesus, we are ready
to start". Meine erste Begegnung mit Jesus, mitten in der Wüste! Was für
ein Leben!
Er schaute sich die Zeichnungen an, rief seinen Leuten
etwas zu und es lief etwas Unglaubliches ab. Balken wurden gesägt und
ausgelegt. Wildes hämmern und das Fundament der Tankstelle war gelegt. In wenigen
Stunden waren sie dabei die Sperrholzplatte anzunageln. Jesus schaute
gelegentlich auf den Plan und ich versuchte, möglichst kompetent auszusehen.
Zuständigkeit ist keine leichte Aufgabe, oder?
Wir verabredeten für den nächsten Morgen. Der Trupp
verschwand in der Wüste, ich packte die Zeichnungen zusammen und machte mich
auf den Weg.
Im Plaza-Hotel angekommen wurde ich schon im Büro
erwartet. Produzent, Produktionsleiter, Aufnahmeleiter, und alle im Raum
gratulierten mir zu meinem ersten Tageswerk. Was hatte ich eigentlich geschafft.
Außer möglichst kompetent auszusehen und dem Trinken von mindestens drei Liter
Wasser eigentlich nichts Weltbewegendes.
Vadim erzählte mir später an der Bar, meine Sperrholzentscheidung
hätte rund 15.000 $ eingespart.
Erkenntnis: Ich bin ein Finanzgenie!
Am nächsten Morgen erschienen Jesus und sein Trupp aus
der öden Landschaft. Wo blieben die eigentlich nachts? Ein Lächeln, ein kurzer
Blick auf die Zeichnungen und schon hörte man emsiges Hämmern. Die Überdachung
der Tankstelle, der Innenausbau vom Diner und dem angrenzenden Workshop
erfolgten in Windeseile.
Mein
erster Tornado
Wieder lagen wir im Plan. Jesus und seine „Jünger“
verschwanden winkend im Nirgendwo.
Wir packten unsere Unterlagen zusammen. Im Horizont
war ein bleistiftgroßer schwarzer Finger zu sehen. „Was ist das?“ , fragte ich
Ransom. „Ein Tornado, wir sollten uns schnell in Sicherheit bringen.“ In Sicherheit,
nun übertrieb er gewaltig. Der „Finger“ war meilenweit entfernt. Ransom bestand
darauf, dass wir unseren Wagen in eine Senke fahren und dort warten sollten. Es
sei für eine Flucht zu spät.
Kaum geschehen wurde der Pick-up kräftig durchgeschüttelt.
Es dauerte endlose Minuten und wir konnten durch aufgewirbelten Sand nichts
sehen. Schlagartig wurde es geradezu gespenstisch ruhig. Wir trauten uns
auszusteigen und erklommen den Rand der Senke. Überall lagen Trümmer herum.
Alle Bauten waren zerstört.
Deprimiert machten wir uns auf den Weg nach El Paso.
Als wir die schlechte Nachricht verkündigten, wurde sofort ein Meeting des
Stabes einberufen. „Sind wir versichert?, müssen wir den Dreh verschieben?, was
können wir tun?“ Alle waren nervös.
„Ich bin
sicher, wir können die Zeit wieder einholen. Ich habe alle Schritte und
Probleme bis jetzt notiert. Es ist möglich in wesentlich kürzerer Zeit die
Bauten wiederherzustellen.“ Ungläubige Blicke der versammelten Crew. Der
Neuling im Filmgeschäft will das Problem lösen?
Vadim forderte mich auf, mit ihm und seinem Regieassistenten
Marijan Vajda in die Bar zu gehen. „Glaubst Du wirklich, wir können die Arbeit
von zehn Tagen in fünf Tagen erledigen?“ Mir gelang es, die beiden zu
überzeugen.
Nach fünf Tagen war alles erledigt. In der Zeit habe
ich maximal fünf Stunden am Tag geschlafen.
Erkenntnis: Schlaf kann man nachholen, oder?
Statt
Urlaub arbeiten im Art Departement
Ungefragt wurde ich nun während der Vorbereitung zum
Dreh mit diversen Aufgaben betreut. Am Drehort liefen die Arbeiten wie geplant
und ich sollte mich mit der Leiterin des Art Departements treffen. Was war
eigentlich ein Art Departement?
