Donnerstag, 18. April 2013

6.1 Immer noch IBMer



Präsentationen und sich verkaufen


Es war die hohe Zeit der sogenannten Mainframes. Wir waren stets mit den modernsten Modellen ausge­stattet. Zur Vorbereitung einer Kundenführung ließ ich mir von einem Techniker zeigen, wie man die Gehäu­setüren des neuen Großrechners öffnen kann. Es ist bei Präsentationen immer wichtig, den Kunden direkt an­zusehen.

Ich übte also den Griff zur Tür! Als der große Au­genblick kam, sah ich nur lachende Gesichter. Ich hatte verkündet: "Nun werfen wir einmal einen Blick ins In­nere", und gekonnt die Gehäusetür geöffnet. Im Gestell hing eine Anzugjacke auf einem Bügel und eine Kiste Coca-Cola wartete auf den Verzehr.


Erkenntnis: Vorher nachschauen lohnt sich manchmal!
Ein besonderes Präsentationserlebnis war eine Rei­he von Workshops in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ich hatte ein Buch über Systems Management geschrieben und wurde von einem Veranstalter aus München gebeten, eine 5-tägige Tour durch die o. a. Länder zu unternehmen. Zusammen mit einem Moderator hielten wir eintägige Seminare. München, Stuttgart, Wien, Zürich und Bern waren die Veranstaltungsorte.

In München lief die Veranstaltung ohne besondere Vorkommnisse ab. Ich hatte nur Schwierigkeiten bei ei­nigen Fragen der Teilnehmer. Hatten die eigentlich kein Deutsch in der Schule?

Besonders Zürich wird mir immer in Erinnerung bleiben. Ich hatte ein bestimmtes Ritual: suche Dir in der ersten Reihe jemanden aus und versuche die Reak­tion auf deine Worte zu interpretieren. Nach der Einlei­tung durch den Moderator fand ich ein "Opfer". Ein schmächtiger IT-Direktor einer großen Schweizer Bank. Nadelstreifen und gelangweilter Blick!

Ich begann mit meinem Programm und wurde ziemlich nervös. Der Typ saß, ohne eine Miene zu ver­ziehen auf seinem Platz. Ich versuchte alles aus der Trickkiste für Präsentationen: lauter Reden, leiser Re­den, Anekdoten zur Lockerung. Keine Wirkung.

In der Mittagspause unterhielten sich die Teilneh­mer in der gutturalen Stammessprache und bis auf ein "schmeckt es Ihnen“ war ich ziemlich isoliert. Das deu­tete auf einen qualvollen Nachmittag hin.

Ich forderte die Teilnehmer auf, bei Fragen jederzeit zu unterbrechen. Überrascht sah ich die Hand des IT-Direktors hochschnellen (nicht direkt rasant, sondern mit Schweizer Schnelligkeit). "Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn wir unsere Fragen in Schwyzer­dütsch stellen?“ "Wenn ich auf Plattdeutsch antworten kann, gerne“ rettete den Nachmittag.

Nach dem Abschluss wurde ich von den Teilneh­mern in ein Restaurant eingeladen. Ich musste meinen Rückflug nach Hamburg stornieren. Es war ein toller Abend. Ich hatte noch jahrelang Kontakt mit einigen Teilnehmern.

 Erkenntnis: Schlagfertigkeit kann gelegentlich die Rettung sein und fördert die orale Wertschöpfung!


Eine andere Veranstaltung in Glückstadt wurde auch ein Erfolgserlebnis. Ich sollte vor einer Reihe von Managern über Managementmethoden und Führungs­techniken sprechen. Bei der Ankunft teilte man mir mit, das es eine kleine Ablaufänderung geben würde. Ich sollte nicht wie geplant um 10 Uhr starten, sondern nach dem Mittagsessen. Ausgerechnet nach dem Mit­tagsessen. Alle sind dann satt und müde. Schöne Aus­sichten!

Wie erwartet saßen die Herren und Damen gelang­weilt herum und ich hörte, dass sie sich, während ich vorgestellt wurde, unterhielten. "Der neue Vorstand war doch.., ich habe gehört ihr ... usw.“ Das konnte ja eine qualvolle Stunde werden!

Kurz entschlossen änderte ich meinen Vortrag. Ich begann, die Teilnehmer mit frechen Thesen zu bombar­dieren. „Ich habe absolut kein Verhältnis zu den eige­nen Prioritäten, verschwende viel Zeit mit überflüssi­gen Meetings, höre nicht auf meine Mitarbeiter, halte eigene Ziele nicht ein. Ich bin ein typisches Beispiel für uns alle".

Ein Ruck ging durch die Reihen und ich sah in em­pörte, protestierende Gesichter. Ich lies mich selbst von dem gefrorenen Gesicht des anwesenden Veranstalters nicht bremsen. Nun schnell umschalten. „WIR müssen an uns arbeiten und ich habe einige Ideen und Vorschläge". Das "wir“ kam an und es wurde eine lebhafte Session. Sie begleiteten mich bis zum Parkplatz und trotz Aufforderung des verzweifelten Veranstalters: "Meine Damen und Herren, es geht weiter im Programm“ diskutierten wir draußen noch dreißig Minuten.

Es wurden Visitenkarten ausgetauscht und ich ge­wann neue Kunden.

 Erkenntnis: Man sollte sich öfter auf sein Baugefühl verlassen.

Das kam mir recht Chinesisch vor

Eine weitere Präsentation erweiterte meinen Erfah­rungsschatz. Der Vorstand eines Back-up-Unterneh­mens bat mich, einen Vortrag über Back-up-Anforde­rungen vor einer chinesischen Delegation zu halten. Dauer eine Stunde und natürlich auf Englisch. Ich sag­te zu und erstellte die benötigten Folien.

Am vereinbarten Termin wurde ich der fernöstli­chen Delegation vorgestellt. Der Chef war Minister und leicht von den anderen Teilnehmern zu unter­scheiden. Er war größer und fülliger! Begleitet wurde er von fünf schmächtigen Assistenten mit großen Schreibblöcken und einer zierlichen Dolmetscherin.

Hier begannen die Schwierigkeiten. Ich legte die erste Folie mit den Punkten der Präsentation auf und nach den einleitenden Worten begann die Dolmetsche­rin gefühlte fünf Minuten den Inhalt der Folie zu über­setzen, und die Assistenten eifrig mitzuschreiben. Mein ganzer Zeitplan kam ins Wanken.

Nach dreißig Minuten waren wir bei Folie 3 und ich fing an zu schwitzen. Es gab Handlungsbedarf, also bat ich um eine kurze Pause. Der Minister kam auf mich zu und bot mir eine chinesische Zigarette an. Nach einem heftigen Hustenanfall sagte ich: "Es ist recht problematisch, in einer dritten Sprache miteinan­der zu kommunizieren. Leider beherrsche ich Ihre schöne Sprache nicht.“

"No Problem", kam als Antwort.
Der Mann sprach fließend Englisch und seine Assis­tenten ebenso.

Als der Gastgeber erschien und den Minister an das geplante Abendessen erinnerte, sagte der: „Wir bleiben lieber hier und machen weiter.“

Wir überzogen die geplante Zeit erheblich, und ich erhielt eine Einladung nach Peking, der ich leider nicht folgte.

Erlebnisse auf Fahrten zum Arbeits­platz und zurück

Als ich an einem Wintermorgen die Schneeberge vor dem Haus sah, entschloss ich lieber, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Seit sechs Wochen war ich Nichtraucher und daher wurde nur kurz gefrühstückt. Irgendwas fehlte!

Ich ging durch den knirschenden Schnee den kurz­en Weg zur U-Bahn Volksdorf. Es war verdammt kalt. Vor dem U-Bahn-Gebäude war die Bushaltestelle Rich­tung Langenhorn. Büroschuhe waren nicht gerade ide­al bei dem Sauwetter. Um mich warmzuhalten, trippel­te ich auf der Stelle. Wo bleibt der Bus? Mein Blick fiel auf einen Zigarettenautomaten an der Wand. NEIN!!!

Zehn Minuten später war der Bus noch nicht da. Halb erfroren sagte eine innere Stimme: „Wenn er in fünf Minuten nicht kommt, kaufe eine Packung Ziga­retten.“

Ich suchte mit klammen Fingern nach passendem Kleingeld und bewegte mich Richtung Automat. Da er­schien der Bus. Ich stieg ein, legte das Geld hin und sagte: „eine Marlboro bitte.“

Der Fahrer hat bis zum Fahrziel gelacht!

Erkenntnis: Der innere Schweinehund ist schwer zu be­siegen
Bei einer anderen Busfahrt hatte ich eine ungünstige Zeit gewählt. Alles voller lauter Schüler. Auf der hin­tersten Bank fand ich noch Platz. Neben mir saß ein Afrikaner und las in einem Buch. Ein Blick auf den Buchdeckel: „Johann Gottfried Herders Ideen zur Phi­losophie der Geschichte der Menschheit“

 Verlegen packte ich meine Bildzeitung wieder ein.



Es gab auch Urlaub zwischendurch


Wenn wir es einmal schafften, einen gemeinsamen Urlaubstermin abzustimmen erfolgte umgehend die Auswahl der Ziele.

Freunde aus Bremen erzählten, sie würden mit dem Auto nach Cadaqués in Spanien fahren. Wir entschlos­sen uns spontan, mitzufahren. Die Wagen wurden be­laden und wir starteten die Tour. Von Bremen steuer­ten wir unser erstes Etappenziel an. Claude kannte dort einen Weinbauern in Riquewihr und wusste, dass dort Gästezimmer vermietet würden.

Wir hatten Glück, die Zimmer waren frei. Nach ein­räumen unserer Siebensachen trafen wir uns im Hof des Weingutes. Unsere Damen wollten mit Per in den Ort fahren. Claude und ich nahmen lieber das Angebot zu einer Weinprobe an. Lange Gesichter unserer Liebs­ten konnten uns nicht umstimmen. Schließlich sagt man ja nicht umsonst: „in vino veritas!“

Wir folgten unserem Gastgeber in einen Weinkeller. Er lag in einem 1,5 Kilometer langen Gang unter den Weinbergen. Kerzenlicht und die kühle Temperatur sorgten für beste Voraussetzungen für die Probe. Herr­liche Tropfen wurden probiert. Nach zwei Stunden gingen wir wieder nach oben. Geblendet vom grellen Sonnenlicht und den vielen Gläschen war es Zeit für einen Nickerchen.

Abends fuhren wir in ein Restaurant im Ort. Immer noch nicht ganz nüchtern ließ ich mich zu Weinberg­schnecken überreden. Hätte ich ohne die Weinprobe nie bestellt.

Erkenntnis: Was der Bauer nicht kennt ….......

Weiter ging es Richtung Spanien. Kurz vor dem Grenzübergang blinkte Claude kurz und fuhr in die Berge. Seltsamer Vogel, warum hält er nicht und sagt, was los ist? Er hielt vor dem Eingang eines einsamen Bauernhofs. Kaum ausgestiegen liefen mehrere Bewoh­ner des Hauses auf ihn zu. Küsschen links und Küss­chen rechts. Ich verstand keines ihrer Worte, da ich bei aller Sprachbegabung nie Französisch gelernt hatte.

Nach der lebhaften Begrüßung sagte Claude, wir würden eine Mittagspause bei seinen Freunden ma­chen. Ich habe selten so gut gegessen.

Nun waren es nur noch wenige Kilometer zu unse­rem Ziel. Wir folgten dem Wegweiser nach Cadaqués und parkten im Zentrum.

Dorit, Claude und Per wollten zu einem Camping­platz in der Nähe. Wir gingen zur Touristeninformati­on und buchten eine Ferienwohnung. Wir verabrede­ten ein Treffen am Abend und bezogen unser neues Domizil. Cadaqués gefiel uns auf den ersten Blick. Ein malerischer Ort. Nach dem Einräumen unserer Sachen erkundeten wir die Gegend. Wo waren gute Restau­rants, wo konnte man einkaufen und wo gab es Schuh­geschäfte? Letzteres war für Ellen immens wichtig!

Am Abend trafen wir uns mit Dorit, Claude und Per (dem Sohn aus Dorits 1. Ehe) in einem Restaurant am Hafen. Wir hatten einen Tisch draußen gewählt. Die herrliche Luft und der Blick auf die malerische Bucht sorgten für die richtige Urlaubsstimmung. Als ich auf der Karte sah, es gäbe Schnecken, dachte ich an meinen ersten Versuch im Elsass und bestellte eine große Porti­on. Beim servieren verging mir jedoch der Appetit: Eine Salatschüssel garniert mit Weinbergschnecken ohne Gehäuse! Großzügig schenkte ich die Portion Claude. Franzosen essen alles, oder?

Plötzlich herrschte absolute Ruhe, alle Gäste schauten auf die gegenüberliegende Landzunge. Ein Ruderboot fuhr in die Bucht. Am Heck stand ein Mann gekleidet mit einem langen Umhang und einem Hirtenstab. Der Umhang war mit leuchtend roter Seide gefüttert. „Sal­vadore Dali kommt“ , hörte man flüstern. Am Neben­tisch saß ein englisches Ehepaar, das öfter in Cadaqués Urlaub gemacht hatte. Der Mann erklärte die merk­würdige Prozedur. Dali wohnte hinter der Langzunge und lies sich gelegentlich von einem Fischer für einen Aperitif in die Bucht rudern.

An der Mole angekommen, ging der Maler langsam majestätisch in die nächste Bar, grüßte huldvoll die Gäste, zelebrierte seinen Drink und bestieg das Ruder­boot. Nie werde ich den Anblick des um die Landzun­ge verschwindenden Bootes vergessen.



Der Engländer erzählte uns, dass es Dali zu verdan­ken war, das Cadaqués so urtümlich erhalten war. Er drohte z. B. bei Planungen neue Hotels zu bauen mit dem Wegzug.

Danke Savatore!

Als Frühaufsteher machte ich kurz nach Sonnenauf­gang einen Spaziergang. Ich wollte das Haus von Dali einmal ansehen. Der Anblick war fantastisch. Auf dem Dach saß eine riesige weiße Henne und legte offen­sichtlich ein Ei. Direkt unter der Henne stand ein Eier­becher. Dali, das verrückte Huhn!

Zwischen den Palmen hatte er ein Kamel platziert. Sein Anwesen bestand aus mehreren alten Fischerhäu­sern. Ich schlenderte herunter zur Mole und schaute auf das Meer. Plötzlich sagte eine Stimme: „Hallo, wo kommen Sie her?“ Ich drehte mich um. Ein Mann in ei­ner braunen Lederjacke lächelte mich an. „Ich bin Ur­lauber und komme aus Deutschland“ , antwortete ich. „Genießen Sie Ihren Urlaub“ , sprach es und ging zum Eingang der Dali-Villa.

Da begegnet man einem begnadeten Künstler und erkennt ihn nicht!

Erkenntnis: Manchmal war ich blind

Der schöne Urlaub ging zu Ende und wir machten uns auf den Heimweg. Unsere Freunde wollten noch Besuche in Frankreich machen. Wir fuhren über die Schweiz Richtung Heimat.

Kurz nach Stuttgart bat Ellen um eine Unterbre­chung der Fahrt. Sie war müde und hungrig. Ich ver­ließ die Autobahn und sah im nächsten Dorf einen Gasthof mit dem beleuchteten Hinweis: „Fremdenzim­mer frei.“

Ich fragte den Wirt nach einem freien Zimmer. Er nickte, sah kurz zu seiner Frau. Ich sah, wie sie den Kopf schüttelte. Dieser verschwitzte Kerl kam als Gast nicht infrage. „Dann schalten Sie den Hinweis vor dem Eingang besser ab. Ich hätte nach dem ersten Eindruck ohnehin kein Zimmer gemietet.“ Das tat gut!

Ellen war natürlich enttäuscht. Nach wenigen Kilo­metern sah ich ein Hinweisschild: Schlosshotel X in 3 Kilometer. Ohne zu zögern, folgte ich dem Richtungs­pfeil. Wir hielten vor einem imposanten Gebäude. An der Rezeption wurde ich freundlich begrüßt. Ein Zim­mer wäre frei und unser Gepäck würde sofort nach oben geschafft.

Im Zimmer angekommen machten wir uns frisch, nahmen die Speisekarte, suchten etwas Schmackhaftes aus und riefen den Zimmerservice. „Warum besuchen Sie nicht unser Restaurant, dort ist die Auswahl grö­ßer? Unseren Hinweis wir wären zu müde nach der langen Fahrt und hätte keine Lust uns für einen Re­staurantbesuch umzuziehen, wurde freundlich igno­riert. „Sie sind Gast unseres Hauses und wir haben kei­ne Kleiderordnung, ich reserviere Ihnen einen Tisch“


Erkenntnis: Vermeide Fremdenzimmer wenn möglich!

Der Rat war goldrichtig. Man hatte uns einen Tisch in einer Nische reserviert. Die Müdigkeit verschwand umgehend. Die Küche und der Service waren hervor­ragend.

Am nächsten Morgen fuhren wir nach einem fruga­len Frühstück Richtung Hamburg.

Ausgeruht ging es wieder an die Arbeit.



Tägliche Routine



Von unserem Chef konnte man viel lernen:

„Machen Sie nach der Ankunft morgens einen Rundgang und begrüßen Sie die Mitarbeiter. Hören Sie genau auf die Gesprächsthemen. Haben Sie immer ein offenes Ohr.“
„Planen Sie Ihre eigene Karriere. Verfolgen Sie Ent­wicklungen und Trends.“

 „Denken Sie immer daran: 20 % der offenen Proble­me erfordern 80 % Ihrer Arbeitskraft.“

„Vermeiden Sie seitenlange Berichte, eine Seite sollte Standard sein. Ein Management-Summery muss eine klare Empfehlung für notwendige Entscheidungen beinhalten.

 „Arbeiten Sie Ihren Stellvertreter ein. Wenn Sie einen Wechsel planen, muss er in der Lage sein, Ihre Position zu übernehmen“

„Vermeiden Sie emotionale Reaktionen“

Er hielt sich nicht immer an die eigenen Ratschläge, das war eben ein Privileg für Vorgesetzte.

Der morgendliche Rundgang war jedoch ein wert­voller Hinweis. Eines Tages besuchte ich unser Bandar­chiv. Der Archivar war total im Stress. „Was ist denn los heute? „Ich muss tausende Bänder freigeben.“ Alarm! Tausende von über 13000 Magnetbänder? Nor­mal waren 100-200. Des Rätsels Lösung: der Konsol­operator hatte beim Start sich bei der Eingabe des Startdatums bei der Jahreszahl geirrt.

Ein Neustart wurde sofort durchgeführt und alle Betroffenen informiert. Die Konsol- und Archivprozes­se wurden angepasst.

Erkenntnis: Höre zu und lerne


Die richtige Gesprächsführung

Er gab auch wichtige Ratschläge für Konversation und berufliche Gespräche. „Merken Sie sich eine einfa­che Regel: positiver Einstieg, Besprechung negativer Punkte und immer einen positiven Ausklang.“



Wir konstruierten daraufhin eine Art Eselsbrücke:



          (Positiv) Schön, dass wir uns treffen und mit­einander reden können

          (Negativ) Sie sind mit sofortiger Wirkung ent­lassen

          (Positiv) Die gemeinsame Zeit unserer Zusam­menarbeit war sehr schön




War einfach zu merken, oder?



Ich nahm mit einem Kollegen an einem Rhetorik­training in Sindelfingen teil. Gesprächsführung wurde mit unterschiedlichen Szenarien auf einer Bühne durchgeführt und aufgezeichnet. Freund Jürgen S. soll­te bei einer dieser Übungen einen Manager darstellen. Der Trainer hatte inzwischen einer Teilnehmerin eine Aufgabe gestellt. Sie sollte sich einen Termin geben las­sen und sich bei ihrem Chef über die häufigen Über­stunden, und damit verbundene Eheprobleme auslas­sen.



Auf der Bühne saß Jürgen an seinem Schreibtisch und blätterte in einigen Papieren. Die Mitarbeiterin be­trat die Bühne. Jürgen erhob sich und deutete einla­dend auf den Stuhl vor seinem Tisch. „Schön, dass wir mal miteinander Zeit für ein Gespräch haben. Wie geht es Ihnen?“ Der positive Einstieg war gelungen!



„Die Belastung durch die vielen Überstunden in der letzten Zeit, haben zu Problemen in meiner Ehe ge­führt.“ Sie war eine gute Schauspielerin, sogar Tränen!



„Sie sehen doch, das wir alle im Augenblick sehr viel zu tun haben. Ich komme auch immer spät heim und sehe meine Kinder kaum. Erwarten Sie das ich hier auch noch den Eheberater spiele?“ Seine Stimme wurde geradezu schrill und er bekam einen roten Kopf. Der „negative“ Teil änderte in einer Katastrophe. Die Mitarbeiterin fing wirklich an zu weinen und rann­te davon. Der Trainer unterbrach die Aufzeichnung, kündigte eine kurze Pause an und verschwand mit den „Darstellern“ hinter der Bühne.



Wir waren total durcheinander. Was war da vor un­seren Augen passiert? Der „positive“ Abschluss kam nicht mehr zur Wirkung.



Abends erklärte Jürgen sein Verhalten: „Als die blö­de Gans auch noch heulte, hatte ich die Nase voll“




Erkenntnis:  Ein Mensch lebt nicht nur nach gelernten Regeln, oder?



Beim Kunden lernen und lehren



Unser Chef hatte die Idee Umsatz durch Beratung über RZ-Organisation zu generieren. Eine Organisati­ons-Bezeichnung gab es für diesen neuen Service an­fangs nicht, aber deftige Stundensätze. Mein erster Ein­satz führte mich nach Finkenwerder zu MBB. Ich sollte einen Mitarbeiter bei der Einführung eines Problem Management-Prozesses beraten und unterstützen.



Bei der Ankunft meldete ich mich beim Empfang und erhielt einen Besucherausweis. Nach kurzer Fahrt hielt ich vor dem Hauptportal und fragte nach der Zimmernummer des IT-Chefs. „Eine Treppe hoch, am Ende des Gebäudes.“ Es war der längste Flur meines Lebens. Das rote Backsteingebäude zog sich über hun­derte Meter direkt an der Elbe.