Die Chefin Nora Chavoosian schaute etwas skeptisch,
als ich ihr Zimmer betrat. Sie saß im Schneidersitz auf dem Bett, umgeben von
Papierstapeln. „OK, here are some urgent tasks.“ Sie nahm einen Packen Papier
und reichte ihn mir. „We need 50 cars vintage 1950 or earlier with licence
plates.“ Eine echte Aufgabe für ein pfiffiges Kerlchen wie mich, oder?
Ich ging ziemlich verwirrt in die Lobby. Erst mal
einen Kaffee und eine Zigarette. Kaum hingesetzt sprach mich der Hotelbesitzer
Mike Dipp an. „Hi, habe gerade mit Deiner Frau gesprochen. Immer ein wahres
Erlebnis. Hat unsere Rechnung um 5000,00 Dollar gekürzt.“ Er lachte: „Taffe
Geschäftsfrau. Dachte niemand, würde unsere Buchungsfehler merken.“
„Du siehst etwas verwirrt aus, Probleme? Ich erzählte
Mike von der neuen Herausforderung. „Komm in mein Büro.“ Ich nahm meinen
Kaffeebecher und folgte ihm.
In seinem Büro angekommen führte er diverse Telefonate
und machte sich Notizen. Als er das letzte Gespräch beendet hatte, gab er mir
den Zettel. „Das sind Freunde mit Autos aus den Fünfzigern. Mach Termine und
schau Dir die Wagen an. Ich habe Dich bei ihnen angemeldet.“
Erkenntnis: Wenn Du nicht mehr weiter kannst,
kommuniziere Deine Probleme!
Sofort fing ich an, die Telefonliste abzuarbeiten. Notierte
die genannten Adressen und legte mithilfe eines Stadtplans die Route fest.
Schon der erste Kontakt war ein Riesenerfolg. Ich fuhr
zu der abgegebenen Adresse und hielt vor dem Haupteingang einer großen Fabrik.
Zu meiner Überraschung wurde ich sofort in das riesige Büro des Chefs geführt.
Mit der so typischen, amerikanischen Freundlichkeit begrüßte er mich „Hi, Mike
hat mich angerufen wegen der Autos und muss etwas durcheinandergebracht
haben. Ich sammle zwar Oldtimer, aber nur zwischen 1903-1925. No Problem at
all, hier ist eine Liste mit Freunden, die Dir helfen können. Sie warten nur
auf Deinen Besuch.“ God bless America, dachte ich und war wieder unterwegs.
Nach zwei Tagen legte ich Nora die unterschriebenen
Verträge und Polaroids der Wagen vor. Nun fehlten nur noch die passenden
Nummernschilder. Wieder half Mike Dipp.
Ich fuhr zum genannten Ort und fand einen Gebrauchtwagenhändler.
Öl verschmiert, einen ebenso öligen Stetson auf dem Kopf begrüßte er mich und
fragte nach meinen Wünschen. Fünfzig Nummernschilder von 1950, kein Problem.
Hinter der Werkstatt hingen Hunderte an einem Holzzaun. Bingo!
Vorsichtig fragte ich nach dem Preis. „Wenn Du meinem
Sohn einen Job beim Film beschaffst, nimm Dir alle, die Dir gefallen. So wurde
Mike Jr. kurzerhand zu meinem Assistenten ernannt. Beim Film hatte schließlich
jeder einen Assistenten und natürlich die auch Assistenten.
Nora fiel fast vom Glauben ab. Nie hätte sie von dem
Neuling eine so schnelle Erledigung erwartet. Als Dank ging es wieder zurück
zum Drehort. Die Mexikaner hatten die Garage und den Diner fertiggestellt. Jesus
verschwand mit seinem Trupp in der Wüste. Tschüss Jesus!
Am Stehpult besprach ich mit Ransom die ausstehenden
Aufgaben. Mike Jr. sorgte für kühle Getränke und beobachtete uns aufmerksam.
„Morgen kommt
ein Filmmaler aus Hollywood und bringt die Gebäude in den 50er-Look, außerdem
müssen wir Tanksäulen aus der Zeit besorgen. Nora schickt uns Annamarie raus.
Wir brauchen Einrichtungsgegenstände für den Diner. Der Filmarchitekt braucht
noch eine Art alten Bohrturm für das Autokino. Ein Wohnwagen wird angeliefert
und soll zum Cat-House umgebaut werden.“
An Arbeit schien es nicht zu mangeln.