Dr. Wilkes begrüßte mich und stellte mir mehrere Manager des IT-Bereiches vor. Er umriss kurz die Er­wartungen an meinen Einsatz und sagte: „Wir haben ein kleines Problem. Der Mitarbeiter ist diese Woche krankgeschrieben und der geplante Raum noch nicht fertig. Unser RZ-Leiter Dr. Schmidt wird Ihnen Weite­res erklären. Viel Erfolg.“



Ein toller Start! Ich folgte Dr. Schmidt zu seinem Ar­beitsplatz. „Da Sie schon mal vor Ort sind, sollten sie sich einen Überblick unserer Dokumentationen ver­schaffen. Wir haben wie gesagt Raumprobleme, aber dort hinten neben der Kaffee-Ecke steht ein leerer Schreibtisch. Nächste Woche können Sie dann mit Herrn Richters Ihr Büro beziehen.“



Ich nahm dankend den gewaltigen Handbuchstapel entgegen und bezog mein temporäres Domizil. Mein Schreibtisch war nur durch Stellwände von der Kaffee-Ecke getrennt, und ich wurde ungewollt Zeuge der Ge­spräche der Mitarbeiter. Neben den üblichen Fußball­neuigkeiten wurden viele fachliche Dinge diskutiert. „Wir haben mit den Antwortzeiten große Probleme, ich habe mehrfach auf Schwächen der Ablauforganisation hingewiesen, wurde aber ignoriert etc.“



Mein Projekttagebuch füllte sich rasch. Informatio­nen konnte man immer gebrauchen, oder?



Die zur Verfügung gestellten Dokumentationen wa­ren ausführlich und aktuell. Die Woche verging wie im Fluge, kein Wunder bei einem Flugzeughersteller!

Am folgenden Montag zog ich mit Klaus Richters, dem künftigen Problem Manager in unser gemeinsa­mes Büro. Ein herrlicher Ausblick auf die Elbe verschö­nerte die Arbeitsumgebung. Wir entwarfen einen Auf­gabenkatalog und entwickelten unseren Projektplan. Mein „neuer“ Lehrling hatte eine schnelle Auffas­sungsgabe und wir verstanden uns sehr gut.

Der Arbeitstag begann morgens um 7 Uhr. Ich musste daher um 6 Uhr in Ahrensburg starten. Kein Problem für einen Frühaufsteher. Das Arbeitspensum erforderte jedoch viele Überstunden.

Die Teilnahme an diversen Meetings tagsüber erfor­derte für die Projektarbeit unseren Einsatz bis in die Abendstunden. Ein einsames Licht in einem Zimmer mit Elbblick zeigte den Bewohnern jenseits der Elbe: da sind welche besonders fleißig!

Für die Problemerfassung entwickelten wir mit DCF/GML Online-Masken. Es gab keine fertigen Tools zu der Zeit. Es war eine wahre Sisyphusarbeit die ge­forderten Verfügbarkeitsprozente mit Hilfe von Ma­kros zu errechnen.

Die täglichen Problem-Meetings hatten durch unse­re Auswertungen genügend Informationen zur geziel­ten Bearbeitung und Behebung von Problemen und Störungen.

Die Folge war eine deutliche Verbesserung der Ser­viceziele und die Anerkennung unserer Leistung feu­erte uns an, unsere Anwendung zu optimieren.


Zwischen Baum und Borke ...




Drei Jahre (1981 -1983) verbrachte ich bei meinem Kunden in Finkenwerder. Höchstens zwei Tage im Mo­nat fuhr ich zur IBM. Die Spesenabrechnung, die ge­leisteten Stunden und ein kurzer Statusbericht und zu­rück ging es. Langsam aber sicher wurde man ein Teil der neuen Umgebung. Anfangs wurde man als der Ex­terne, der IBMer angesehen. Nun gehörte man zur Fa­milie.



Bei vertraulichen Meetings erfuhr ich Dinge, die un­seren Vertrieb brennend interessiert hätten, aber ich behielt sie für mich. Wenn niemand der Company ge­zielt nach Informationen fragen würde, könnten keine Konflikte entstehen.



Ganz so einfach war es jedoch nicht. Eines Tages hatten wir ein internes Meeting und besprachen einige wichtige Problemfälle, als ein IBM-Vertriebsbeauftrag­ter aus München hereinplatzte. „Entschuldigen Sie die Störung, aber ich wollte Ihnen unseren neuesten Mas­senspeicher kurz vorstellen und Sie auffordern am First Customer Shipment teilzunehmen. Das beinhaltet einen erklecklichen Rabatt.“



Ich schaute kurz hoch: „Wir haben zurzeit wichtige­re Aufgaben als uns mit neuen Produkten zu beschäfti­gen.“



Nach dem Meeting rief der Geschäftsstellenleiter aus München an: „Was haben Sie sich da eigentlich er­laubt. Wir bereiten die Markteinführung sorgfältig vor und Sie sabotieren unsere Bemühungen.“ „Es wäre besser gewesen, wenn Sie mich über Ihre Pläne vorher informiert hätten. Ich bin Mitglied im Planungsgremi­um bei unserem Kunden und hätte sicherlich helfen können.“

Dunkle Wolken zogen auf. Ade Karriere! Ich fuhr sofort zu unserer Geschäftsstelle und berichtete den Vorgang. Unser Chef rief in München an und be­schwerte sich lautstark über das unabgestimmte Vor­gehen.


„Alles in Ordnung, Sie haben richtig gehandelt, weiter so“

Eine Zentnerlast fiel mir vom Herzen. Gerade noch mal gut gegangen. Was hatte er früher einmal zu mir gesagt: Vermeiden Sie emotionale Reaktionen. Immer erst Denken!

Ich nahm mir vor, etwas vorsichtiger zu sein. Feinde sollte man sich nicht unbedingt machen.

Die Abstimmung mit dem zuständigen Vertrieb lief nun besser.

 


Das Beratungs- und Förderungsge­spräch


Einmal jährlich wurde das sogenannte B+F-Ge­spräch durchgeführt. Der zuständige Manager teilte dem Mitarbeiter die Ergebnisse der Beurteilung mit und sollte bei der Karriereplanung beraten.

Die Beurteilung war entscheidend für die Gehalts­entwicklung und Beförderungen.

Ich erschien pünktlich zum vereinbarten Termin. Nach den üblichen Eingangsfloskeln (Wie geht es, wie läuft es?) offenbarte mir mein Boss: „Sie sind seit Jah­ren immer in der Spitzengruppe, Sie wissen, dass un­ser Gehaltsbudget immer nach diesen Kriterien verteilt wird. Nun haben wir inzwischen neue Mitarbeiter hin­zubekommen und ich möchte etwas für sie tun. Außer­dem sind Sie durch Ihren Sondereinsatz kaum noch in interne Prozesse involviert“

Mit ruhiger Stimme forderte ich ihn auf, das Ge­spräch auf einen anderen Termin zu legen und seine Entscheidung noch einmal zu überdenken.

Er bestand auf die Fortsetzung, und es wurde rich­tig laut. Ich lehnte die Beurteilung ab, mit dem Hin­weis auf die Auswirkungen auf weitere Beförderungen

Als Wochen später eine Gehaltserhöhung von 35,00 DM angekündigt wurde, lehnte ich die Annahme schriftlich ab. Reaktion der Firma: Ein Excellence Award in Höhe von 3000,00 DM und ein „Essen zu Zweit-Gutschein“ über 250,00 DM.

Erkenntnis: Nicht alles gefallen lassen, oder?
Trotz dieser netten Gaben gefiel mir der Ausgang nicht.

Den Einsatz beim Kunden mit Erfüllung norma­ler Aufgaben zu vergleichen war nicht zu akzeptieren

La Hulpe/ Terhulpen: 13 tolle Wochen


Es wurde ein besonderer Lehrgang im IBM-Center in La Hulpe/Belgien in der Nähe von Brüssel angebo­ten. Ein 3-monatiger Studiengang beim European Sys­tems Research Institute. Begeistert nahm ich am Auf­nahmetest teil. Ich wurde angekommen, musste aber wegen meiner Achillesferse, der Mathematik eine Wo­che früher anreisen.

Ich packte meine Siebensachen zusammen, sagte meiner Frau Ade und fuhr gen Westen. Zwischenstati­on machte ich in Ohain wenige Kilometer von La Hul­pe. Ein befreundetes Paar wohnte dort mit den beiden Söhnen in einem Chalet. Richard war Engländer und ein Finanzgenie, Christina kam aus Deutschland und führte mich in die Chaos-Theorie ein (mehr dazu spä­ter).Sie boten mir an freie Stunden bei Ihnen zu ver­bringen.

Ich nahm dankend an, da Richard, wie ich leiden­schaftlicher Golfer war und die Aussicht als Gastmit­glied im berühmten Royal Waterloo Golf-Club aufge­nommen zu werden rundete das Angebot ab.

Am nächsten Morgen fuhr ich weiter nach La Hul­pe. Dort lag das IEC (International Education Center) der IBM.

Mir wurde ein komfortables Zimmer zugewiesen und ein Stapel Informationspapier in die Hände ge­drückt. Wichtig waren der Lageplan und meine "Stun­denpläne". Hier erfuhr ich, das ich am nächsten Tag um 8.30 Uhr von Prof. Hirschberg in Hörsaal X erwar­tet würde. Ich sollte vorher benötigte Bücher in der Bi­bliothek abholen. Sechs mehr oder weniger dicke Wäl­zer wurden mir übergeben. Alles für einen 5-tägigen Mathe-Crashkurs? Ich fühlte mich krank, klein und verfolgt. Worauf hatte ich mich nur eingelassen? Es wurde eine unruhige Nacht.

Beladen mit dem Bücherhaufen und einem Schreib­block nebst Schreibutensilien, erschien ich pünktlich um 8.25 Uhr im Hörsaal. Dort saßen schon mehrere Kandidaten erwartungsvoll auf ihren Plätzen. Zu mei­ner großen Überraschung erschien ein Kollege aus Hamburg und setzte sich neben mich. "Hallo Christof, was machst Du den hier. „Du bist doch Mathematiker?“ Grinsende Antwort: „Hab beim Test geschummelt, eine extra Woche wollte ich mir nicht entgehen lassen.".

Professor Hirschberg erschien, stellte sich kurz vor und der Albtraum begann. Alles, was ich während der Schulzeit nicht mit vollem Herzen gepaukt hatte, wur­de hier in fünf Tage eingetrichtert. Ohne Christof hätte ich es sicherlich nicht überlebt. Er half geduldig mit Hinweisen und "übersetzte“ Begriffe und Formeln in für mein "Spatzenhirn“ verdauliche Portionen.

 Erkenntnis: Suche Dir kompetente Unterstützung und konzentriere Dich auf Dinge, die Du beherrscht!


Soziales Umfeld

Am schwarzen Brett vor dem Sekretariat hing ein Zettel mit der Aufforderung zur Gründung von Inter­essengemeinschaften. Einige Aushänge waren bereits vorhanden: Tennis, Wandern, Squash, Rudern und mehr zeigten schon die Unterschriften von Interessen­ten. Da das soziale Engagement sicherlich bewertet würde, überlegte ich krampfhaft, wie ich meinen Ein­satz zeigen könnte. Ich musste unbedingt an das schwarze Brett! Kurz entschlossen nahm ich ein Blatt Papier und schrieb:“ Einladung zur internationalen Bier-Liga. Zweck der Veranstaltung sollte das Kennen­lernen der unterschiedlichen Lebensweisen der Teil­nehmer und lebhafte Diskussionen sein. Eine reine Pseudo-Aussage, aber...

Vor dem Frühstück am nächsten Morgen kam ich am schwarzen Brett vorbei und sah ungläubig über zwanzig Einschreibungen. Fast alle Engländer, Iren und Schotten waren bereit an der IBL (International Beer-League) teilzunehmen. Ich hatte die meisten Mit­glieder. Man muss eben die Interessen und Wünsche der Mitmenschen erkennen und etwas bieten, oder?

Unser erstes Treffen fand natürlich im "La Cave“ statt und nach diversen Runden belgischen Bieres wur­de ich zum Präsidenten gekürt. So jung und schon Prä­sident!

Erkenntnis: Nutze die Gegebenheiten, dann ergeben sich Gelegenheiten!


Bald traten weitere Mitstudenten unserer Bier-Liga bei. Da "La Cave“ um 23 Uhr schließen musste, verein­barte ich mit dem Personal, das ein Rollwagen mit ge­nügend frischen Biergläsern bereitgestellt wurde. Nun wurde ich sogar zum Ehrenpräsidenten ernannt!

Ein aufregendes Tennis-Match

Mein Hamburger Kollege Peter Harries sprach nicht gerade fließend Englisch, aber als exzellenter Entertai­ner sorgten seine teils pantomimischen Sketche für Lachsalven. Als er anfing den Teilnehmern Skat beizu­bringen, wurden die Abende noch ausgedehnter.

Peter hatte ein Auge auf unsere attraktive Sekretärin geworfen. Hanneke spielte oft Tennis. Da Peter auch Mitglied in unserer Tennisliga war, kam er auf die Idee sie zu einem Match aufzufordern. Hanneke sagte zu seiner Freude zu und ein Termin wurde vereinbart,

Ich hatte erfahren, das Hanneke vor Jahren in der belgischen Nationalmannschaft gespielt hatte. Das war meinem lieben Kollegen nicht bekannt und musste ge­nutzt werden. Peter wollte Hanneke nach dem Match zu einem Ausflug nach Brüssel einladen und fragte mich, ob er meinen Wagen leihen könnte. Ein Schelm, der Böses denkt!

Nun reifte ein launischer Plan in mir. Zunächst wur­de ein Aushang mit dem Termin des Tennisereignisses veröffentlicht. Hanneke wurde eingeweiht und ver­sprach lachend mitzuspielen. Wichtig für meinen Plan was, das mein Auto nach dem Match nicht auf dem Parkplatz war.

Ich bat einen Freund aus der Bier-Liga mit den Wa­gen einen längeren Ausflug zu unternehmen. Alle wa­ren in den Plot eingeweiht nur das potenzielle Opfer nicht.
Die Zuschauertribünen waren proppenvoll, als das Match begann. Der erste Satz war schnell entschieden 6:1 für Hanneke. Jubelstürme der Zuschauer beschall­ten den Park.

Auch der zweite Satz lief für meinen Kollegen nicht viel besser: 6:2. Kurz vor dem Ende des Satzes machte ich mich vom Acker und verschanzte mich in meinem Zimmer.

Wir haben am nächsten Tag die ganze Geschichte im "La Cave“ ausgiebig unter Lachsalven durchgehe­chelt (Freund Peter hatte sich zurückgezogen).

Nach dem Match lief Peter zum Netz und gratulier­te der Siegerin. Nach einer unhörbaren Frage von ihm schüttelte Hanneke leicht mit dem Kopf. Lächelte betö­rend und ging Duschen. (Sie fuhr mit ihrem Freund schnellstens heim). Peter erschien frisch geduscht und parfümiert und fragte nach Hanneke. "Hanneke ist vor wenigen Minuten mit Heiner weggefahren".

Ich hätte sein Gesicht gerne gesehen! Meine Mitver­schwörer berichteten lachend, er sei sofort zum Park­platz gelaufen und hätte meinen Wagen gesucht. Ich selbst merkte seine Hektik, weil permanent mein Tele­fon klingelte und er mehrfach an der Zimmertür klopf­te.

Mein fieser Plot sorgte umgehend für die Strafe: ich konnte nicht Fernsehen, keine Musik hören und kein Licht einschalten.




Am nächsten Morgen ging ich zum Frühstück. Peter kam aus seinem Zimmer und rief: "Guten Morgen.“ Ich tat, als hätte ich nichts gehört und ging etwas schneller. Hanneke sah mich und lief auf mich zu, küsste meine Wange und flüsterte deutlich hörbar: „Danke, Cherie."

Beim Frühstück saß mir ein total verstörter Peter ge­genüber.

Erkenntnis: Habe wohl wenig Aussichten, in den Him­mel zu kommen!

Der erste Wochenendurlaub mit einem menschlichen Bordcomputer


Wir drei Hamburger beschlossen, übers Wochenen­de unsere Lieben zu besuchen. Pünktlich nach der letz­ten Vorlesung starteten wir. Peter saß auf dem Beifah­rersitz und hatte eine Europakarte vor sich. Christoph saß auf der Rückbank und fing an mir Fahrhinweise zu geben.

Nach einem Stau vor Aachen sagte er: „Du musst die nächsten 25 Minuten 110 Kilometer fahren, sonst halten wir die geplante Ankunftszeit nicht ein.“ So ging es die ganze Fahrt, und ich überlegte, ob ein Mord im Affekt zu einem längeren Gefängnisaufenthalt füh­ren könne. Als wir jedoch unser Ziel, die Elbbrücken termingerecht erreichten, änderte ich meine Meinung. Diese Berechnungen hätte ich nicht mal mit einem Computer und anderen Hilfsmitteln geschafft.

Wie kann ein Mensch nur durch Beobachtung des Tachos und ohne Notizen, diese Leistung vollbringen?

Neue Erfahrungen wurden gemacht 

Unsere Freunde in Belgien fragten mich, ob ich abends Babysitter für ihre beiden Söhne spielen könn­te. Sie waren zu einem Essen eingeladen und hatten niemand gefunden. In Belgien gab es empfindliche Strafen, wenn man Kinder unter zwölf Jahren unbeauf­sichtigt lässt. Ich packte also einige Bücher zusammen und fuhr zu ihrem Haus. Die Zeit konnte ja für das Studium genutzt werden.

Vor der Abfahrt von Christina und Richard wurden die braven Knaben zu Bett gebracht. Kaum waren die Eltern fort, standen die Rabauken im Wohnzimmer. "Hi, what are you doing?“ Die Knirpse wuchsen drei­sprachig auf, Deutsch war nicht dabei. Ich erklärte: "Ich muss lernen", und wurde durch eine Gegenfrage entwaffnet: "wanna play hide and seek?"

Davon hatte ich schon ein Leben lang geträumt. Verstecken spielen mit den Zwergen! Resigniert klapp­te ich die Bücher zu und fügte mich meinem Schicksal. James und Christofer kannten natürlich alle guten Ver­stecke in dem großen Haus und ich war der geborene Verlierer. Wurden die denn nie müde?

Kurz nach 2 Uhr waren die Bengel spurlos ver­schwunden. Sie hatten den Wagen ihrer Eltern auf der Auffahrt gehört und sind blitzartig in ihren Betten ver­schwunden.

 „Nun wie lief es? Waren die Beiden auch artig?“ Ich nickte erschöpft und wir gingen zum Kinderzimmer. Dort lagen zwei Engel im Tiefschlaf. Diese Schauspie­ler! Ich packte meine Siebensachen, lehnte einen Drink vor dem Kamin höflich ab, und fuhr todmüde zurück nach La Hulpe.

Erkenntnis: Babysitter brauchen eine spezielle Ausbildung und extreme Nerven!


Beim nächsten Besuch lud ich die beiden Knirpse zu einem Essen bei McDonalds ein. Ich war vorher noch nie in einer Burgerstation gewesen.

James übernahm die Besorgung:
Drei Big Macs und drei große Becher Cola. Die Kna­ben mussten mir erst beibringen, wie man den Fleisch­klops zu sich nimmt. Bei ihnen sah es ganz einfach aus: ein, zwei kräftige Bisse, kurze Schluckungen und ihre Teller waren leer. Wo ließen die Zwerge das Zeug eigentlich?

Sie sahen zu, wie ich mit meinem Burger beschäftigt war. Ich fragte, ob sie noch hungrig seien. Heftiges Kopfnicken! Diesmal ging Chris zum Tresen. Er kam mit vier Burgern zurück: „Happy Hour.“ Auch diese Portionen wurden von ihnen professionell vertilgt.

Unglaublich!

Nach unserer Rückkehr wurde ich zu einem Fuß­ballmatch von den Knirpsen eingeladen. Wurden die denn nie müde?



Sport und Selbstmarketing

Richard King lud mich zu einem Golfnachmittag ein. Ein kurzer Blick auf meinen Terminkalender und schon war ich unterwegs zum Royal Waterloo GC. Im Clubhaus wartete Richard mit sechs Freunden. Kurze Vorstellung "George, William, Thomas ...“ und wir bil­deten zwei Vierer. Es war ein großartiger Tag. Sonne, beste Stimmung und ein guter Score.

Meine drei neuen Freunde und ich genossen die Zeit. Zurück im Clubhaus fragte mich Richard: "Na, hast Du die Gelegenheit genutzt Dich gut zu präsentie­ren? "Wir hatten viel Spaß". „Spaß? Ich bringe Dich mit den CEO´s dreier Weltunternehmen zusammen. Erzäh­le ihnen, Du seist eine Computer-Koryphäe und Du hattest nur Spaß?“

Hier lernte ich den wahren Sinn eines Golfspiels kennen. Kontakte! Kontakte!

Erkenntnis: Freizeit ist nicht immer Freizeit!


Die Stunde der Wahrheit



Zu den Annehmlichkeiten unserer Ausbildung zähl­te auch die Möglichkeit, Extrawünsche zu äußern. Ge­rade auf den Markt kommende Filme wurden blitzar­tig geliefert und im eigenen Kino aufgeführt. Außer­dem konnten wir prominente Persönlichkeiten zu Gast­referaten einladen. Wenn es terminlich passte, wurden die Gewünschten eingeflogen.

Wir hatten uns einen international bekannten Moti­vation-Trainer aus den USA ausgesucht und zu unserer Freude erfuhren wir, dass er in zwei Tagen in der Aula mit uns sprechen würde.

Als der große Tag kam, sahen wir überrascht in der ersten Reihe lauter Topmanager aus den USA und Eu­ropa. Die meisten kannten wir nur aus Hochglanzbro­schüren und Zeitungsartikeln. Die waren nur wegen uns angereist! Unglaublich!

Wir setzen uns hin, flüsterten leise: „Ist das nicht der Europa-Boss da neben dem ...?"