Erkenntnis:
Man wächst mit seinen Aufgaben!
Am nächsten Morgen besorgte ich mir ein dickes
Ringbuch in einem Supermarkt. Bei den vielen Aufgaben ging es nicht ohne
Notizen. Der riesige Supermarkt war mir schon bei der ersten Fahrt zur McGregor
Range aufgefallen. Er hatte rund um die Uhr geöffnet und hatte augenscheinlich
tausende Parkplätze. Bei späteren Besuchen entdeckte ich eine anscheinend typische
Marotte der Amerikaner. Gehe nie zu Fuß, oder vermeide es wenn möglich. Alle
versuchten in der ersten oder zweite Reihe zu parken. Geduldig kurvten sie um
diese begehrten Plätze zu ergattern minutenlang herum.
Ransom wartete schon am Stehpult. Mike Jr. war auch
schon da und servierte mir eine Flasche Gatorade. Das Zeugs schmeckte nicht
besonders, war aber laut Reklame lebensnotwendig in heißen Regionen. Wir
sprachen gerade die Tagesaufgaben ab, als ein Wagen erschien. Ein dürrer Mann
in einem Overall stieg aus und begrüßte uns: „Hi, my name is Burt, time to
dress up this place a little bit. Let´s have a look first.“ Er ging auf den
Diner und die Tankstelle zu und schaute sich die Bauten aus der Nähe an.
Ransom: „he´s a famous film-painter from Hollywood.“
Burt kam zu unserem Stehpult und schaute sich die Zeichnungen an. „the place should look ramshackled
and neglected since the 50th. Ok, let´s start.“
Sprach es und entnahm dem Kofferraum einige Eimer und
Gerätschaften. „Was für ein komischer Vogel“ , dachte ich und staunte, als er
anfing mit einem großen Pinsel wirre, graue Kreuze an die Wände malte.
Nach einiger Zeit drehte er sich um, sah meinen
skeptischen Blick und winkte mich zu sich. „Durch die Kamera sieht es später
ganz anders aus, glaub mir.“ Eher fällt in Peking ein Sack Reis um, der will
mich auf den Arm nehmen! Unbeirrt kleckste der berühmte Filmmaler weiter.
Am nächsten Morgen erschien der Kameramann mit seinen
Assistenten. Nach der Begrüßung bauten sie ihre Kamera auf und machten einige
Probeschwenks. Der Kameramann Martin Schäfer forderte mich auf einen Blick
durch die Kamera zu werfen. Potz Blitz, die Gebäude sahen heruntergekommen und
total verwittert aus. Martin lachte: „Wir können zaubern. Burt hat großartig
gearbeitet“
Erkenntnis: Augen können täuschen!
Die Suche
auf den Junk Yards und überall
Die Bauten waren fast fertig, nun musste für die
Ausstattung gesorgt werden. Auf dem Wunschzettel des Architekten stand ein
eiserner Turm für die Projektorkabine des Autokinos. Müsste sich doch in der
Wüste finden lassen, oder?
Das Art-Department und neue
Aufgaben
Ich machte mich mit Nora und Annamarie auf den Weg zum
nächsten Junk Yard. So etwas hatte ich nicht erwartet. Der Schrottplatz war
mehrere Quadratkilometer groß. Übereinandergestapelte Jets, tausende Autowracks,
Elektroschrott und Möbelberge waren zu sehen. Ein Mitarbeiter zeigte uns einen
rostigen ca. 20 Meter großen Bohrturm. Bingo!
Die Mädels kramten inzwischen im Möbelberg. Alte
Küchenteile wurden gesucht und beiseite gestellt. Als ich ihre Ausbeute sah,
traute ich meinen Augen nicht.
„Dieser Müll soll am Set eine Küche darstellen?“ „Ja,
warte es ab.“
Erkenntnis: Die Kamera muss wirklich zaubern
können!
Wir organisierten einen LKW für den Abtransport. Die
Bezahlung war einfach organisiert. Der LKW wurde bei der Einfahrt gewogen und
bei der Ausfahrt erneut. Das Zusatzgewicht wurde mit einem Pauschalpreis
berechnet. Ich hätte gerne einen der gut erhaltenen Jets mitgenommen, aber
wohin mit einer F86? Wüstenkoller?