Da betrat unser Gastredner die Bühne. Ein großer, schlaksiger Amerikaner im Nadelstreifen und blitz­blanken Schuhen. Uns stockte der Atem: er hatte eine brennende Zigarette in der Hand. Eine Zigarette in den heiligen Hallen, unfassbar! Gemächlich näherte er sich dem Pult und schnipste dabei die Asche auf den Bo­den. Ein Murmeln lief durch unsere Reihen. Asche!

Am Pult angekommen schrieb er schwungvoll sei­nen Namen auf einen Flipchart, und darunter ganz groß KITA. Was sollte das heißen? KITA?

Mit sonorer Stimme fing er an zu reden: "Ich wurde in New York von Ihrer Firma kontaktiert und gefragt, ob ich bereit sei, zwei Stunden vor Ihnen hier in Belgi­en zu sprechen. Als meine unverschämte Honorarfor­derung ohne Zucken akzeptiert wurde, lies ich mir die Reisedetails durchgeben. Gestern hat mich eine Stret­chlimousine von meiner Wohnung abgeholt und zum Flughafen gebracht. Ein Ersterklasse-Sitz war für mich reserviert, und in Brüssel wurde ich im besten Hotel in einer Luxussuite untergebracht. Alles umsonst! Diese Firma lässt es sich wahrlich etwas kosten, um mich zwei Stunden zu hören. Und alles nur, um Ihnen einen Wunsch zu erfüllen.“

„Die Herren in der ersten Reihe scheinen es gut mit Ihnen zu meinen. Ich meine wirklich "meinen". Deswe­gen werden wir ausführlich über KITA sprechen"

Er ging zum Flipchart und schrieb schwungvoll "Kick in the ASS".

"Das meine Damen und Herren ist die Formel, warum man Sie ausgesucht hat. Dieser Kursus kostet pro Kopf einen sechsstelligen Betrag. Und Ihre Gönner in der ersten Reihe werden KITA anwenden, um das letzte aus Ihnen rauszuholen"

Der beschimpfte doch tatsächlich unsere Führungs­spitzen, und die hörten sich das auch noch an!

Nach den zwei Stunden verabschiedete sich der ex­zellente Gastredner und wir gingen ziemlich verwirrt ins "La Cave". Heftige Diskussionen entbrannten. Warum waren so viele Topmanager angereist? Warum ertrugen sie geduldig die Äußerungen unseres Gastes?

Plötzlich fiel es uns wie Schuppen von den Augen: Das war ein abgesprochenes Spiel! Ein Härtetest für uns.

Er hatte recht mit seinen Hinweisen. Uns wurde vorgespielt, wir hätten den Marschstab in der Tasche, und wir zahlten durch erhöhten Einsatz vielfach an die Firma zurück.


Erkenntnis: Leistung muss sich lohnen. Fragt sich nur für wen?


Was der Bauer nicht kennt.......

Ellen nutzte die Gelegenheit, mich an einem Wo­chenende in La Hulpe zu besuchen. Sie wohnte bei Ri­chard und Christina. Richard war ganz aufgeregt, es war ihm gelungen, in einem berühmten Restaurant einen Tisch am Wochenende zu buchen. Gemeinsam mit Freunden sollte eine wahre Schlemmerei stattfin­den.

Vor der Abfahrt lernten wir die anderen Teilnehmer kennen. Henk I., Chef einer internationalen Security Firma mit seiner sympathischen Frau. Henk II., 747-Flugkapitän bei der KLM. Jane und Jeremy (Amerika­ner) und in Brüssel für eine PR-Firma stationiert.

Es war ein sehr sympathischer und lustiger Haufen. Wir verteilten uns auf die Autos. Zu meiner Überra­schung führte uns die Fahrt in immer einsamere Ge­genden. Ziel war ein Bauernhof. Keine Hinweise auf das „In-Restaurant“ ? Merkwürdig!

Beim Betreten der umgebauten Scheune wurden wir von dem Inhaber herzlich gegrüßt und an einen der vier Tische geleitet. Warum hatte ich kein Franzö­sisch in der Schule? Er sprach minutenlang gestikulie­rend in dieser melodischen Sprache, und die anderen Gäste waren sehr angetan. „Was hat er gesagt?“ fragte ich Christina. „Menüvorschläge“ aha!

Henk I. fragte, ob er die Weinauswahl übernehmen könne, er würde uns gerne einladen. Anscheinend war er Experte und niemand widersprach.

Die einzelnen Gänge waren atemberaubend gut und die Weine sorgten für eine ausgelassene Stimmung. „Wie hat Dir das Kalbsbries gefallen und, war die Schneckensuppe nicht delikat?“ Oh, Christina, hättest Du doch nur geschwiegen! Ich hatte Dinge verzehrt, die ich nie in meinem Leben freiwillig geordert hätte.

Der Inhaber und Chefkoch kam erneut und brachte eine Dessertkarte zur Auswahl. Hank II. nahm eine Brille aus der Brusttasche und fing an die Karte zu stu­dieren. „Hank, Du bist doch Flugkapitän und brauchst eine Brille?“ Christina schien total perplex. Hank setzte die Brille ab: „Christina, dear, ich brauche sie nur gele­gentlich zum Lesen. Beim Fliegen ist sie nicht erforder­lich. Ich starte in Schipohl, schalte den Autopiloten ein. Wenn der Co-Pilot bei der Landung in New York hus­tet, zieh ich den Vogel etwas hoch.“

Er war ein herrlicher Abend. Beim Bezahlen stellte ich fest, mit dem Betrag konnte man mehrere große Partys leicht finanzieren. Man lebt nur einmal, oder?

Als ich dann sah, wie Hank I. allein einen vierstelli­gen Betrag für den Wein zahlen musste, schien meine Rechnung nicht mehr ganz so gewaltig.

Richard beruhigte mich: „Das setzt er als Geschäfts­ausgaben ab.“

                                    Erkenntnis: Genieße den Tag!



Bestanden und ein gelungener Ab­schied


Zum Abschied gab es in Brüssel eine Party. Wie im­mer hervorsagend organisiert. Mit Bussen wurden wir von La Hulpe zum Veranstaltungsort gefahren. Wir be­kamen unsere Diplome und nach einigen Reden stan­den wir mit unseren Gläsern zwanglos herum und un­terhielten uns.

Wir kamen rechtzeitig vor Schließung unsere Le­bensmittelpunktes "La Cave“ in La Hulpe an. Es gab Wichtiges zu besprechen. Unsere Vorgänger hatten ein Ritual geschaffen, um den Abschied zu feiern.

Möglichst viel Blödsinn zu veranstalten.

Wir beschlossen, das Mobiliar der einzelnen Etagen auszutauschen. Empfang nach oben, das würde am nächsten Tag verdutzte Gesichter geben. Ein Team schrieb mit einem Rasenmäher ESRI 33 in den Zierra­sen vor dem Büro des Institut-Leiters. Fünf Meter große Buchstaben würden sicherlich eine ganze Weile sichtbar bleiben.

Die Möbelpacker waren emsig am Umräumen. Wir hatten vorsorglich im "La Cave“ Servierwagen mit Bier geordert und die Stimmung war entsprechend präch­tig.

"Komm, wir räumen ein Hotelzimmer von den Schotten aus". Ich versuchte, Peter davon abzuhalten, aber er war nicht aufzuhalten. Wir drückten den Fahr­stuhlknopf zum Hoteltrakt. Die Tür ging auf, und Pe­ter lachte haltlos. Im Fahrstuhl war eine komplette Zimmereinrichtung. "Da ist uns jemand zuvorgekom­men, schade“ waren Peters letzte Worte, bevor er reali­sierte: Es war der gesamte Inhalt seines Zimmers!

Erkenntnis:  Wer Anderen eine Grube......



Zurück in Hamburg

Die schöne, unvergessliche Zeit war vorbei und der Arbeitsalltag begann. Ich machte mich zunächst an die Aufgabe meine Spesenabrechnung zu erstellen. Eine der schwierigsten Herausforderung überhaupt. Belege sortieren, Kilometer ausrechnen und alles schön notie­ren. Als ich fertig war und den Papierberg weitergelei­tet hatte, musste ich die Post durcharbeiten.

Die Bearbeitung eines Postkorbs war eine wahre Si­syphusarbeit. Was sich so in 13 Wochen ansammelt, ist unglaublich. Jeder musste anscheinend Jedem alles Wichtige und Unwichtige mitteilen. Zur Kenntnis, zur Bearbeitung, zur Erledigung, als Kopie usw. wurden vorsortiert und je nach Relevanz geschreddert. Eigent­lich war es die Aufgabe des jeweiligen Stellvertreters/in für einen möglichst leeren Korb zu sorgen, aber da gab es wohl andere Prioritäten. Na wartet!

Unser oberster „Feldherr“ hatte eine unorthodoxe Art der Postverteilung. Häufig erhielt man das gleiche Schriftstück mit den Vermerken: zur Kenntnis, zur Er­ledigung oder auch als einfache Kopie. Ich hatte eine blendende Idee. In die linke Schreibtischschublade ka­men die „harmlosen“ Schreiben und in die Rechte die „Brisanten.“ Nun konnte das Spiel beginnen.

„Herr Jäger, ich hatte Ihnen doch die Anfrage aus Paris zur Erledigung ...“ Erstaunter Blick meinerseits, öffnen der linken Schublade. „Oh, hier ist die, Anfrage, aber ich habe sie mit dem Vermerk „zur Kenntnis“ er­halten.“ Stirnrunzeln beim Boss. „Muss aber trotzdem dringend erledigt werden.“ „Langsamer Griff zur rech­ten Schublade. „Soll ich den die Vorgänge x und y ter­minlich verschieben? „Nein, ich werde jemand ande­ren damit beauftragen.“

Erkenntnis: Erkenne die Schwächen anderer und sei nett zu ihnen

Man hatte ja nicht umsonst am Lehrgang Time Ma­nagement teilgenommen, oder? Dieser Lehrgang war Pflicht. Mein Kollege Peter A. besuchte ihn vor mir. Kaum zurück sah ich einen neuen Menschen vor mir. Vor und nach Meetings füllte er emsig seinen Planer aus. Gelegentlich schaute er gedankenverloren an die Decke. Griff seinen Kugelschreiber und notierte etwas im Planer. Ich hatte nie auf den Schreibtischen anderer herumgestöbert, aber als er zu einem Meeting ging und den Planer offen liegen lies konnte ich meine Neu­gier nicht mehr länger unterdrücken. Ich schlich mich an seinen Platz und schaute mir die Einträge an: 17 Uhr 2 Kisten Bier abholen, Dienstag 19:30 Uhr Kegeln usw.

Als er vom Meeting zurückkehrte, sprach ich ihn an: „Sag mal was notierst Du den da? „Mein Berufsle­ben hab ich im Griff, aber private Angelegenheiten, die machen mir Sorgen. Da bin ich sehr nachlässig.“

Wo er recht hatte, hatte er recht, oder?

Golf in Spanien


Wir buchten zusammen mit einem befreundeten Paar einen Golfurlaub in Marbella. Der Club Med hatte dort ein Golfhotel, und die Aussicht die traumhaften Golfplätze wiederzusehen, sorgte für Vorfreude. Wir flogen von Hamburg nach Barcelona. Ein Freund aus meinem Golf-Club hatte mir eine Leihwagenfirma in Barcelona empfohlen. Nach der Landung rief ich den Repräsentanten der Firma an. Rolf prüfte die Preise von Avis und Konsorten und war über die Preise er­schrocken. „Da vorne fährt in einer halben Stunde ein Bus nach Marbella. Das ist es günstig.“ Man spürte di­rekt, wie er zu seiner ersten Million gekommen war.