Nach der Anlieferung am Set wurde der alte Bohrturm
mit vereinten Kräften an der vorgegebenen Stelle aufgerichtet. Die Küchenmöbel
wanderten in den Diner und die Mädels stellten die Teile zusammen. „Das muss
ja fürchterlich auf der Leinwand aussehen.“ „Warte es ab.“ Ich ging
kopfschüttelnd nach draußen. Andreas Willim, der zuständige Bühnenarbeiter
sagte, er bräuchte einige große Fleischerhaken für den Transport der Teile des
Projektorhäuschens. Endlich eine Aufgabe für den Superorganisator!
Auf dem Weg zwischen dem künftigen Drehort und El Paso
gab es einen riesigen Supermarkt. Also rein in den Pick-up und Fleischerhaken
besorgen. „Fleischerhaken?“ Wie heißen die Dinger eigentlich auf Englisch.
Hatte den Tag in der Schule wohl versäumt.
Egal, man wächst schließlich mit Herausforderungen,
oder? Ich irrte in dem Riesenmarkt herum. Nach einer pantomimischen
Glanzleistung meinerseits sagte ein lächelnder Angestellter: „oh, you are
Looking for S-shaped Hooks. They are over there.“ ,
Zehn „S-shaped hooks“ sahen in dem gewaltigen
Einkaufswagen ziemlich mickrig aus. Auf in die Lebensmittelabteilung. Mir kam
eine blendende Idee, eine Frühstückspause für das Team. Weil deutsche Soldaten
nahe El Paso stationiert waren, gab es sogar Schwarzbrot, Mettwurst, Löwensenf
und noch mehr Spezialitäten. Der Einkaufswagen füllte sich sehr schnell.
Norwegischer Jarlsbergkäse wurde kurzerhand eingedeutscht. Merken die Amis
nicht, oder?
Eine Rolle weißes Papier, Pappteller, Becher und
Plastikbestecke waren für den Anlass gerade richtig. Für die Mädels besorgte
ich Zahnbürsten, Zahnpasta und Kleenextücher. Sie waren bis zu 18 Stunden am rackern
und würden das Geschenk sicherlich begrüßen.
Am Set angekommen gab ich Andreas die Haken und
erklärte dem Team, das der Diner für eine halbe Stunde eine No-go-Area sei. Die
skeptischen Blicke zeigten eindeutig: „Nun hat er einen Sonnenstich!“
Ich schleppte meinen übrigen Einkauf ins Diner. Zwei
Tische wurden zusammen- gestellt und mit dem weißen Papier belegt. Teller,
Becher und Bestecke angeordnet und die Fressalien optisch verteilt. Jarlsberg,
Mettwurst, Gurken, Löwensenf und Brot warteten auf die Gäste. Eine Kiste
Becks-Bier stand gut gekühlt bereit. Ein letzter Blick und dann der Ruf: „Come
in, folks.“
Die Blicke werde ich nie vergessen. Einige hatten sogar
Tränen in den Augen. Mit so einer Überraschung hatte keiner gerechnet.
Erkenntnis: Tue Gutes und optimiere Dein Ansehen!
Die Suche
nach Requisiten
Die Liste der benötigten Requisiten war endlos. Wir
mieteten einige Container, um die jeweilige „Beute“ zwischenzulagern. Alte
Tanksäulen, Ausrüstungen für den Diner und vieles mehr wurde verstaut.
Auf einem Flohmarkt in den Außenbezirken von El Paso
fand ich einen Koffer mit einer uralten Polaroid-Kamera (Typ 95 ) und mehreren
Filmpäckchen. Nach zähen Verhandlungen erstand ich das Prachtstück. Die
mexikanische Verkäuferin ahnte nicht, welchen Schatz sie für 55 $ verkauft
hatte.
Als wir am Abend ins Hotel kamen, trafen wir Vadim
und einige andere Crew-Mitglieder. Sie waren auf dem Weg zur Bar. Meine
Neuerwerbung in der Hand schloss ich mich ihnen an. Nach der Hitze draußen
kämen einige „Frozen Margaritas“ gerade recht.
„Was hast Du denn da in dem Koffer?“ Vadim war
neugierig. „Habe eine Land-Kamera auf dem Flohmarkt gefunden.“ Minuten später
wechselte die Neuerwerbung den Besitzer. Vadim brauchte das Schmuckstück für
seine Sammlung!
Erkenntnis: Manchmal war ich einfach zu großzügig, oder?
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