„Ich habe einen Wagen gebucht. Der Preis ist in Ordnung. Ich habe Urlaub und nicht die Absicht eine lange Bustour zu unternehmen“ Skeptisch schaute er mich an, akzeptierte aber letztendlich. Das konnte ja heiter werden.

In Marbella angekommen bezogen wir unser Zim­mer und schauten uns das Hotel an. Tranken einen Es­presso und lernten wichtige Erkenntnisse: Wo ist die Bar, wo gibt es die „Atzung“ usw. Nach einer Stunde gingen wir ins Zimmer zurück. Das Telefon klingelte. Christa erzählte, sie hätten nach drei Umzügen nun endlich ein adäquates Zimmer gefunden. Drei Umzüge in 60 Minuten?

„Bringt Eure Zahnputzbecher mit, wir haben eine zollfreie Flasche Brandy dabei und können uns auf dem Balkon von den Reisestrapazen erholen. Ich traute meinen Ohren nicht. „Wir wollen gleich in die Bar, da treffen sich Golfer und planen die Reihenfolge der Courses.“ „Rolf war vorhin in der Bar, ganz schön teu­er.“ Mein Gott, ich hatte Urlaub!

Während Rolf seine Zeit beim Golflehrgang ver­brachte, nutzte ich die Ausflüge zu den umliegenden Golfplätzen. Bei einer dieser Touren stieß ein Japaner zu uns. Nach einigen Übungsbällen auf der Driving Range beschlossen wir das übliche Ritual: „der Letzte zahlt die Drinks“ , dieses mal nicht anzuwenden. „Hast Du die Abschläge von unserem japanischen Freund gesehen? Unglaublich, schnurgrade und mindestens 250 Meter.“

Bei der Ankunft am ersten Abschlag losten wir die Reihenfolge aus. Unser Neuling gewann. Der erste Ball war atemberaubend: schnurgrade und 230 Meter. Wir schauten uns verdutzt an. Es war ein Dogleg und die beste Platzierung wäre bei ca. 120 Metern. Ungerührt schlug unser Longhitter sechs Bälle nacheinander: Schnurgrade und ca. 230 Meter. Er sah unsere staunen­den Blicke und sagte: „Sorry, ich bin zum ersten mal auf einem richtigen Golfplatz. Golf in Japan ist extrem teuer, also habe ich wöchentlich auf einem Hochhaus in Tokio geübt.“ Die Bezahlung der Drinks war geret­tet!

Jeden Tag ein anderer Club und neue Bekanntschaf­ten. So sollte ein Urlaub sein, oder? Nach dem Früh­stück ging es los. Rein in den Bus, Ankunft, Green Fee zahlen, Driving Range, kurzes Studium der Bahnen und der 1. Abschlag.

 Im Golfclub Aloha traf ich den früheren HSV-Spie­ler Kevin Keegan. Als ich ihm Grüße aus Hamburg überbrachte, freute er sich sehr und wir tranken ein Glas auf die Hansestadt.

Einen Tag musste ich auf mein Hobby verzichten. Ellen war zwar einverstanden mit meinem Spieltrieb, aber wollte mal etwas Gemeinsames im Urlaub unter­nehmen. Nach kurzer Beratung wurde ein Ausflug nach Ronda geplant.

Ich hatte Bilder von dieser Stadt gesehen und freute mich auf diesen Tag. Rolf und Christa wollten auch mit. Er ging los, einen Leihwagen zu besorgen. Freude­strahlend kam er zurück: „Ich habe einen Supermiet­preis ausgehandelt.“ „Was für einen Wagen hast Du denn gebucht?“ „Einen Fiat Panda, 300 KM frei.“ Das durfte nicht wahr sein. Ronda lag oben in den Bergen und mit vier Personen hätte der Floh sicherlich Schwie­rigkeiten da rauf zukommen. Ich nahm den Buchungs­schein und änderte die Reservierung. Die Driemeyers waren im Gegensatz zu uns Zwerge, aber der Gedanke in einem Panda diese Tour zu bewältigen sorgte für Platzangst.

Schnell änderte ich die Reservierung Ich mochte zwar Pandas, aber nicht als Transportmittel.

Am nächsten Morgen nach dem Frühstück brachen wir auf. Selbst mein „schottischer“ Freund musste An­gesicht der endlosen Serpentinen zugestehen das mei­ne Wagenauswahl richtig wahr. In Ronda trennten wir uns, machten uns auf einen Rundgang. Ich wollte un­bedingt vermeiden mit den „Freunden“ gemeinsam in Ronda essen zugehen. Sie würden wieder stundenlang die Preise der Imbissbuden vergleichen!

Ronda war einfach wunderbar. Der Ausflug hatte sich gelohnt. Wir fuhren entspannt nach Marbella zu­rück.

Dort angekommen eilten die Sparfüchse gleich Richtung Restaurant. „Das Abendessen beginnt doch erst in einer Stunde!“ „Wir wollen mal schauen, was es an Spezialitäten gibt.“ Die Imbissbuden in Ronda wa­ren wohl nicht das Richtige!

Als wir zum Abendessen in das Restaurant kamen, saßen die beiden schon voller Spannung an unserem Tisch und warteten auf die Büfettfreigabe. Beim Ertö­nen stürzten sie sich auf vorher ausgesuchte Positionen und kamen mit üppig gehäuften Tellern und zwei Flaschen des kostenlosen Weins zurück. Wir hatten inzwischen uns auch etwas ausgesucht. „Habt Ihr keinen Wein mitgebracht? „Das stehen doch zwei Flaschen.“ „Holt noch mal nach, die können wir nachher im Garten trinken.“ Waren das die netten Nachbarn, die wir in Ahrensburg so gerne besuchten? Als sie das dritte mal zum Büfett eilten, entschloss ich mich die gemeinsamen Essen auf ein Minimum zu beschränken.

Mir war die Ausnutzung des All-Inklusive Ange­bots einfach unverständlich.

Erkenntnis: Suche Dir Mitreisende stets sorgfältig aus


Rolf fragte mich, ob ich ein Restaurant in Marbella empfehlen könne. Er wollte Christas Geburtstag mit uns feiern. Bei einem früheren Besuch in Marbella mit Golffreunden hatten wir einmal in einem fantastischen Restaurant in der Altstadt gefeiert. Ich reservierte also für vier Personen einen Tisch. Es war schließlich der Geburtstag seiner Frau und nun sollte die übertriebene Sparsamkeit des Millionärs mal getestet werden.

Es war ein wunderschöner Abend und zu meiner Überraschung wurde ich trotz der horrenden Zeche gelobt.

Erkenntnis: Menschen sind oft nicht berechenbar

Es wurde nicht nur gearbeitet 

Die großzügige Urlaubsregelung der IBM ermög­lichte uns ausgedehnte Reisen.

1982 Texas ich komme

Meine Frau drehte einen Film in El Peso, Texas, und
ich beschloss, sie dort zu besuchen. Durch unsere Be­rufe waren wir häufig getrennt. Sie war oft monatelang bei Dreharbeiten, und wenn sie zurückkam, war ich bei Kunden oder Lehrgängen. Ich wusste, sie hat kaum Zeit für gemeinsame Unternehmungen, aber ich plan­te, ohnehin meine Zeit mit Golf und Erkundigung von Land und Leuten zu verbringen.



Also auf ins Reisebüro und den Flug buchen. Ham­burg, Frankfurt, New York, Dallas und Eli Peso wurde vereinbart. Früh morgens startete ich in Hamburg. Frühstück fiel aus, schließlich gibt es ja Verpflegung an Bord. Leider ein Irrtum, die Flugzeit war zu kurz und es gab den obligatorischen Tomatensaft.

In Frankfurt angekommen war keine Zeit für ein Frühstück. Der Anschlussflug nach New York rief zum Einchecken. Ich nutzte meinen ganzen Charme, um einen Fensterplatz in der letzten Reihe der 747 zu er­halten. Ich hatte Glück, Fensterplatz und letzte Reihe wurden zugesagt. Die letzte Reihe hatte den Vorteil, dass nur zwei Sessel vorhanden waren und der Weg für eventuelle Toilettengänge kurz.

Beim Boarding verstaute ich mein Handgepäck und nahm meinen Platz für die nächsten Stunden ein. Bald würde es Frühstück geben. Mein Magen knurrte un­überhörbar.

Die Maschine war ausgebucht, aber der Platz neben mir blieb frei. Herrlich!

Die 747 setzte sich in Bewegung und ich hörte eine Stewardess rufen „wir rollen schon, Sie müssen sich sofort hinsetzen". Adressat war ein Mann mit einem Kleidersack. Verfolgt von der aufgeregten Stewardess steuerte er den Sessel neben mir an, verstaute den Klei­dersack und setzte sich. "Hi, my name is Ed, hate to use the Firstclass. Great to find a seat here". Da hat der Mensch ein Firstclass-Ticket und zieht die Holzklasse vor? Die spinnen, die Amis dachte ich.

Wir hoben ab und er drückte den Serviceknopf. "Need a Bloody Mary, what about you? Lieber nicht, brauche unbedingt etwas Essbares und keinen Drink. Widerstand war zwecklos, er bestellte zwei Drinks. Bis zum Frühstück hatte ich schon zwei Gläser intus und wurde von meinem neuen Freund interviewt. Zweck der Reise, Familienstand, Beruf, wurden abgefragt und eine neue Bestellung wurde getätigt. Er gab mir Hin­weise für den weiteren Reiseverlauf und bestand dar­auf, dass ich alles notierte.

In New York angekommen forderte er mich auf, ihm zu folgen. Er hielt einen Ausweis hoch und wir wurden ohne Kontrolle durchgewunken. „I´m a Con­gress-member, Enjoy your vacation“ ein kurzes Win­ken und weg war er.

Noch leicht schwankend machte ich mich auf die Suche nach einem Taxi. Der Weiterflug sollte in La Guardia starten. Eine attraktive Stewardess hörte, wie ich dem Fahrer mein Fahrziel nannte und fragte "Wan­na split the cab?". Es hörte sich in meinen Ohren etwas anrüchig an, aber sie wollte nur den Fahrpreis halbie­ren.

Die Drinks hatten mich schläfrig gemacht und ich döste vor mich hin. Die flotte Dame versuchte ein Ge­spräch anzufangen und muss gedacht haben: "Diese Deutschen sind seltsame Typen.“ Der Taxifahrer liefer­te uns vor dem Flugplatz ab, und ich verabschiedete mich von meiner Begleiterin. Am Check-in Schalter er­fuhr ich: Die nächste Maschine nach Dallas startet in vier Stunden. Ich suchte mir einen Sessel, erwarb zwei große Gläser Cola und kämpfte gegen die Müdigkeit.

Den Flug nach Dallas habe ich im Tiefschlaf ver­bracht. Nach der Landung wurde ich geweckt und in die EL Paso-Maschine "umgebettet".

Mein Kaffeekonsum auf dem Flug war keine große Hilfe. Diese lasche Brühe Kaffee zu nennen war gera­dezu Blasphemie!

Ellen erzählte mir später, ich hätte auf der Rolltrep­pe der Ankunftshalle geschlafen.
Sie war in Begleitung eines Produktionsassistenten und erklärten mir, sie müssten noch kurz in einen Country-Club vorbeischauen. Dort würde eine Sänge­rin auftreten, die unbedingt noch eine neue Version des Drehbuches erhalten müsse. Ich hörte zwar die Worte, verstand aber nichts. Ich wollte nur noch schla­fen.

Die Sängerin war fantastisch. Nach dem zweiten Song fielen mir dennoch die Augen zu. Sechs Bloody Mary, vier Bier und die endlose Anreise hatten eine un­geahnte Wirkung.

Am nächsten Morgen wachte ich in einem Hotel­zimmer auf. Wo bin ich? Auf dem Nachtisch lag ein Zettel. "Wollte Dich nicht wecken, bin im Büro. Ruf mich an, wenn Du wach wirst".

Erst einmal ein kräftiges Frühstück! „Scrambled eggs, bacon, well done toast, coffee and orange juice please". Die texanische Portion hätte gereicht, um eine ganze Meute zu sättigen.

Frisch gestärkt machte ich mich auf den Weg zu El­lens Büro. Sie sprach gerade mit dem Produzenten und Regisseur Vadim Glowna.

Ich kannte Vadim schon von früheren Produktionen und er hatte eine Frage. "Sag mal, Du als IBMer hast doch sicherlich genügend Organisationserfahrung. Könntest Du mal zum Drehort fahren und nach dem Rechten schauen?“ Man muss ja nicht gleich nach der Ankunft auf den Golfplatz, oder?

Ich durfte mir einen Leihwagen aussuchen und wählte einen Chevy-Pickup. O-Beine und Texas erfor­derten einen zünftigen Schlitten. Ich ließ mir den Weg erklären und machte mich unverzüglich auf denselben. Der Drehort lag in einem Militärgebiet. Außer Vadims Wunsch, mal die Augen aufzuhalten, wusste ich nicht was mich erwarten würde.

Nach dem Verlassen des Highways folgte ich den Angaben. Weit und breit nur Sand. Kein Problem für meinen Chevy, aber wo finde ich den Drehort in dieser Einöde? Da, auf einem Hügel standen zwei Männer an einem Stehpult und unterhielten sich.
Das musste es sein. Den einen konnte ich von der Ankunft am Vortag. Er hatte den passenden Namen: Ransom Rideout.

Der andere Mann drehte sich zu mir um und sagte: „Hallo, ich bin Dieter Flimm und Filmarchitekt. Vadim sagte, er würde Verstärkung raus schicken. Willkom­men! Es geht um folgendes". Er zeigte auf einen Packen Zeichnungen. "Hier soll die Tankstelle hin und dort der Diner. Damit solltet ihr anfangen. Das Material und die Arbeiter müssten auch bald erscheinen. Ich muss los, wir sehen uns".

Mir entgleisten alle Gesichtszüge. Da stand ich in der Wüste an einem Stehpult und verstand die Welt nicht mehr. Tankstelle, Diner, Material, Arbeiter?

Ransom murmelte irgendetwas in sein Walki-Talki Ich schaute mir indes die Zeichnungen an. Wo war ich nur gelandet und warum hatte ich nicht laut und deut­lich NEIN gesagt?

Führungsqualität gefragt

Aus der Wüste kam ein riesiger Truck mit Anhänger auf uns zu. "Ah, der Holzlieferant", rief mein amerika­nischer Kollege. Der Fahrer stieg aus und fragte, wo er seine Ladung abladen solle. "Ransom, was soll hier ge­schehen?", "Das Holz brauchen wir für die Gebäude". Hätte ich mir fast gedacht. Der Fahrer holte einige Pa­piere aus dem Truck und fragte: „Wer ist hier zustän­dig?“ Mit einer knappen Handbewegung deutete Ran­som auf mich. Hee? Er konnte ja nicht wissen, das ich in handwerklichen Dingen immer auf die Hilfe ande­rer angewiesen war. Ich musste aber eingestehen: zu­ständig sah ich schon aus.

Was nun? Ich nahm den Stapel entgegen und tat so als würde ich den Inhalt studieren. "Ransom, was ist C1-Sperrholz?". "Wird für die Wände benötigt, ist beste Qualität".

Hatte Vadim nicht gesagt, das die gesamten Kulis­sen zum Ende des Films in Flammen aufgehen wür­den? "Ich will das billigste Sperrholz. Die Balken kön­nen sie abladen, aber das Sperrholz wird ausgetauscht". Den Protest des Fahrers ignorierte ich einfach. Hoffentlich bedeutete Zuständigkeit nicht auch Verantwortung!

Nun standen wir mitten in der Wüste. Ein Stehpult mit Zeichnungen, stapelweise Balken und zwei Men­schen, von denen einer den anderen leicht zweifelnd ansah.

Film ist schick, oder?

Nach einer Stunde erschien unser Holzlieferant mit leicht säuerlichem Gesicht und lud das preisgünstigere Sperrholz ab. Nur gut, dass er keinen Colt bei sich hat­te. Man war ja schließlich in Texas. Schwungvoll unter­zeichnete ich die Lieferpapiere.

Aus dem nichts der Wüste tauchte plötzlich ein Trupp Mexikaner auf. Ohne Auto, zu Fuß?

Einer stellte sich vor: "I´m Jesus, we are ready to start". Meine erste Begegnung mit Jesus, mitten in der Wüste! Was für ein Leben!

Er schaute sich die Zeichnungen an, rief seinen Leu­ten etwas zu und es lief etwas Unglaubliches ab. Bal­ken wurden gesägt und ausgelegt. Wildes hämmern und das Fundament der Tankstelle war gelegt. In weni­gen Stunden waren sie dabei die Sperrholzplatte anzu­nageln. Jesus schaute gelegentlich auf den Plan und ich versuchte, möglichst kompetent auszusehen. Zustän­digkeit ist keine leichte Aufgabe, oder?

Wir verabredeten für den nächsten Morgen. Der Trupp verschwand in der Wüste, ich packte die Zeich­nungen zusammen und machte mich auf den Weg.

Im Plaza-Hotel angekommen wurde ich schon im Büro erwartet. Produzent, Produktionsleiter, Aufnah­meleiter, und alle im Raum gratulierten mir zu mei­nem ersten Tageswerk. Was hatte ich eigentlich ge­schafft. Außer möglichst kompetent auszusehen und dem Trinken von mindestens drei Liter Wasser eigent­lich nichts Weltbewegendes.

Vadim erzählte mir später an der Bar, meine Sperr­holzentscheidung hätte rund 15.000 $ eingespart.

Erkenntnis: Ich bin ein Finanzgenie!

Am nächsten Morgen erschienen Jesus und sein Trupp aus der öden Landschaft. Wo blieben die eigent­lich nachts? Ein Lächeln, ein kurzer Blick auf die Zeich­nungen und schon hörte man emsiges Hämmern. Die Überdachung der Tankstelle, der Innenausbau vom Di­ner und dem angrenzenden Workshop erfolgten in Windeseile.



Mein erster Tornado



Wieder lagen wir im Plan. Jesus und seine „Jünger“ verschwanden winkend im Nirgendwo.

Wir packten unsere Unterlagen zusammen. Im Ho­rizont war ein bleistiftgroßer schwarzer Finger zu se­hen. „Was ist das?“ , fragte ich Ransom. „Ein Tornado, wir sollten uns schnell in Sicherheit bringen.“ In Si­cherheit, nun übertrieb er gewaltig. Der „Finger“ war meilenweit entfernt. Ransom bestand darauf, dass wir unseren Wagen in eine Senke fahren und dort warten sollten. Es sei für eine Flucht zu spät.

Kaum geschehen wurde der Pick-up kräftig durch­geschüttelt. Es dauerte endlose Minuten und wir konn­ten durch aufgewirbelten Sand nichts sehen. Schlagar­tig wurde es geradezu gespenstisch ruhig. Wir trauten uns auszusteigen und erklommen den Rand der Senke. Überall lagen Trümmer herum. Alle Bauten waren zer­stört.

Deprimiert machten wir uns auf den Weg nach El Paso. Als wir die schlechte Nachricht verkündigten, wurde sofort ein Meeting des Stabes einberufen. „Sind wir versichert?, müssen wir den Dreh verschieben?, was können wir tun?“ Alle waren nervös.

 „Ich bin sicher, wir können die Zeit wieder einho­len. Ich habe alle Schritte und Probleme bis jetzt no­tiert. Es ist möglich in wesentlich kürzerer Zeit die Bauten wiederherzustellen.“ Ungläubige Blicke der versammelten Crew. Der Neuling im Filmgeschäft will das Problem lösen?

Vadim forderte mich auf, mit ihm und seinem Re­gieassistenten Marijan Vajda in die Bar zu gehen. „Glaubst Du wirklich, wir können die Arbeit von zehn Tagen in fünf Tagen erledigen?“ Mir gelang es, die bei­den zu überzeugen.

Nach fünf Tagen war alles erledigt. In der Zeit habe ich maximal fünf Stunden am Tag geschlafen.

Erkenntnis: Schlaf kann man nachholen, oder?

 

Statt Urlaub arbeiten im Art Departement

Ungefragt wurde ich nun während der Vorberei­tung zum Dreh mit diversen Aufgaben betreut. Am Drehort liefen die Arbeiten wie geplant und ich sollte mich mit der Leiterin des Art Departements treffen. Was war eigentlich ein Art Departement?

Die Chefin Nora Chavoosian schaute etwas skep­tisch, als ich ihr Zimmer betrat. Sie saß im Schneider­sitz auf dem Bett, umgeben von Papierstapeln. „OK, here are some urgent tasks.“ Sie nahm einen Packen Papier und reichte ihn mir. „We need 50 cars vintage 1950 or earlier with licence plates.“ Eine echte Aufgabe für ein pfiffiges Kerlchen wie mich, oder?

Ich ging ziemlich verwirrt in die Lobby. Erst mal einen Kaffee und eine Zigarette. Kaum hingesetzt sprach mich der Hotelbesitzer Mike Dipp an. „Hi, habe gerade mit Deiner Frau gesprochen. Immer ein wahres Erlebnis. Hat unsere Rechnung um 5000,00 Dollar ge­kürzt.“ Er lachte: „Taffe Geschäftsfrau. Dachte nie­mand, würde unsere Buchungsfehler merken.“

„Du siehst etwas verwirrt aus, Probleme? Ich er­zählte Mike von der neuen Herausforderung. „Komm in mein Büro.“ Ich nahm meinen Kaffeebecher und folgte ihm.

In seinem Büro angekommen führte er diverse Tele­fonate und machte sich Notizen. Als er das letzte Ge­spräch beendet hatte, gab er mir den Zettel. „Das sind Freunde mit Autos aus den Fünfzigern. Mach Termine und schau Dir die Wagen an. Ich habe Dich bei ihnen angemeldet.“

                Erkenntnis: Wenn Du nicht mehr weiter kannst, kommuniz­iere Deine Probleme!


Sofort fing ich an, die Telefonliste abzuarbeiten. No­tierte die genannten Adressen und legte mithilfe eines Stadtplans die Route fest.

Schon der erste Kontakt war ein Riesenerfolg. Ich fuhr zu der abgegebenen Adresse und hielt vor dem Haupteingang einer großen Fabrik. Zu meiner Überra­schung wurde ich sofort in das riesige Büro des Chefs geführt. Mit der so typischen, amerikanischen Freund­lichkeit begrüßte er mich „Hi, Mike hat mich angeru­fen wegen der Autos und muss etwas durcheinander­gebracht haben. Ich sammle zwar Oldtimer, aber nur zwischen 1903-1925. No Problem at all, hier ist eine Liste mit Freunden, die Dir helfen können. Sie warten nur auf Deinen Besuch.“ God bless America, dachte ich und war wieder unterwegs.

Nach zwei Tagen legte ich Nora die unterschriebe­nen Verträge und Polaroids der Wagen vor. Nun fehl­ten nur noch die passenden Nummernschilder. Wieder half Mike Dipp.


Ich fuhr zum genannten Ort und fand einen Ge­brauchtwagenhändler. Öl verschmiert, einen ebenso öligen Stetson auf dem Kopf begrüßte er mich und fragte nach meinen Wünschen. Fünfzig Nummern­schilder von 1950, kein Problem. Hinter der Werkstatt hingen Hunderte an einem Holzzaun. Bingo!

Vorsichtig fragte ich nach dem Preis. „Wenn Du meinem Sohn einen Job beim Film beschaffst, nimm Dir alle, die Dir gefallen. So wurde Mike Jr. kurzer­hand zu meinem Assistenten ernannt. Beim Film hatte schließlich jeder einen Assistenten und natürlich die auch Assistenten.

Nora fiel fast vom Glauben ab. Nie hätte sie von dem Neuling eine so schnelle Erledigung erwartet. Als Dank ging es wieder zurück zum Drehort. Die Mexika­ner hatten die Garage und den Diner fertiggestellt. Je­sus verschwand mit seinem Trupp in der Wüste. Tschüss Jesus!

Am Stehpult besprach ich mit Ransom die ausste­henden Aufgaben. Mike Jr. sorgte für kühle Getränke und beobachtete uns aufmerksam.

 „Morgen kommt ein Filmmaler aus Hollywood und bringt die Gebäude in den 50er-Look, außerdem müssen wir Tanksäulen aus der Zeit besorgen. Nora schickt uns Annamarie raus. Wir brauchen Einrich­tungsgegenstände für den Diner. Der Filmarchitekt braucht noch eine Art alten Bohrturm für das Autoki­no. Ein Wohnwagen wird angeliefert und soll zum Cat-House umgebaut werden.“

An Arbeit schien es nicht zu mangeln.

                                   Erkenntnis: Man wächst mit seinen Aufgaben!

Am nächsten Morgen besorgte ich mir ein dickes Ringbuch in einem Supermarkt. Bei den vielen Aufga­ben ging es nicht ohne Notizen. Der riesige Super­markt war mir schon bei der ersten Fahrt zur McGre­gor Range aufgefallen. Er hatte rund um die Uhr geöff­net und hatte augenscheinlich tausende Parkplätze. Bei späteren Besuchen entdeckte ich eine anscheinend ty­pische Marotte der Amerikaner. Gehe nie zu Fuß, oder vermeide es wenn möglich. Alle versuchten in der ers­ten oder zweite Reihe zu parken. Geduldig kurvten sie um diese begehrten Plätze zu ergattern minutenlang herum.

Ransom wartete schon am Stehpult. Mike Jr. war auch schon da und servierte mir eine Flasche Gatora­de. Das Zeugs schmeckte nicht besonders, war aber laut Reklame lebensnotwendig in heißen Regionen. Wir sprachen gerade die Tagesaufgaben ab, als ein Wa­gen erschien. Ein dürrer Mann in einem Overall stieg aus und begrüßte uns: „Hi, my name is Burt, time to dress up this place a little bit. Let´s have a look first.“ Er ging auf den Diner und die Tankstelle zu und schaute sich die Bauten aus der Nähe an.

Ransom: „he´s a famous film-painter from Holly­wood.“ Burt kam zu unserem Stehpult und schaute sich die Zeichnungen an. „the place should look ram­shackled and neglected since the 50th. Ok, let´s start.“

Sprach es und entnahm dem Kofferraum einige Ei­mer und Gerätschaften. „Was für ein komischer Vogel“ , dachte ich und staunte, als er anfing mit einem großen Pinsel wirre, graue Kreuze an die Wände mal­te.

Nach einiger Zeit drehte er sich um, sah meinen skeptischen Blick und winkte mich zu sich. „Durch die Kamera sieht es später ganz anders aus, glaub mir.“ Eher fällt in Peking ein Sack Reis um, der will mich auf den Arm nehmen! Unbeirrt kleckste der berühmte Filmmaler weiter.

Am nächsten Morgen erschien der Kameramann mit seinen Assistenten. Nach der Begrüßung bauten sie ihre Kamera auf und machten einige Probeschwenks. Der Kameramann Martin Schäfer forderte mich auf einen Blick durch die Kamera zu werfen. Potz Blitz, die Gebäude sahen heruntergekommen und total verwit­tert aus. Martin lachte: „Wir können zaubern. Burt hat großartig gearbeitet“

           Erkenntnis: Augen können täuschen!

Die Suche auf den Junk Yards und überall

Die Bauten waren fast fertig, nun musste für die Ausstattung gesorgt werden. Auf dem Wunschzettel des Architekten stand ein eiserner Turm für die Projek­torkabine des Autokinos. Müsste sich doch in der Wüste finden lassen, oder?

Das Art-Department und neue Aufga­ben



Ich machte mich mit Nora und Annamarie auf den Weg zum nächsten Junk Yard. So etwas hatte ich nicht erwartet. Der Schrottplatz war mehrere Quadratkilo­meter groß. Übereinandergestapelte Jets, tausende Au­towracks, Elektroschrott und Möbelberge waren zu se­hen. Ein Mitarbeiter zeigte uns einen rostigen ca. 20 Meter großen Bohrturm. Bingo!

Die Mädels kramten inzwischen im Möbelberg. Alte Küchenteile wurden gesucht und beiseite gestellt. Als ich ihre Ausbeute sah, traute ich meinen Augen nicht.

„Dieser Müll soll am Set eine Küche darstellen?“ „Ja, warte es ab.“

Erkenntnis: Die Kamera muss wirklich zaubern können!

Wir organisierten einen LKW für den Abtransport. Die Bezahlung war einfach organisiert. Der LKW wur­de bei der Einfahrt gewogen und bei der Ausfahrt er­neut. Das Zusatzgewicht wurde mit einem Pauschal­preis berechnet. Ich hätte gerne einen der gut erhalte­nen Jets mitgenommen, aber wohin mit einer F86? Wüstenkoller?

Nach der Anlieferung am Set wurde der alte Bohr­turm mit vereinten Kräften an der vorgegebenen Stelle aufgerichtet. Die Küchenmöbel wanderten in den Di­ner und die Mädels stellten die Teile zusammen. „Das muss ja fürchterlich auf der Leinwand aussehen.“ „Warte es ab.“ Ich ging kopfschüttelnd nach draußen. Andreas Willim, der zuständige Bühnenarbeiter sagte, er bräuchte einige große Fleischerhaken für den Trans­port der Teile des Projektorhäuschens. Endlich eine Aufgabe für den Superorganisator!

Auf dem Weg zwischen dem künftigen Drehort und El Paso gab es einen riesigen Supermarkt. Also rein in den Pick-up und Fleischerhaken besorgen. „Fleischer­haken?“ Wie heißen die Dinger eigentlich auf Englisch. Hatte den Tag in der Schule wohl versäumt.

Egal, man wächst schließlich mit Herausforderun­gen, oder? Ich irrte in dem Riesenmarkt herum. Nach einer pantomimischen Glanzleistung meinerseits sagte ein lächelnder Angestellter: „oh, you are Looking for S-shaped Hooks. They are over there.“ ,


Zehn „S-shaped hooks“ sahen in dem gewaltigen Einkaufswagen ziemlich mickrig aus. Auf in die Le­bensmittelabteilung. Mir kam eine blendende Idee, eine Frühstückspause für das Team. Weil deutsche Sol­daten nahe El Paso stationiert waren, gab es sogar Schwarzbrot, Mettwurst, Löwensenf und noch mehr Spezialitäten. Der Einkaufswagen füllte sich sehr schnell. Norwegischer Jarlsbergkäse wurde kurzer­hand eingedeutscht. Merken die Amis nicht, oder?

Eine Rolle weißes Papier, Pappteller, Becher und Plastikbestecke waren für den Anlass gerade richtig. Für die Mädels besorgte ich Zahnbürsten, Zahnpasta und Kleenextücher. Sie waren bis zu 18 Stunden am ra­ckern und würden das Geschenk sicherlich begrüßen.

Am Set angekommen gab ich Andreas die Haken und erklärte dem Team, das der Diner für eine halbe Stunde eine No-go-Area sei. Die skeptischen Blicke zeigten eindeutig: „Nun hat er einen Sonnenstich!“

Ich schleppte meinen übrigen Einkauf ins Diner. Zwei Tische wurden zusammen- gestellt und mit dem weißen Papier belegt. Teller, Becher und Bestecke ange­ordnet und die Fressalien optisch verteilt. Jarlsberg, Mettwurst, Gurken, Löwensenf und Brot warteten auf die Gäste. Eine Kiste Becks-Bier stand gut gekühlt bereit. Ein letzter Blick und dann der Ruf: „Come in, folks.“

Die Blicke werde ich nie vergessen. Einige hatten so­gar Tränen in den Augen. Mit so einer Überraschung hatte keiner gerechnet.

Erkenntnis: Tue Gutes und optimiere Dein Ansehen!

Die Suche nach Requisiten

Die Liste der benötigten Requisiten war endlos. Wir mieteten einige Container, um die jeweilige „Beute“ zwischenzulagern. Alte Tanksäulen, Ausrüstungen für den Diner und vieles mehr wurde verstaut.

Auf einem Flohmarkt in den Außenbezirken von El Paso fand ich einen Koffer mit einer uralten Polaroid-Kamera (Typ 95 ) und mehreren Filmpäckchen. Nach zähen Verhandlungen erstand ich das Prachtstück. Die mexikanische Verkäuferin ahnte nicht, welchen Schatz sie für 55 $ verkauft hatte.

Als wir am Abend ins Hotel kamen, trafen wir Va­dim und einige andere Crew-Mitglieder. Sie waren auf dem Weg zur Bar. Meine Neuerwerbung in der Hand schloss ich mich ihnen an. Nach der Hitze draußen kämen einige „Frozen Margaritas“ gerade recht.

„Was hast Du denn da in dem Koffer?“ Vadim war neugierig. „Habe eine Land-Kamera auf dem Floh­markt gefunden.“ Minuten später wechselte die Neu­erwerbung den Besitzer. Vadim brauchte das Schmuck­stück für seine Sammlung!

                   Erkenntnis: Manchmal war ich einfach zu großzügig, oder?

 


 













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